Selbstlader

Selbstlader (Gasdrucklader), Feuerwaffen, in denen Öffnen des Verschlusses, Auswerfen der abgeschossenen Hülse, Spannen, Laden und Schließen durch die Kraft der Pulvergase selbsttätig geschehen, so dass der Schütze nur das Zielen, Abziehen und Magazinfüllen zu besorgen hat. Der Vorteil der Selbstlader für das Gefecht beruht weniger auf ihrer sehr großen Feuergeschwindigkeit, die schon bei den modernen Infanteriegewehren vollauf genügt und, zu hoch gesteigert, leicht Schwierigkeiten im Munitionsersatz nach sich zieht, als vielmehr in der geistigen und körperlichen Entlastung des Schützen beim Gebrauch der Waffe. Er kann seine Aufmerksamkeit fast ausschließlich dem Zielen und Beobachten zuwenden, und die Ermüdung ist, da der Rückstoß durch den Betrieb des Mechanismus zum großen Teil aufgezehrt wird, wesentlich geringer als bei anderen Waffen. Abgesehen vom Maschinengewehr sind Selbstlader zu Beginn des 20. Jahrhunderts meist in Gestalt von Pistolen konstruiert und eingeführt, doch macht auch die Konstruktion von Selbstladegewehren große Fortschritte.

Abb. 1. Borchardt-Luger-Pistole, schussbereit. Die erste Patrone steckt im Lauf, Kniegelenk K ist gestreckt.

Es sind fünf Systeme zu unterscheiden: 1) der Lauf ist rückwärts verschiebbar und mit dem Verschluss gekuppelt; beide gleiten beim Schuss zunächst gemeinsam zurück, trennen sich dann, und während der Lauf durch Federdruck wieder vorgeschoben wird, setzt der Verschluss seinen Rückgang allein fort, wirft dabei die leere Hülse aus und wird dann durch eine andere Feder wieder nach vorn gedrückt und verriegelt, nachdem die Schlagfeder gespannt und die oberste Patrone aus dem Magazin in den Lauf eingeführt ist. Hierzu gehören Modelle von Maxim (Maschinengewehr), Mauser (Mauser-Selbstlader), v. Mannlicher, Freddi, Mieg, Borchardt (Luger), Kromar, Schwarzlose, Maudry, Woodgate und Griffith, Clausius, Hauff. Die Borchardt-Luger-Pistole (Parabellum-Pistole der deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin) zeigt Abb. 1. und 2.

Abb. 2. Borchardt-Luger-Pistole nach dem Auswerfen der abgeschossenen Hülse, vor dem Wiederladen. Lauf und Verschluss haben sich getrennt, Verschlussstück V ist in seiner hintersten Stellung, das Kniegelenk in seiner höchsten, die Verschlussschließfeder Vs ist gespannt und wird im nächsten Moment durch die Schließfederkupplungskette Sk das Kniegelenk K und das Verschlussstück V wieder nach vorn ziehen. V nimmt die vor den Lauf getretene Patrone P mit vor und schiebt sie in den Lauf.

2) Der Lauf ist festgelagert; der Verschluss gleitet allein zurück, sonst sind die Vorgänge wie bei dem System unter 1), z. B. v. Mannlicher, Bergmann, v. Dormus, Dreyse (Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik), Browning (Abb. 3), Reblé. Eine Umänderung der Browning-Pistole (Hahn statt Schlagbolzen), die Colt-Browning-Pistole zeigt Abb. 4 (Ansicht).

Abb. 3. Browning-Pistole, Durchschnitt, entspannt. Beim Schuss geht Patronenhülse mit Schlagbolzen s und Schlitten S zurück. Der Hebel h, oben drehbar mit S verbunden, unten in einen Schlitz des Schlagbolzens S reichend, nimmt die Zugstange Z mit. Zwischen deren Kopf K und dem Widerlager W wird die Schlagfeder F gespannt. S tritt mit seiner Nase n hinter den Arm a des Abzugsstollens, so dass beim nächsten Abziehen die unterdes heraufgetretene und durch Z in den Lauf gezogene Patrone abgefeuert werden kann.

3) Der Lauf ist festgelagert, mit dem Verschluss stark verriegelt und nahe der Mündung seitlich angebohrt; durch diese Öffnung strömen beim Schuss Pulvergase in ein hinter dem Lauf liegendes Rohr und schieben darin einen Kolben zurück, der den Verschluss öffnet und eine Feder spannt, die nach dem Spannen etc. den Verschluss wieder schließt (v. Mannlicher, Cei-Rigotti, Freih. v. Odkolek, Clair, Unge).

Abb. 4. Colt-Browning-Pistole, Ansicht.

4) Lauf und Verschluss sind gelagert wie bei 3), der Gasdruck treibt die Patronenhülse oder deren Zündhütchen zurück, setzt dadurch den Schlagbolzen in Bewegung und dieser betätigt den Mechanismus (Kruka, Raschein, Roth).

5) Der Lauf ist nach vorwärts verschiebbar angeordnet; im Ruhestand drückt ihn eine starke Feder mit der hinteren Öffnung gegen eine feste Stoßplatte, die den Verschluss bildet; beim Schuss reißt das Geschoss den Lauf mit nach vorn und spannt dadurch die Feder, die nach Auswerfen der Hülse den Lauf wieder bis zur Stoßplatte zurücktreibt, wobei er sich über die unterdessen aus dem Magazin hervorgetretene neue Patrone schiebt (Konstruktionen v. Mannlicher, Wesson). Die Konstruktionen unter 1), 2) und 3) haben den Nachteil, dass sich Lauf und Verschluss schon in einem Moment trennen, in dem das Geschoss den Lauf noch nicht verlassen hat. Der Gasdruck darf deshalb nur so groß sein, dass ihn die Messinghülse der Patrone aushält, was zweifellos eine Schwäche dieser Waffen bedeutet.

Die Zahl der Patronen, die mit einem Griff geladen werden können, ist je nach Wunsch der Besteller sehr verschieden: 5, 6, 7, 8, 10, 12, 20, 25 oder auch mehr; die meisten Konstrukteure richten ihre Waffen auf je nach Wunsch verschieden große Magazine ein.

In Deutschland ist die Selbstladepistole Parabellum M/04 von 7,65 mm Kaliber für die Offiziere der Maschinengewehrabteilungen eingeführt, auch sonst vielfach im Gebrauch; eine nach demselben System konstruierte Pistole von 9 mm Kaliber mit Spitzgeschoss ist seit 1906 bei der deutschen Marine eingeführt. Selbstladegewehre sollen, wie auch sehr wahrscheinlich, zahlreich in Erprobung sein. In Österreich-Ungarn sind in den letzten Jahren acht verschiedene Selbstladepistolen erprobt worden, die Einführung von Maschinengewehrabteilungen ist endgültig beschlossen (vgl. Österreichisch-Ungarische Monarchie). Italien dürfte ebenfalls Selbstladepistolen eingeführt haben oder bald einführen. Ein Selbstladegewehr von Cei-Rigotti soll erprobt werden, das, mit 60 Patronen geladen, eine Feuergeschwindigkeit von 150 Schuss in der Minute erreichen soll, wobei die Höchstschussweite über 3000 m, die Anfangsgeschwindigkeit 660 m/s wäre. Frankreich, dessen Lebel-Gewehr nicht mehr modernen Anforderungen genügt, und das schon lange Versuche mit Selbstladegewehren machte, soll ein solches von 6,7 mm Kaliber angenommen und die Herstellung im Frühjahr 1907 begonnen haben. Russland hat außer dem Maschinengewehr noch keine Selbstlader eingeführt.

In Dänemark ist bei der Kavallerie das Rekyl-Gewehr von Madsen (Rückstoßgewehr, ein kleines Maschinengewehr) eingeführt. Jede Eskadron hat 3 Gewehre und ein Munitionspferd. Das Gewehr soll nur 6 kg wiegen, also die Bewegungen des Reiters nicht behelligen, die Feuergeschwindigkeit 750 Schuss in der Minute, die Anfangsgeschwindigkeit 720 m/s betragen. Das Magazin fasst 25 Patronen, die Bedienung ist wie die des Maschinengewehres. Der Packsattel mit Munition fasst 96 Magazine = 2400 Patronen und wiegt 122 kg, jeder Gewehrreiter führt auch noch 200–300 Patronen mit. Die Waffe soll auch in Schweden und Norwegen angenommen sein, in Großbritannien, Frankreich, den USA und der Türkei erprobt werden. Entspricht sie den Beschreibungen, so wäre sie geeignet, große Umwälzungen herbeizuführen, da sie eine sehr schwache Truppe zu höchster Feuerkraft befähigt, ohne so viel Personal und Material zu beanspruchen wie das fahrbare Maschinengewehr. Ähnlich scheint das Rexar-Gewehr (Nordamerika) zu sein. Ferner wird in Dänemark ein 6,5 mm-Selbstladegewehr Bang M/03 mit 30–40 Schuss Feuergeschwindigkeit in der Minute erprobt. – Sonst sind Selbstlader in fast allen Armeen an Stelle der früheren Revolver, die mehr und mehr abkommen, in Einführung begriffen.

Bekannte Selbstlader

Bibliographie

  • »Kriegstechnische Zeitschrift« (Berl.)
  • Berlin: Handbuch der Waffenlehre (Berl. 1904)
  • Günther: Bergmanns Rückstoßlader (Berl. 1900)
  • Kromar, v.: Repetier- und automatische Handfeuerwaffen der Systeme v. Mannlicher (Wien 1900)
  • Loebell, v.: Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen (Berl.)
  • Parra: Pistolets automatiques (Par. 1899)
  • Wille: Waffenlehre (3. Aufl., Berl. 1905, 3 Bde. und Ergänzungsheft)
  • Wille: Selbstspanner (Berl. 1896)
  • Wille: Mauserselbstlader (Berl. 1897)
  • Wille: v. Mannlichers Selbstladekarabiner und Karabinerpistole M/01 (Berl. 1902)
  • Wille: v. Mannlichers Selbstladepistole M/01 (Berl. 1902)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe