Handfeuerwaffen

Handfeuerwaffen (kleines Gewehr), im Gegensatz zu Geschützen, Maschinengewehren etc. von einem Mann tragbare Feuerwaffen. Man teilt die Handfeuerwaffen nach Zweck und Konstruktion ein in: Gewehre mit langem Lauf für Infanterie, Jäger (Büchsen), Pioniere etc., sowie Jagdgewehre (s. d.), Handfeuerwaffen mit kürzerem Lauf (Karabiner, Kurzgewehre, Stutzen) für Kavallerie, Fußartillerie, Verkehrstruppen etc., mit noch kürzerem zur Selbstverteidigung im Nahgefecht (Faustwaffen) für Offiziere, Fahrer, Sanitätstruppen etc. (Revolver, Selbstladepistolen, früher Pistolen und Terzerole). Je nachdem die Handfeuerwaffen von der Mündung oder von hinten geladen werden, heißen sie Vorder-, resp. Hinterlader. Bei letzteren unterscheidet man Ein- und Mehrlader. Die Handfeuerwaffen bestehen in der Regel aus Lauf, Schloss, Schaft, Garnitur und Zubehörstücken, die Kriegsgewehre besitzen im Bajonett oder aufgepflanzten Seitengewehr eine blanke Waffe zum Nahkampf.

Handrohr mit Streitaxt aus dem Jahre 1393.

Die ersten Anfänge der Handfeuerwaffen sind die kurz nach dem Bekanntwerden des Schießpulvers im 14. Jahrhundert vorkommenden Donnerbüchsen, Stand-, Hand- oder Faustrohre, aus denen sich zu Anfang des 15. Jahrhunderts die Hakenbüchsen entwickelten.

Luntenschloss einer Hakenbüchse.

Sie wurden durch eine mit der Hand geführte Lunten abgefeuert. Später wurde in den Kopf eines Hahnes die brennende Lunte geklemmt, deren Feuer zunächst mit der Hand, dann durch den Abzug auf die am Lauf befindliche Zündpfanne geleitet wurde.

Radschloss.

Ein wesentlicher Fortschritt war die Erfindung des Nürnberger Radschlosses (1517), dessen Zahnrad, von unten durch die Zündpfanne a greifend, um drei Viertel seines Umfanges mittels Schlüssel an der Achse b gedreht wird, wobei sich eine Kette um seine Achse windet, deren anderes Ende, mit der Schlagfeder verbunden, diese spannt. Ein vor der Zündpfanne stehender Hahn c trägt in seinem Maul ein Stück Schwefelkies oder Feuerstein, das beim Umlegen des Hahnes auf das Zahnrad zu liegen kommt. Durch die schnelle Drehung des Rades beim Auslösen der Schlagfeder werden von dem Feuerstein Funken losgerissen, welche die Entzündung des Zündkrautes in der Pfanne bewirken.

Schnapphahnschloss.

Aus dem Schnapphahnschloss entwickelte sich (1630) das (Feuer-) Steinschloss. Der in den Hahn eingeklemmte Feuerstein (s. Flinte) schlägt gegen die Schlagfläche des stählernen Pfanndeckels, wodurch Funken erzeugt werden; und da durch den Schlag gleichzeitig der Pfanndeckel zurückgeschlagen wird, können die Funken das in der nun geöffneten Pfanne liegende Pulver entzünden.

Perkussionsschloss.

Das erleichterte und freihändig zu gebrauchende Steinschlossgewehr wurde erst nach den Befreiungskriegen durch das Perkussionsgewehr verdrängt. Hier erfolgt die Entzündung der Pulverladung durch den Feuerstrahl eines mit knallsaurem Quecksilberoxid gefüllten, auf den Piston gesetzten und durch den niederfallenden Schlag des Hahnes getroffenen Kupferzündhütchens, der durch den hohlen Piston die Ladung erreicht.

Gezogene Perkussionsgewehre bildeten bis gegen Ende der 1860er Jahre die Bewaffnung aller Heere, außer dem preußischen, das bereits 1841 das von Dreyse erfundene Zündnadelgewehr (Hinterlader von 15,43 mm Kaliber) angenommen hatte. Versuche mit Hinterladungsgewehren traten schon früh, im 15. Jahrhundert, auf, wenn auch nicht so zahlreich wie mit solchen Geschützen.

revolverähnliches Gewehr aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts.

Die Abbildung zeigt ein revolverähnliches Gewehr aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Chaumette konstruierte 1751 ein solches, das 1776 von Montalembert verbessert wurde. Der französische Gewehrfabrikdirektor Pauli erhielt 1812 ein Patent auf ein Hinterladungsgewehr, das als der Vorläufer des Lefaucheux-Gewehrs anzusehen ist. Alle diese Versuche waren aber noch technisch unvollkommen, weil ihnen der gasdichte Verschluss fehlte.

Außer der Vervollkommnung des Schlossmechanismus wurde auch der Lauf mit der Zeit wesentlich umgestaltet. Der großkaliberige (18–20 mm) glatte Lauf der älteren Gewehre verschoss eine von der Mündung geladene, schwere Rundkugel. Erst mit der Einführung des Perkussionsschlosses wurde das Laufinnere, die Seele, allgemein mit schraubenförmig gewundenen Zügen (einer Erfindung aus dem 16. Jahrhundert) versehen. An Stelle der Kugel trat das Langgeschoss, von 2 bis 2,5 Kaliber Länge, dessen Führung in den Zügen zuerst durch Kompression (Delvigne, Thouvenin), später durch Expansion (Minié) und Stauchung (Wurstemberger) bewirkt wurde.

Verschluss des Zündnadelgewehrs (Tafel I, Fig. 1).

Diejenigen Handfeuerwaffen, bei denen die Stauchung durch Austreiben des Geschosses auf einen im Seelenboden angebrachten Stift geschah, nannte man Dorngewehre (-Büchsen). Die ballistischen Leistungen jener gezogenen Vorderlader waren wenig verschieden von denen des Zündnadelgewehrs, dessen taktische Überlegenheit, vorzugsweise in der besseren Feuerbereitschaft und Feuergeschwindigkeit bestehend, sich auf den Schlachtfeldern von 1866 glänzend erwies. Der Verschluss des Zündnadelgewehrs war ein Zylinderverschluss, die Entzündung der in einem Pappspiegel der Patrone befindlichen Zündmasse geschah durch den Stich einer vorschnellenden Nadel. Eine Einheitspapierpatrone begünstigte die Ladegeschwindigkeit; das in der Höhlung des Pappspiegels sitzende Langblei von eiförmiger Gestalt trennte sich kurz nach Verlassen des Rohres von seinem Führungsmittel, dem Pappspiegel.

Zur Beseitigung der im Kriege 1866 hervorgetretenen Mängel schritt man 1869 zu einer Aptierung des Zündnadelgewehrs durch Einfügung eines Kautschukringes und Ausfüllung der Luftkammer durch einen Hohlzylinder. Während der Umänderung brach der deutsch-französische Krieg aus; die preußische Infanterie rückte mit dem alten Gewehr ins Feld. Ihm stand französischerseits das Chassepot-Gewehr gegenüber. Dasselbe, dem Zündnadelgewehr nach gebildet, hatte an Stelle der im Nadelbolzen befindlichen Nadel einen Stift und besaß in der Kautschukpuffervorrichtung eine gute Gasabdichtung. Sein auf 11 mm verringertes Kaliber ermöglichte die Ausnutzung des relativ starken Ladungsverhältnisses. Schussweite und Rasanz waren, ebenso wie Feuerbereitschaft und Feuergeschwindigkeit, dem Zündnadelgewehr erheblich überlegen.

Unter dem Eindruck der Kriege 1866 und 1870/71 beeilten sich die anderen Staaten, ihre Infanteriebewaffnung umzugestalten. Man griff aus ökonomischen Gründen zunächst zu dem Aushilfsmittel, die vorhandenen Gewehre in Hinterlader umzuändern. Hieraus gingen eine Anzahl Transformationssysteme hervor, worunter die bekanntesten sind: System Snider, Klappenverschluss, auch à la tabatière, System Remington und Peabody, Blockverschluss (Amerika); System Martini-Henry, durch Herunterziehen und Herausschlagen des hinter dem Abzugsbügel liegenden Hebels geöffnet und geschlossen. Der vollkommenste, aber auch sehr komplizierte Verschluss dieses Systems war der von Werder, mit dem die bayerische Infanterie schon 1870/71 bewaffnet war. Schon bei den genannten Umänderungssystemen, ebenso wie bei allen Neukonstruktionen, kam statt der Papierpatrone die Metalleinheitspatrone zur Anwendung (s. Patrone). Sie bewirkte bessere Abdichtung, Vereinfachung der Verschlusseinrichtung, sichere Zündung und begünstigte die Anwendung von Mehrladevorrichtungen. Zur Entfernung der Hülse nach dem Schuss trat allerdings der Auszieher und Auswerfer, das Schloss komplizierend, hinzu.

Das nach dem Kriege 1870/71 in der deutschen Armee eingeführte, von der württembergischen Gewehrfabrik Mauser konstruierte M/71 von 11 mm Kaliber war ein sogen. Selbstspanner, bei dem bloßes Öffnen und Schließen der Kammer das Spannen der Schlagfeder bewirkte. Das russische Berdan-Gewehr, ebenfalls ein Selbstspanner, vereinigte den Klapp- mit dem Kolbenverschluss, das niederländische, dem deutschen ähnliche Beaumont- und das österreichische Werndl-Gewehr mit sinnreichem, aber kompliziertem Wellenverschluss standen etwa auf gleicher Höhe wie das deutsche Gewehr M/71. Man verhielt sich den oft gehörten Forderungen nach erhöhter Feuergeschwindigkeit gegenüber ablehnend, weil hiermit eine Erschütterung der Feuerdisziplin und die Gefahr des Verschießens nahegerückt sei.

Im amerikanischen Sezessionskrieg 1862 hatte bereits die Kavallerie der Nordstaaten von einer Mehrladewaffe, dem Spencer-Karabiner, Gebrauch gemacht. In einer Magazinröhre im Kolben befanden sich 7 Patronen, die der Verschlussmechanismus selbsttätig in den Lauf schob. Bald darauf konstruierte Winchester ein Repetiergewehr mit Abstellvorrichtung, so dass es auch als Einlader verwendbar war. Die Schweiz führte 1869 ein Repetiergewehr System Vetterli ein, bei dem das röhrenförmige Magazin im Vorderschaft unter dem Lauf liegt. Man tadelte an dem Kolbenmagazin, dass es eine zu geringe Anzahl von Patronen fasse und für den Zylinderverschluss, als dem besten, sich weniger eigne als das Vorderschaftmagazin.

Magazin zum Schnellader von Krnka.

Da indes das Magazinfeuer nur für wenige und kurze, meist entscheidende Gefechtslagen Bedeutung haben wird, für die übrige Zeit aber die Einzelladung ausreicht, so hielt man es für genügend, wenn der Schütze zum schnellen Laden die Patronen bequem zur Hand habe. Diesen Erwägungen verdankt der Schnellader System Krnka seine Entstehung. Das ansteckbare Magazin wurde im Bedarfsfall an den Schaft des Gewehrs geklemmt. Das Krnka-Gewehr wurde während des Krieges 1878 bei der russischen Infanterie eingeführt, nach dem Kriege jedoch durch ein Einladegewehr, das verbesserte Berdan-Gewehr, ersetzt.

System Lee mit Stahlblechmagazin.

Das um dieselbe Zeit bekannt gewordene System des Amerikaners Lee, dessen Magazin aus Stahlblech für fünf Patronen sich von oben in das Gewehr einsetzen ließ, ist deshalb von Interesse, weil die späteren Kastenmagazine aus ihm hervorgingen. Die von der Konkurrenz aufgestellten Systeme (Bornmüller, Schulhoff, Mannlicher) vermochten das Leesche nicht zu verdrängen.

Französisches Lebel-Gewehr M.86.

Frankreich hatte an Stelle des Chassepot-Gewehrs 1874 das Repetiergewehr Gras-Kropatschek eingeführt. Es wurde 1886 vom Lebel Infanteriegewehr M.86, einem Repetiergewehr von 8 mm Kaliber mit Vorderschaftmagazin, ersetzt. Da politische Verhältnisse es wünschenswert machten (Boulanger), so führte man auch in Deutschland im Gewehr M/71.84 eine Mehrladewaffe ein. Kaliber und Schloss waren die des Gewehrs 71, ein Vorderschaftmagazin mit 9 Patronen gestattete die Anwendung von Schnellfeuer.

Die Magazingewehre, mögen dieselben nun das Magazin im Kolben oder unter dem Lauf haben, erfüllten nicht die Forderung; dass das Wiederauffüllen des Magazins leicht und mit einem kurzen Handgriff vonstatten ging, auch hafteten den Magazingewehren manche Nachteile an, wie z. B. veränderte Schwerpunktslage beim Schießen, Gefahr von Ladehemmungen etc. Als nun gegen Ende der 1880er Jahre das Nitratpulver (rauchloses Pulver) das Schwarzpulver verdrängte und damit die Verwendung kleinkalibriger Gewehre und kleinerer und leichterer Geschosse ermöglicht wurde, stand technischerseits der Annahme des Leeschen Kastensystems nichts mehr im Wege. Während jedoch Lee ein anhängbares Magazin verwendete, haben die späteren Kastensysteme (Mauser, Mannlicher etc.) die stete Repetierbereitschaft dadurch gesichert, dass das Magazin festgelegt und die Paketladung eingeführt wurde. Bei dieser fand die Einführung der Patronen in Rahmen, in neuerer Zeit durch Ladestreifen statt.

Man unterscheidet hauptsächlich fünf Arten Kastensysteme: 1) Mannlicher (eingeführt im Deutschen Reich, Gewehr 88, Österreich-Ungarn, Italien, Frankreich beim Daudeteau-Gewehr und Karabiner Berthier M.92, Rumänien, Bulgarien, den Niederlanden), senkrechter, unten offener Magazinkasten; die darin liegenden Patronen werden durch einen stählernen Patronenrahmen zu einem Paket vereinigt. Sobald die letzte Patrone verfeuert ist, fällt der leere Rahmen von selbst aus dem Kasten. Ausnahmsweise können die Patronen auch einzeln mit der Hand eingeführt werden.

2) Mauser (im Deutschen Reich, Gewehr 98, Russland, Belgien, Schweden, Türkei, Argentinien, Chile, Serbien und Brasilien), senkrechter, unten geschlossener Kasten; die zu einem Paket gehörenden Patronen werden durch einen spangenförmigen Ladestreifen, der nur die Patronenboden umfasst, zusammengehalten; der Schütze streift sie beim Füllen des Magazins von dem in einem Ausschnitt der Verschlusshülse eingeschobenen Ladestreifen ab und in den Kasten hinein; der leere Streifen wird fortgeworfen oder fällt beim Schließen von selbst ab. Die 5 Patronen liegen in einer Reihe lose übereinander im Kasten. Ein zunächst für Karabiner bestimmtes neues Kastenmuster fasst 10 Patronen in 2 Reihen und wird mit 2 Ladestreifen gefüllt.

3) Krag-Jörgensen (in Dänemark sowie [verbessert] in Norwegen und den Vereinigten Staaten von Nordamerika [Landheer]), waagerechter Kasten mit seitlicher, nach unten (früher nach vorn) sich öffnender Tür. Die Patronen werden aus einem an der Türöffnung angelegten Blechbehälter in den Kasten eingebracht, liegen darin nebeneinander und werden durch den Zubringer vor die Lauföffnung geschoben. Die Patroneneinlage der Hülse hat daher keinen Durchbruch, und das Laden einzelner Patronen mit der Hand geht in derselben Weise wie bei jedem Einzellader vor sich.

4) Lee (Vereinigte Staaten von Nordamerika für die Flotte), senkrechter, unten offener Kasten, Patronen durch Ladestreifen zusammengehalten, der aber beim Füllen mit ihnen in das Magazin eingeschoben wird.

5) Savage (Bürgerwehr der Vereinigten Staaten von Nordamerika), im Magazin ist eine wagerechte, zur Laufachse parallele Trommel drehbar gelagert; sie nimmt 5 durch je 2 Spangen gehaltene Patronen auf und befördert beim Öffnen jedesmal selbsttätig eine Patrone vor die hintere Lauföffnung; in den vorderen Rand der Trommel sind die Ziffern 1–5 eingeschlagen, von denen immer nur eine außen sichtbar ist und die Zahl der noch im Magazin befindlichen Patronen angibt.

Eigenartige Mehrladeeinrichtungen besitzen das schweizerische Gewehr M/89.96 und das englische Gewehr M/90, System Lee-Metford-Speed. Bei ersterem besteht die Mehrladeeinrichtung in einem festen Mittelschaftmagazin mit Paketladung zu 12 Patronen und mit Repetiersperre. Die Patronen werden entweder einzeln geladen oder zu 6 Stück mittels des Laders (Kartonschachtel) eingeführt. Durch einen Druck auf den Knopf der an der rechten Seite angebrachten Repetiersperre wird das Magazin nach abwärts gedrückt und dadurch verhindert, dass der Verschlusskopf die oberste Patrone erfasst. Die Mehrladeeinrichtung des Lee-Metford-Gewehrs besteht in einem anhängbaren Mittelschaftsmagazin mit 10 einzeln geladenen Patronen und Repetiersperre. Durch Drehen der letzteren nach aufwärts werden die Patronen nach abwärts gedrückt. Beide Gewehre sollen gewöhnlich als Einlader und nur in den entscheidenden Gefechtslagen als Mehrlader benutzt werden.

Die Feuergeschwindigkeit der modernen Handfeuerwaffen ist, soweit der Schütze das Laden und Abfeuern bei jedem Schuss zu bewirken hat, durch diese modernen Konstruktionen auf eine mögliche Leistung von 12 gezielten Schüssen in der Minute gesteigert, bei Mannlicher-Gewehren war es möglich, 22mal und mehr in der Minute zu schießen. Von einer weiteren Steigerung kann man als nutzlos oder gar schädlich absehen. Nachdem es jedoch Ende des 19. Jahrhunderts gelungen war, kriegsbrauchbare Handfeuerwaffen herzustellen, bei denen die Kraft des Rückstoßes benutzt wird, die Arbeit des Öffnens, Ladens und Abfeuerns zu verrichten, ist den taktischen Bedenken, die man gegen eine weitere Steigerung der Feuergeschwindigkeit hegte, der Boden entzogen. Man ging nicht zu weit, jene Waffen, die sogen. Selbstlader, Rückstoßlader, automatische Waffen überhaupt, als die Handfeuerwaffen der Zukunft zu bezeichnen. Bei Verwendung des Kastensystems konnten die 5 Patronen des Magazins in einer Sekunde verfeuert werden, und dies kann nach neuer Füllung des Magazins stets wiederholt werden, so dass man gewiss bis zu 100 Schuss in der Minute abgeben könnte. Der Munitionsersatz für solche Waffen ist aber eine schwierige Sache.

Nach dem Vorbild der Maximschen Maschinengewehre wurden von Mannlicher, Roth, Mieg u. a. automatische Handfeuerwaffen hergestellt. Man unterscheidet bei diesen Gasdrucklader und Rückstoßlader. Bei ersteren beruht die Selbsttätigkeit auf der Spannkraft der Gase, bei letzteren auf der der Rückstoßkraft. Bei den Gasdruckladern unterscheidet man solche ohne und solche mit Verschlussriegelung und mit Friktionsverschluss – bei den Rückstoßladern solche mit Rückstoß der ganzen Waffe mit weit zurückgleitendem Lauf und mit kurz zurückgleitendem Lauf. Die meisten der erprobten Waffen gehören dem Rückstoßladesystem an. Von diesen sind die mit Rückstoß der ganzen Waffe für Verwendung bei Faustwaffen auszuschließen. Dem Rückstoßlader mit kurz zurückgleitendem Lauf und mit Zylinderwarzenverschluss schien dagegen die Zukunft zu gehören.

Nachdem zunächst bei Faustwaffen (s. Revolver) das automatische Prinzip sich als kriegsbrauchbar erwies, führte man in mehreren Heeren Selbstladepistolen nach System Borchardt-Lueger (Parabellum), Mannlicher, Browning etc., und zwar für Offiziere und Mannschaften bei Kavallerie, Maschinengewehrabteilungen etc., ein. Durch Ansetzen eines Kolbens konnte man Karabiner herstellen, man erprobte nun aber auch Karabiner und Gewehre, ohne dass man sich schon zur Einführung entschlossen hätte. Diese sollte aber stattfinden, sobald eine Macht die automatischen Handfeuerwaffen für kriegsbrauchbar anerkannte und den Anfang machte.

Mannlicher Selbstladekarabiner M/01.

Der Mannlicher Selbstladekarabiner M/01 gibt ein Bild davon, wie sich etwa das Zukunftsgewehr gestaltete. (Über das entsprechende 6,5 mm-Mannlicher-Gewehr M/00, das auch in anderen Kalibern konstruiert wurde, s. Heft 10 der »Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens«, 1901.) Allerdings ist später ein neuer Typ der Firma Roth (Wien) patentiert worden. Hier ist das Prinzip, dass der Schlagbolzen, der in die ziemlich tiefe Zündglocke der Patronenhülse eintritt, durch das unter dem Druck der Pulvergase zurückgetriebene Zündhütchen mit großer Kraft zurückgeschleudert wird und durch diese Bewegung den Verschluss in Tätigkeit setzt.

Von nicht minder hoher Bedeutung als Feuergeschwindigkeit und Feuerbereitschaft sind die ballistischen Eigenschaften der Handfeuerwaffen. Sie werden bedingt durch die Art und Wirkung des Treibmittels, Gewicht und Beschaffenheit des Geschosses etc. – Die Konstruktion des Laufes, seine Länge, sein Kaliber, die Zugeinrichtung etc. müssen prinzipiell so beschaffen sein, dass die Wirkung des Pulvers zur Erzielung einer möglichst starken Fluggeschwindigkeit des Geschosses vorteilhaft ausgenutzt wird. Das rauchlose Pulver ermöglichte eine Verringerung des Kalibers auf 8 mm, wobei unter Zugrundelegung rationeller Geschoss- und Laufkonstruktion eine hohe Anfangsgeschwindigkeit (620 m), mäßiger Rückstoß und die sonstigen großen Vorteile erreicht wurden, die mit dem kleinen Gewehrkaliber bekanntlich verbunden sind. Die technischen Schwierigkeiten, welche die Bohrung enger gezogener Läufe mit sich bringen, wurden bald überwunden. In Amerika gelang es Sponsel, eine Bohrmaschine herzustellen, mittels deren sich Läufe von 5 mm bohren lassen. Da in Läufen so kleinen Kalibers der Gasdruck sehr hoch steigt und Anfangsgeschwindigkeiten von über 700 m gefordert werden, so ist die Verwendung eines besonders guten Stahls, Nickelstahl, nötig geworden.

Ddas Kaliber der Armeegewehre schwankte im frühen 20. Jahrhundert zwischen 8 und 6,5 mm. Amtliche Berichte von allen damaligen Kriegsschauplätzen sprechen sich dahin aus, dass selbst bis zum 7,65 und 7,69 mm Kaliber hinauf eine bedenkliche Abnahme der sogen. Augenblickswirkung, d. h. derjenigen Wirkung, die den Gegner sofort kampfunfähig macht, sich ergeben hat. Nur wenn die massenhafte Geschosswirkung der Selbstladegewehre jenen Mangel ausgleicht, wird man die großen ballistischen und taktischen Vorteile des kleinen Kalibers (6 bis 6,5 mm) ausnutzen können.

Gewehr 98.

Zur Beurteilung des Standes der Infanteriebewaffnung Anfang des 20. Jahrhunderts sei bemerkt: Bei der deutschen Infanterie ist an die Stelle des Gewehrs 88 mit Mittelschaftmagazin und Paketladung das Gewehr 98 getreten. Kaliber, Züge, innere Laufeinrichtung, Munition und ballistische Eigenschaften sind dieselben wie bei Gewehr 88; ähnlich diesem sind auch Schloss und Mehrladeeinrichtung nach Mauser. Statt der Doppelwarzenverriegelung des Gewehrs 88 findet durch Zutritt der hinteren Kammerwarze eine dreifache Warzenverriegelung statt. Der Verschlusskopf bildet bei Gewehr 98 keinen eigenen Bestandteil des Schlosses. Die Kammer (Fig. 17) ist mit einem beweglichen Ring b für das Funktionieren des Ausziehers versehen, a vordere linke (obere) Kammerwarze mit Einschnitt für den Auswerfer, c Sicherungsrast. Der Schlagbolzen g (Fig. 16) hat zwei Gasabzugsöffnungen. Abschrägungen am Kammerknopf und an der Hülsenbrücke i bewirken das Spannen bereits beim Vorschieben der Kammer f (Fig. 16) und erleichtern das Öffnen nach dem Schuss. Fig. 17a Hülse: a Nute für die vordere Kammerwarze, b Patroneneinlage, c Kammerbahn, d Ausschnitt zum Einsetzen des Ladestreifens.

Der Schlosskasten (Fig. 19) hat einen geschlossenen Boden (zur Vermeidung von Ladehemmungen, die durch das Eindringen von Sand etc. beim Schießen im Liegen entstehen können), a Haltestift mit Feder für den Boden, b Röhre für die Verbindungsschraube. Die Zubringefeder d (Fig. 16) in Gestalt eines liegenden W und der Zubringer bringen die von einem Ladestreifen e (Fig. 16) in den Kasten von oben gedrückten Patronen einzeln vor das Patronenlager a. Beim Laden wird ein gefüllter Ladestreifen in den Ausschnitt der Hülsenbrücke gesetzt. Durch einen Druck auf die oberste Patrone werden die Patronen in den Kasten eingeführt. Dieselben lagern seitlich übereinander, so dass die oberste Patrone etwas vor der Stirnfläche der Kammer liegt. Wird die Kammer vorgeführt, so fällt der Ladestreifen seitwärts heraus, während die oberste Patrone in das Patronenlager geschoben wird. Etwa in der Mitte der Patroneneinlage greift die Kralle des Ausziehers in die Eindrehung der Patronenhülse. Bei allen neueren Gewehrkonstruktionen ist ein hölzerner Handschutz zur Erleichterung der Handhabung des durch schnelles Feuern erhitzten Laufes angebracht. Das Visier, bestehend aus Visierfuß a (Fig. 19a), Visierklappe b und Visierschieber c (Fig. 19c), ist ein kombiniertes Richtbogen- (Quadranten-) und Klappenvisier. Das Standvisier ist auf 200 m, das höchste Visier auf 2000 m herabgesetzt. Eine Handstütze h (Fig. 16) hinter dem Kolbenhals begünstigt den Anschlag im Liegen; auch andere im Dienstgebrauch hervorgetretene Mängel des Gewehrs 88 hat man beseitigt, ebenso den Laufmantel.

Mannlicher Gewehr M.95.

Österreich-Ungarn führt außer dem Gewehr M/95 die M/88.90, 86.90 und 90, sämtlich System Mannlicher, technisches Militärkomitee. Die dem älteren Geradzugverschluss (Mannlicher) anhaftenden Mängel: ungünstiges Auffangen des Rückstoßes, Vergrößerung der Höhenstreuungen, sind in den neueren Konstruktionen beseitigt. Beim Verschluss des M/95 wollte man die Vorteile der symmetrischen Verriegelung fast unmittelbar hinter dem Patronenboden mit denjenigen des Geradzugs verbinden, wodurch es ermöglicht war, den ganzen Verschluss kürzer und schwächer zu halten.

Italienisches Carcano-Gewehr M.91, System Mannlicher.

Das italienische Gewehr M/91 ist bis auf die eigentümliche Sicherung sehr einfach, nach Mannlicher-System mit Verbesserungen von Carcano, Konstrukteur des ersten, 1868 dem preußischen und französischen nachgebildeten Hinterladers. Es zeichnet sich durch taktische Leistungsfähigkeit, stärkste Ausrüstung mit Patronen aus, verursacht aber viel leichte Wunden.

Französisches Daudeteau-Gewehr.

Das französische Gewehr M/86.93, das an Stelle des Vorder- ein Mittelschaftsmagazin wie der Karabiner erhalten hat, sollte bald durch das Daudeteau-Gewehr ersetzt werden.

Französischer Mannlicher-Karabiner M.92.

Der Kavallerie gab man den Karabiner M/90, System Berthier, doch konstruierte Mannlicher einen solchen M/92.

Russisches Dreiliniengewehr M/91.

Das russische Dreiliniengewehr M/91 ist dem Mannlicher-Gewehr M/90 ähnlich, es soll die Einführung eines 6,5 mm-Gewehrs mit 740 m Anfangsgeschwindigkeit geplant gewesen sein.

Englisches Lee-Metfort Gewehr M.89.91.

Das englische Gewehr M/89.91 ist ein Gelegenheitsrepetierer mit anhängbarem Mittelschaftsmagazin und zehn einzeln geladenen Patronen mit Repetiersperre.

Spanisches Gewehr M.95 System Mauser.

Das spanische Gewehr M/95 ist als das technisch vollkommenste bezeichnet worden und war in Brasilien, Chile, Bolivia, Uruguay, Kolumbien eingeführt, auch führten es die Buren; das 7,65 mm-Mauser-Gewehr M/91 hatten Argentinien und Peru.

Dänisches Magazingewehr Krag-Jörgensen.

Das dänische Magazingewehr Krag-Jörgensen.

Schweitzerisches Repetiergewehr M.89 System Schmidt.

Das schweizerische Repetiergewehr.

Das Landheer der Vereinigten Staaten hat verbessertes Krag-Jörgensen-System, dies zeigt am Magazin waagerechten Kasten mit seitlicher Tür, die sich nach unten öffnet; die Flotte hat das 6 mm Lee-Gewehr M/93. Schweden und Portugal haben sich für ein 6,5 mm-Gewehr entschieden, Serbien führt ein 7 mm-Gewehr M/99 (Mauser-Milanowich), andere kleine Staaten haben ältere Muster.

Für die Handfeuerwaffen bestanden schon seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Belgien, Frankreich und England Beschussanstalten, meist mit Gewehrfabriken etc. verbunden. Um den überseeischen Absatz, der ihren ungeprüften Fabrikaten-fehlte, zu gewinnen, richteten auch Deutschland und Österreich (1891) solche Anstalten ein. In Deutschland waren solche Beschussanstalten in Suhl, Frankfurt an der Oder, Sömmerda, München, Germersheim, Oberndorf am Neckar; in Österreich in Ferlach, Prag, Weipert, Wien. Mit den Prüfungszeichen der Probierbank in Lüttich waren die deutschen gleichwertig und umgekehrt (Bundesratsverordnungen vom 1. Febr. 1894 und 26. April 1899).

Handfeuerwaffen für den Privatgebrauch durften in Deutschland nach Gesetz vom 19. Mai 1891 nur dann in den Verkehr gebracht oder feilgehalten werden, wenn ihre Läufe und Verschlüsse in amtlichen Prüfungsanstalten (Beschussanstalten) geprüft und mit den Prüfungszeichen versehen worden waren. Die Prüfung bestand in einer Beschussprobe mit verstärkter Ladung. Prüfungsbestimmungen und Prüfungszeichen waren durch Verordnung vom 22. Juni 1892 festgesetzt; die Prüfungsanstalten wurden auf Anordnung der Landesregierungen 1. April 1893 errichtet. Auf die Handfeuerwaffen, die durch die Militärverwaltung oder in deren Auftrag hergestellt und geprüft wurden, auf Handfeuerwaffen, die vom Ausland eingeführt und mit dem vollständigen, dem inländischen gleichwertigen Prüfungszeichen eines auswärtigen Staates versehen waren, endlich auf solche, die vor dem vollständigen Inkrafttreten des Gesetzes von der Ortspolizeibehörde oder einer anderen damit betrauten Behörde mit einem »Vorratszeichen« versehen worden waren, hatte das Gesetz keine Anwendung.

Zuwiderhandlungen waren mit Geldstrafe bis zu 1000 Mk. oder mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bedroht; auf Einziehung der Waffen musste im Fall einer Verurteilung ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehörten oder nicht, und konnte auch selbständig erkannt werden, falls die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar war (vgl. Kleinfeller in Stenglein, »Die strafrechtlichen Nebengesetze des Deutschen Reiches«, S. 581, Berl. 1893). Ältere, im Privatbesitz befindliche Handfeuerwaffen bedurften erst dann der amtlichen Prüfung, wenn sie vom Eigentümer an andere Personen verkauft oder verliehen wurden. Auch in Privatbesitz gelangte Kriegsgewehre sowie bereits geprüfte Handfeuerwaffen bedurften einer Prüfung, wenn Veränderungen am Lauf oder am Verschluss vorgenommen worden waren.

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Glossar militärischer Begriffe