Reserve

Reserve.

Reserve, von Truppenabteilungen gesagt, ist eine jede solche, die ausdrücklich dazu bestimmt ist, anderen Truppenabteilungen zum Rückhalt, zur Unterstützung, oder zur Ergänzung zu dienen, oder gar um dieselben völlig zu entsetzen, d. h. an ihre Stelle zu treten, wenn es die Umstände erfordern. Daher sind auch sowohl die Replis, als die Soutiens Reserven, nur dass man hierbei gewöhnlich den Unterschied macht, jene beiden Benennungen nur einer geringen Anzahl von Mannschaft beizulegen; dahingegen größere Heeresabteilungen, wenn auch bei gleichen Verrichtungen, immer den Namen einer Reserve erhalten.

In der Schlacht ist die Reserve diejenige ganze Masse des Heeres, welche analog mit den beiden ersten Treffen der Schlachtordnung, hinter denselben aufgestellt ist, und also das letzte Treffen ausmacht. Ihr erstes Geschäft ist hier, dem im Gefecht begriffenen Teil des Heeres den Rücken zu decken; sie wird also auch selbst ihre eigenen Flanken sicher stellen müssen, und sich daher bei ihrer Aufstellung der Bildung des Terrains mit Umsicht anschmiegen. Beim Anfange der Schlacht ist die Reserve nur ein ruhiger Beobachter; erst im Verlaufe derselben wird sie ihre Wichtigkeit, ihren Nutzen bewähren; dass sie aber nicht nur höchst wichtig und nützlich, sondern auch durchaus notwendig sei, hat die Erfahrung schon durch die älteste Kriegsgeschichte hinreichend bewiesen; nur muss sich der Anführer nicht verleiten lassen, sie gerade als den Hauptteil seines Schlachthaufens zu betrachten. Wollte ein Befehlshaber einen bedeutenden Teil seiner Streitmacht außer dem Gefecht halten, und ihn zur Reserve bestimmen, dadurch aber die erstere so schwächen, dass der ihm nun an Zahl und Gewandtheit überlegene Feind Gelegenheit findet, durch eine vereinte Wirksamkeit aller ihm zu Gebote stehenden Mittel das Haupttreffen aufzureiben, ehe ihm die Reserve zu Hilfe kommen kann, die er dann ebenfalls durch seine Übermacht schlägt, so würde freilich hier das Verfahren, eine Reserve gehabt zu haben, diesem Befehlshaber sehr teuer zu stehen kommen. Oder wenn jener Befehlshaber seiner Reserve einen so unangemessenen Platz anweiset, dass er sie nicht nach Belieben verwenden kann; wenn er von seiner Reserve entweder gar nicht, oder nicht zur rechten Zeit und am rechten Ort Gebrauch macht, so würde freilich der Feind, ungeachtet jener eine Reserve gehabt hatte, mit leichter Mühe den Sieg erfechten können. Aber hier liegt die Schuld nicht an dem Mittel, sondern an dem Gebrauch des Mittels.

Die Reserve ist für das erste und zweite Treffen des im Gefecht begriffenen Heeres so nötig, wie die Arrieregarde für die Avantgarde und den Haupttrupp eines im Marsche begriffenen Detachements, und nach dem Verhältnis der Stärke dieser verschiedenen Teile zu einander, ist auch die Stärke, welche eine Reserve haben muss, im Allgemeinen zu beurteilen. Zwar lässt sich hier nichts bestimmtes festsetzen, da Alles zu sehr von den Umständen, vom Terrain, von der Fechtart des Feindes, von der Absicht abhängt, die wir bei dem Gefechte haben usw.; doch aber ist wohl anzunehmen, dass in den gewöhnlichen Fällen das Haupttreffen wenigstens eben so stark, wo möglich aber doppelt so stark sein muss, als das erste Treffen und die Reserve zusammen genommen. Denn nicht die größere Zahl gibt diesen beiden den wahren Wert, sondern ihr dem Zweck und den Umständen angemessener Gebrauch, und die Auswahl der Mannschaft dazu. Das erste Treffen wird überhaupt selten etwas entscheiden; sein vorzüglicher Zweck ist vorübergehende Beschäftigung, Zeitgewinn, um das Haupttreffen entwickeln zu können, und über die Stärke und Absichten des Feindes, so viel sich tun lässt, vor der Verwicklung des Gefechts ins Klare zu kommen. Die Reserve soll zwar entscheiden, aber weniger durch das Gewicht ihrer Masse, als durch die Heftigkeit, das Überraschende, und durch die anpassende Richtung ihrer Operationen; dies um so mehr, als sich voraussehen lässt, dass in dem Augenblicke, wo die Reserve gebraucht wird, der Feind durch das bisherige Gefecht schon etwas mürbe geworden, und vom Getümmel befangen ist.

In der Regel bestimmt man die gewandteste Mannschaft für das erste Treffen, die zuverlässigste und tapferste für die Reserve; bei geringen Haufen sieht man sich jedoch oft genötigt, eine und dieselbe Mannschaft für beide Zwecke zu verwenden, und das erste Treffen gegen das Ende des Gefechts wieder als Reserve zu gebrauchen, oder wenigstens diese hier durch jenes zu verstärken. Dieses wird auch vorzüglich eintreten, wenn die Armee zum Rückzuge gezwungen ist; die Reserve wirft sich dann mit neuer Kraft und frischem Mute dem Feinde entgegen, um ihn vom Verfolgen abzuhalten; dazu wird sie aber durch diejenigen Haufen der beiden ersten Treffen, welche noch am besten in Ordnung sind, verstärkt, während hinter ihrem Schirme die übrigen flüchtigen Bataillone gesammelt, und ihr als Reserve aufgestellt werden.

Es kann auch als eine Regel angesehen werden, dass man suchen müsse, seine Reserve so lange als möglich aufzusparen, und alles aufzubieten, sie später als der Feind die seinige, ins Feuer zu bringen. Allein es versteht sich wohl von selbst, dass günstige Umstände für den früheren Gebrauch der Reserve entscheiden, und dass man bei einem gleichen Verfahren des Feindes, von einem solchen Zaudern ablassen, und durch Ungewöhnliches, Überraschendes, sich bestreben müsse, das Zögern des Feindes zu seinem Vorteil zu benutzen.

Wenn das Haupttreffen in selbstständige Haufen, wie bei der Brigadeaufstellung, geordnet ist, so können sich das erste Treffen und die Reserve ohne Übelstand durch die Intervalle, zurück, und vor, ins Gefecht begeben; außerdem aber ist es Regel, dass die Avantgarde sich nie gerade auf das Haupttreffen, sondern stets seitwärts, neben dasselbe vorbei, zurückbegebe, und dass die Reserve nie gerade hinter dem Haupttreffen, sondern etwas seitwärts hinter demselben, aufgestellt werde. Dies geschieht, damit der Zurückgehende nie den Vorgehenden oder seitwärts Aufgestellten in seiner Bewegung und Feuerwirkung hindere, oder wohl gar durch seine Flucht ebenfalls in Unordnung bringe, und mit sich fortreiße, sondern demselben vielmehr die Gelegenheit verschaffe, einen Flankenangriff gegen den verfolgenden Feind zu unternehmen; hierdurch, und nachdem der Feind zum Nutzen gebracht worden ist, erhält der zurückgegangene Teil Zeit sich zu erholen, und Gelegenheit, unverzüglich sich von Neuem ins Gefecht zu mischen, und vielleicht einen günstigen entscheidenden Ausgang herbeizuführen.

Auch stellt man die Reserve gern verdeckt, und außer dem Bereich des feindlichen Feuers auf; nur muss man sich hüten, sie deshalb nicht zu weit vom Haupttreffen zu entfernen, damit sie zur rechten Zeit demselben allenthalben, wo es Not tut, zu Hilfe eilen könne, oder die Gelegenheit nicht versäume, wo ihr Hinzutritt zu dem Gefecht den Sieg entscheidet. Eben so muss man es vermeiden, das erste Treffen zu lange ohne Unterstützung im Gefecht zu lassen, damit es nicht unnütz aufgerieben werde; und umgekehrt auch nicht die Reserve zu früh ins Feuer bringen, weil sie sonst leicht gleich der übrigen Masse verwickelt wird, ohne eine Entscheidung herbeizuführen. Wo übrigens die Grenze liegt, welche das Zufrüh oder Zuspät, das Zuviel oder Zuwenig abscheidet, lässt sich bestimmt nicht angeben, wenn man darüber nicht an Ort und Stelle entscheiden kann, und muss der Beurteilung des Anführers überlassen bleiben.

Die Reserve ist, wie die beiden ersten Treffen, aus den drei Haupttruppenabteilungen zusammengesetzt, jedoch wohl selten in demselben Verhältnis. Gewöhnlich besteht die Mehrzahl aus Kavallerie, nicht nur, weil diese am geschicktesten ist, ihre Hilfe schnell an alle Orte, wo man ihrer bedarf, hinzubringen, und um sie bis dahin unversehrt zu erhalten; sonden auch weil der Kavallerie, in der Ebene, vorzüglich das Gefecht obliegt, im Fall eines Rückzugs, denselben zu decken. Daher hat man zu diesen Verrichtungen bei jedem Armeekorps mehrere Regimenter Kavallerie besonders bestimmt, welche den Namen der Reserve-Kavallerie führen. Ein Gleiches gilt von der Artillerie, von welcher man mehrere Batterien bei jedem Armeekorps zur Reserve-Artillerie bestimmt, wozu vorzüglich die reitende Artillerie geschickt ist. Beide haben in der Reserve die Bestimmung, während der Schlacht jeden Augenblick wahrzunehmen, wo sie durch ihr rasches, plötzliches Erscheinen eine günstige Veränderung der Dinge hervorbringen können; nach der Schlacht aber, entweder die Verfolgung, oder die Deckung des Rückzuges zu übernehmen. Die Fußbatterien, welche mit zur Reserve-Artillerie bestimmt werden, sind gewöhnlich schwere Feldkanonen und Haubitzen, werden aber auch bei der Aufstellung in Schlachtordnung zum Teil dem Haupttreffen an schicklichen Punkten beigegeben. Was für Infanterie der Reserve beizugeben sei, ist größtenteils gleichgültig, da jetzt die verschiedenen Arten derselben zu allem Gefecht fast gleich geschickt sind, doch sucht man wohl öfters die versuchtesten und bravsten Regimenter aus, und stellt auch Jäger oder Schützen in die Reserve, wenn es das Terrain wünschenswert macht, oder dieselben vielleicht anderweitig nicht gebraucht werden usw.

Außer den schon angeführten Bedeutungen hat das Wort Reserve bei Zusammensetzungen noch verschiedene andere, als: Reserve-Bataillon, -Kompagnie, -Eskadron, wo es so viel als Depot bedeutet. Reserve-Regimenter sind öfters solche, die nur zum Garnisondienst in Festungen bestimmt sind, und nur im Fall der Not ins Feld rücken. Reserve-Achse, -Rad, -Lafette usw. bedeuten entweder so viel als Not- oder Vorrats-Rad, -Lafette, -Achse etc.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Reserve (franz.), allgemein soviel wie das Vorbehaltene, dann aber auch soviel wie Zurückhaltung, z. B. eine Nachricht mit aller Reserve mitteilen. In taktischem Sinne bezeichnet man mit Reserve die rückwärts zur Verfügung des Führers für die Wechselfälle des Kampfes zur Unterstützung der kämpfenden Truppen sowie zur Ausführung oder Abwehr des letzten Entscheidungsstoßes bereit gehaltenen Truppen. Es gilt heute als Grundsatz, die Truppen in Marschkolonne auf das Gefechtsfeld zu führen und erst nach Erkennen der Sachlage eine dieser angemessene Reserve zu bestimmen. Eine Abschnittsreserve (früher Spezialreserve) für jeden Abschnitt und eine Hauptreserve werden beim Gefecht um Örtlichkeiten und im Festungskrieg als Rückhalt für die Verteidigung bereit gehalten. In den Forts von Festungen dient ein Teil der Besatzungen als Fortreserve. Neben der Hauptreserve des Verteidigers einer Festung werden eine Artilleriereserve (früher Generalgeschützreserve) und eine Pionierreserve ausgeschieden (vgl. Festungskrieg).

Im Vorpostendienst bedeutet Vorpostenreserve oder Reserve in Österreich, Italien und Russland soviel wie Vorpostengros in Deutschland. Bei dem Fußgefecht scheidet die Reiterei eine Reserve zu Pferde aus. Die Bezeichnung Artilleriereserve und Kavalleriereserve für zurückgehaltene Teile dieser Waffen während der Märsche und Gefechte ist seit 1866 aufgegeben, denn im deutschen Heer gilt der Grundsatz, mit diesen Waffen von vornherein so stark wie möglich aufzutreten, um nicht mit einer Minderheit gegen eine Mehrheit zu kämpfen. Nur für größere Verhältnisse wird das Zurückhalten von Artillerie als Reserve im neuen deutschen Exerzierreglement für die Infanterie als möglich zugegeben, was berechtigt ist, da die deutsche Feldartillerie bei ihrer großen Stärke nicht immer von Anfang des Gefechts an auf dem Gefechtsfeld Platz findet. Eine Armeereserve können Truppenkörper aller Waffen zur besonderen Verfügung des Heerführers in der Schlacht bilden. Unter strategischer Reserve versteht man Truppenkorps, die noch außerhalb des Bereiches der Operationen zur Verstärkung der Armeen auf dem einen oder anderen Kriegsschauplatz bereitgestellt werden oder als Reservearmeen, früher besonders in Russland, dem Feldherrn auf den Kriegsschauplatz folgten. Hauptsache ist jedoch, auf dem Kriegsschauplatz zur Entscheidung so stark wie möglich aufzutreten. Vgl. die Literatur bei Taktik.

In anderem Sinne heißt Reserve der beurlaubte Teil des Heeres (mit Landwehr zusammen Beurlaubtenstand genannt), im Gegensatz zur Linie (s. d.), der einzelne Mann Reservist, Reservemann. Die Pflicht zum Dienst in der Reserve (Reservepflicht) und die Pflicht zum Dienst bei der Fahne dauern zusammen im Deutschen Kaiserreich 7 Jahre, die Reservepflicht allein also 4–5 Jahre. Der Reservist ist während der Dauer des Reserveverhältnisses zur Teilnahme an 2 bis zu 8 Wochen dauernden Übungen verpflichtet. Die Reserve wird zur Ergänzung der Friedensstämme auf Kriegsstärke sowie zur Aufstellung von Reservedivisionen verwendet. Letztere sind ähnlich wie die aktiven Divisionen zusammengesetzt, zu selbständigem Auftreten befähigt und gehören zur Feldarmee. Um daher für den Kriegsfall möglichst gründliche Vorbildung zu haben, hat man seit einigen Jahren die Reserve in selbständigen Truppenteile (Reserveinfanterieregimenter, Reserveartillerieabteilungen) üben lassen und damit gute Erfahrungen gemacht. Über Ersatzreserve siehe dort, über die russischen Reservetruppen s. Russisches Reich (Heerwesen).

Die Einrichtung der Reserveoffiziere besteht fast in allen Heeren, da es nicht möglich ist, für große Armeen die für den Krieg nötigen Offiziere bereit zu halten. Im deutschen Heere findet die Beförderung zum Reserveoffizier durch Kabinettsorder statt, nachdem vorher der Truppenkommandeur sich einverstanden erklärt, die Wahl durch das Offizierkorps des Landwehrbezirks stattgefunden und der Reserveoffizieraspirant sich verpflichtet hat, nach der Ernennung noch mindestens 3 Jahre in der Reserve zu bleiben. Die Reserveoffiziere sind zu drei 4–8wöchigen Übungen verpflichtet und rücken mit ihrem aktiven Hintermann im Truppenteil zum höheren Dienstgrad auf, ebenfalls durch Kabinettsorder. Bei einer Mobilmachung treten die Reserveoffiziere bei ihrem Truppenteil ein. Sie tragen das Landwehrkreuz am Helm. Weiteres s. Offizier. Über Reservespielleute s. Spielleute; über Reservesystem (soviel wie Cadresystem) s. Cadre; über Reserveunteroffizieraspiranten s. Freiwillige. Reservezahlmeisteraspiranten sind Mannschaften des Friedensstandes, die nach einjährigem Frontdienst zu Feldzahlmeistern ausgebildet werden, und zwar im Geschäftszimmer des Zahlmeisters, bzw. im Manöver praktisch und in der Intendantur; am Schluss findet eine Prüfung, im Mobilmachungsfall ihre Einberufung zum Zahlmeisterdienst statt.

In der Forsttechnik heißen Reserven Deckungsmittel für unvorhergesehene Ertragsausfälle durch Waldunfälle oder Überschätzung gegenüber den Ansätzen der Forsteinrichtung (s. d.). Reserven werden eingerichtet unter anderem durch Ausschluss einer Waldfläche von der Forsteinrichtung (stehende Reserven), durch Erhöhung der Umtriebszeit über die an sich zweckmäßige Zeit (Umtriebsreserve), durch ansteigende Regulierung der periodischen Erträge (Periodenreserve), durch niedrige Schätzung (Schätzungsreserve), durch Ausschluss gewisser Bestände, z. B. der im Verjüngungsbetrieb liegenden Bestände, von der Ermittelung des Abnutzungssatzes (fliegende Reserve), auch Einsparungen gegen den Abnutzungssatz (Sparreserve). Seit Einführung der Taxationsrevisionen sind die Reserven bei der Forsteinrichtung mit Ausnahme der Sparreserve meist außer Gebrauch gekommen.

Bibliographie

  • »Handbuch für die Offiziere des Beurlaubtenstandes der Infanterie« (3. Aufl., Berl. 1899, 13 Hefte)
  • »Wehr- und Heerordnung« (Berl. 1904)
  • Egidy: Der Offizier, Sanitätsoffizier und Offizieraspirant des Beurlaubtenstandes (6. Aufl., Dresd. 1890)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe