Joachim Murat, Marschall von Frankreich
Großherzog von Berg, 1806–1808
König von Neapel, 1808–1815

Marschall Murat, König von Neapel, in der Völkerschlacht bei Leipzig, 1813, 1:30 Figuren del Prado.

Joachim Murat, Marschall von Frankreich, geboren am 25. März 1767 in Labastide-Fortunière, jetzt Labastide-Murat, einem Dorf in der südfranzösischen Region Midi-Pyrénées im Département Lot, gest. 13. October 1815 in Pizzo, Kalabrien. Er ist der Sohn eines Herbergswirtes, welcher früher eine Verwalterstelle bei der Familie Talleyrand bekleidet hat. Daher besteht eine Art Patronageverhältnis der letzteren zur Murat’schen Familie, und durch dieses erhält der junge Joachim eine Freistelle auf dem Collége zu Cahors. Ein ausgezeichneter Reiter von Kind auf, verübt er viele tolle Streiche, ist aber bei allen seinen Mitschülern beliebt. Nach dem Wunsch seiner Eltern wird er später nach Toulouse geschickt, um Priester zu werden. Mit 20 Jahren ist er Abbé, führt aber ein so ausgelassenes Leben, dass er diesen Stand bald aufgeben muss.

Er tritt dann ins 12. Chasseurregiment zu Pferde, welches in Toulouse steht, und bringt es darin (1788) zum Maréchal-des-logis (Sergeant). Bald darauf wegen Insubordination kassiert, gelingt es ihm durch Verwendung J. B. Cavaignac’s in die neugeschaffene Garde constitutionelle Ludwigs XVI. aufgenommen zu werden. Er ist damals 23 Jahre alt und soll es jeden Monat auf sechs Duelle gebracht haben. Als sous-lieutenant (Unterleutnant) ins 13. Chasseurregiment zu Pferde versetzt, entwickelt er sich zum exaltierten Jacobiner und Anhänger Marat’s. Trotzdem ist er persönlich kein blutdürstiger Mensch gewesen. Unter dem Schreckensregiment avanciert er zum Lieutenant (Oberleutnant) und Capitaine (Rittmeister) und wird nach dem 9. Thermidor Jahres II., wiederum durch Cavaignac’s Verwendung, in seinem Grad erhalten.

Er ist Eskadronchef bei den 21. Chasseurs zu Paris, als Bonaparte den Angriff der Pariser Sektionen 13. Vendémiaire (5. Okt. 1795) auf den Konvent abzuwehren hat. Da Joachim Murat sich hierbei auszeichnet, wird er von Bonaparte zum Flügeladjutanten ernannt, und begleitet ihn nach Italien, wo er an der Spitze der Reiterei große Dienste leistet und zum Brigadegeneral ernannt wird. 1798 folgt er Bonaparte nach Ägypten und Syrien, wo er zum Divisionsgeneral aufsteigt. Nach Europa zurückgekehrt, treibt Murat bei dem Staatsstreich vom 18. Brumaire in St.-Cloud an der Spitze von 60 Grenadieren den Rat der Fünfhundert auseinander. Bonaparte ernennt ihn dafür zum Kommandanten der Konsulargarde und verheiratet ihn 20. Jan. 1800 mit seiner jüngsten Schwester, Karoline Marie Annunciata Bonaparte. Durch dieselbe bestimmt sich sein späteres Schicksal hauptsächlich.

Figuren

  • Murat, König von Neapel, in der Völkerschlacht bei Leipzig, 1813, 1:30 del Prado
  • Marschall Murat 1806, 1:32 Masterclass MCF-54013
  • Marschall Murat, 25 mm Tradition of London NSFF2
  • Napoleons Generalstab 1 (abgesessen), 1:72 Strelets 013
  • Napoleons Generalstab 2 (beritten), 1:72 Strelets 048
  • Marschall Murat zu Pferd, 1:72 Art Miniaturen JS 72/0164
  • Murat, König von Neapel, 1:72 franznap Miniatures FL-002
  • Prinz Joachim Murat 1806–1807, angreifend, 1:72 Art Miniaturen JS 72/0274
  • Prinz Joachim Murat, 15 mm Jacobite PNX013

Zum Gouverneur der Zisalpinischen Republik ernannt, vertreibt er 1801 die Neapolitaner aus dem Kirchenstaat und schließt einen Waffenstillstand mit dem König beider Sizilien. Napoleon erhebt ihn nach seiner Thronbesteigung 1804 zum Marschall, Großadmiral von Frankreich, Senator und kaiserlichen Prinzen, und überträgt ihm im Feldzug von 1805 den Oberbefehl über die Reiterei. Am 8. Okt. schlägt Murat die Österreicher bei Wertingen, nimmt am 18. den General Werneck mit 16.000 Mann gefangen, dringt 13. Nov. bis nach Wien vor und trägt bei Austerlitz 2. Dez. viel zum Sieg bei, wofür er 18. März 1806 zum Herzog des neugeschaffenen Herzogtums Berg erhoben wird, welches Napoleon für ihn durch Dekret vom 15. März 1806 aus früher bayerischen und preußischen Gebietsstücken des rechten Rheinufers geschaffen hat. Zusammen hat dieser Staat 94 Quadratmeilen und 374.000 Einwohner und gehört bis zur Schöpfung des Rheinbundes dem deutschen Reichsverband an.

Durch die Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 erhält Joachim Murat den Titel eines Großherzogs, und sein Land wird durch einige nassauische Ämter und Städte erweitert, so dass es südwärts bis an die Lahn geht; außerdem kommen mehrere westphälische Grafschaften und die früher immediaten Herrschaften innerhalb all’ dieser Territorien hinzu. Joachim Murat sind diese Grenze viel zu eng, aber er übernimmt doch die Regierung des Ländchens mit guter Miene, ändert vorläufig nichts in dessen alter Einrichtung und hält sich im Ganzen vier Monate in seiner Residenzstadt Düsseldorf auf. Während der übrigen Zeit seiner zweijährigen Regierung ist er verpflichtet dem Kaiser Heeresfolge zu leisten. Er hat auch 5000 Mann eigene Truppen aus seinen Staaten zu unterhalten, welche aber in den folgenden Kriegen mit Preußen, Polen und Spanien nicht unter seinem persönlichen Kommando fechten. Im Feldzug von 1806 steht er wieder an der Spitze der Kavallerie.

In Folge des Tilsiter Friedens vom 21. Januar 1808 fallen ihm die Abteien Essen, Elten und Werden, die Grafschaft Mark, das preußische Fürstentum Münster und mehrere kleinere Grafschaften als Beuteteil zu. Damals hat das Großherzogtum seine größte Ausdehnung, 306 Quadratmeilen und 928.570 Einwohner. Am 15. Juli 1808 erhält Joachim Murat durch Staatsvertrag zu Bayonne die Krone von Neapel, bezieht die Einkünfte des Großherzogtums noch bis zum 1. August und entlässt am 7. desselben Monats seine „geliebten und getreuen“ deutschen Untertanen ihres Eides in einem Manifest, das ihnen die Fortdauer seiner väterlichen Gesinnungen auch nach der Trennung bezeugt. Ihre gewissenhafte Rechtschaffenheit und ihre Ergebenheit kann er nicht umhin anzuerkennen, und die Billigkeit erfordert zu sagen, dass das Land Ursache hat seinen Abgang zu beklagen, indem es die folgenden fünf Jahre dem Namen nach zwar als ein besonderes Staatswesen, tatsächlich aber schlimmer als eine französische Provinz durch einen kaiserlichen Kommissar verwaltet wird.

Joachim Murat liebt als Fürst den Prunk unziemlich, ist aber nicht ununterrichtet, von persönlich einnehmendem Charakter, neigt zur Milde und ist mit dem Vorsatz an die Regierung gegangen, sich dieselbe möglichst selbständig zu wahren. Das Land wird durch ihn in Arrondissements mit Provinzialräten an der Spitze eingeteilt. Der Segen eines zentalisierten Gerichtswesens wird der Bevölkerung zu Teil; Justiz und Inneres sind in den Händen eines deutschen Ministers, Grafen von Nesselrode. In wirtschaftlicher Hinsicht wird manches Nützliche eingeführt, speziell die Erhebung einer Grundsteuer ohne irgendwelche Exemptionen angeordnet; man arbeitet vor der erheblichen Vergrößerung des Staates im Jahre 1808 mit einem Einnahme- und Ausgabe-Budget von jährlich 1 Million Taler. Seitdem verschlingt der bis 1813 immer gesteigerte Militäretat große Summen. Die Aufhebung des Lehnsnexus und anderer feudaler Einrichtungen, die Einführung des Code, des französischen Präfektenwesens und Munizipalsystems erfolgt erst unter Napoleon selbst, die großherzoglich bergische Post hingegen dient schon unter Joachim Murat Spionagezwecken. Eine seit September 1806 geplante Landesvertretung ist in den ersten Stadien ihrer Entwicklung stehen geblieben.

Dem gemeinen Manne imponiert Joachim Murat durch seine persönlichen Eigenschaften. Die meist deutschen Beamten des Landes wissen, hingerissen durch die unerhörten Erfolge Napoleons, das Glück von einem Mitglied seiner Familie regiert zu werden, in ihren offiziellen Kundgebungen nicht hoch genug anzuschlagen.

Nach dem Tilsiter Frieden vom Kaiser nach Spanien gesandt, bewegt er Karl IV. zu der verhängnisvollen Reise nach Bayonne, zieht 23. April 1808 an der Spitze der französischen Armee in Madrid ein, erhält aber nicht den spanischen Thron, wie er gehofft, sondern an Joseph Bonapartes Stelle das Königreich Neapel und wird 15. Juli unter dem Namen Joachim I. Napoleon als König beider Sizilien proklamiert; Sizilien bleibt aber unter dem Schutz der englischen Flotte im Besitz der Bourbonen. Er tut viel für die Herstellung der inneren Ordnung und die Regelung der Verwaltung des Landes. Mit Napoleon allerdings gerät er bisweilen in Konflikt, da auch er sich die rücksichtslose Ausbeutung seines Königreichs zum Vorteil des Eroberers nicht ruhig gefallen lassen will. Dennoch stößt Murat im Feldzuge gegen Russland 1812 mit 10.000 Mann zur Großen Armee, übernimmt den Oberbefehl über die gesamte Kavallerie und kämpft mit glänzender Tapferkeit fast immer als Führer der Avantgarde. Als der Kaiser die Armee verlässt, überträgt er (5. Dez. 1812) Murat den Oberbefehl; dieser leitet den Rückzug von Smolensk nach Wilna.

In der Schlacht bei Dresden 1813 befehligt er den rechten Flügel der Franzosen, der die Österreicher zum Rückzug zwingt. Nach der Schlacht bei Leipzig verlässt er das Heer, um seinen Abfall vorzubereiten, und schließt 11. Jan. 1814 mit Österreich einen Vertrag, demzufolge er 30.000 Mann zum Heer der Alliierten stellen soll, wofür er den Besitz seiner Staaten durch Österreich und England garantiert erhält. Er bekämpft hierauf den Vizekönig Eugen in Oberitalien. Da indessen die Verhandlungen des Wiener Kongresses sich ungünstig für ihn zu gestalten scheinen, tritt er mit dem Kaiser auf Elba in geheime Verbindung. Auf die Kunde von Napoleons Landung in Frankreich lässt er im Februar 1815 den Kirchenstaat besetzen und beginnt ohne Kriegserklärung 30. März die Feindseligkeiten gegen Österreich. Aber von den Österreichern wird er infolge der Feigheit seiner neapolitanischen Truppen 12. April bei Ferrara und 2. Mai bei Tolentino gänzlich geschlagen.

Er flieht 18. Mai nach Frankreich, dann (25. Aug.) nach Korsika, sammelt hier ein kleines Korps Korsen und französischer Flüchtlinge und schifft sich, auf die Sympathien der neapolitanischen Bevölkerung rechnend, 28. Sept. auf sechs Schiffen nach Neapel ein. Dass ihn ein Sturm zur Landung bei Pizzo in Kalabrien gezwungen habe, ist nur eine Erfindung, die Murat später zu seiner Entschuldigung vorbringt; unfreundlich aufgenommen und auf der Flucht schließlich an der Küste gefangen, wird Murat durch ein Kriegsgericht als Usurpator zum Tode verurteilt und im Vorhofe des Castello Pizzo erschossen. Sein Leichnam ruht in der Kirche daselbst. Zu Cahors ist ihm ein Denkmal errichtet. Seine Witwe Karoline, geb. 26. März 1782 in Ajaccio, nimmt den Titel einer Gräfin von Lipona (Anagramm von Napoli) an und stirbt 18. Mai 1839 in Florenz.

Joachim Murat hinterließ zwei Söhne: 1) Achille Murat, geb. 21. Jan. 1801, gest. 15. April 1847, lebte als Landwirt und Advokat in der Grafschaft Jefferson in Florida und war seit 1826 mit Karoline Dudley, einer Nichte Washingtons, vermählt. Er ist Verfasser des Werkes »Exposition des principes du gouvernement républicain tel qu’il a été perfectionné en Amérique« (1833). – 2) Lucien Murat, geb. 16. Mai 1803, gest. 10. April 1878, seit 5. Dez. 1812 Fürst von Ponte-Corvo, begab sich gleichfalls nach Amerika und heiratete dort 1831 Karoline Fraser. Nach der Februarrevolution von 1848 kehrte er nach Frankreich zurück, wurde 1849 von dem Präsidenten Napoleon zum Gesandten in Turin, 1852 zum Senator ernannt und erhielt 1853 den Titel »Prinz«. Seine Gattin starb 10. Febr. 1879. Lucien Murat hinterließ 3 Söhne und 2 Töchter: Joachim, Prinz Murat, geb. 21. Juli 1834, gest. 23. Okt. 1901, wurde Ordonnanzoffizier Napoleons III., war 1870 Brigadier der Kavallerie und ließ sich 16. Aug. bei Vionville von den Deutschen völlig überraschen; er war 1854–84 mit Maley Berthier, einer Tochter des Fürsten von Wagram, vermählt, die ihm 28. Febr. 1856 den späteren Chef der Familie, Fürsten Joachim Murat (seit 1884 vermählt mit Cäcilie Ney von Elchingen), und 2 Töchter gebar, von denen die jüngere, Anna (geb. 1863), seit 1885 Gemahlin des österreichischen Ministers Grafen Agenor von Goluchowski (s. d.) ist; Achille, geb. 2. Jan. 1847, vermählt 1868 mit Salome Prinzessin Dadian von Mingrelien, gest. 27. Febr. 1895 zu Sugdidi in Mingrelien; Ludwig, geb. 22. Dez. 1851, trat in die kaiserliche Marine ein, vermählte sich 1873 mit der verwitweten Fürstin Eudoxia Orbeliani, geborne Somow, und war einige Zeit Ordonnanzoffizier König Karls XV. von Schweden; Karoline, geb. 31. Dez. 1832, vermählt 1850 mit Baron Karl v. Chassiron, 1872–85 mit John Garden; Anna, geb. 3. Febr. 1841, vermählt 1865 mit Antoine des Noailles, Herzog von Mouchy, gehörte zu den intimsten Freundinnen der Kaiserin Eugenie. – Von den Töchtern des Königs Murat war Lätitia Josephina, geb. 1802, mit dem Marquis von Pepoli in Bologna vermählt und starb 12. März 1859; Luise Julie Karoline, geb. 1805, mit dem Grafen Rasponi in Ravenna vermählt, seit 1877 Witwe, starb 1. Dez. 1889 in Ravenna.

Scott Bowden und Jim Getz bewerten Murat im Spielsystem Empire III bis 1812 als charismatischen, aber schlechten Armeekommandeur und mittelmäßigen Korpskommandeur. Als Kommandeur eines Kavalleriekorps oder der Kavalleriereserve gilt er hingegen als überlegen. Zwischen 1812 und 1815 steigt er zu einem unfähigen Armeekommandeur ab, und seine Bewertung als Kavalleriekommandeur variiert von unfähig bis überlegen.

Bibliographie

  • »Correspondance de Joachim Murat, juillet 1791 – juillet 1808« (hrsg. von Lumbroso, Turin 1899)
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  • Beugnot, A.: Mémoires du Comte Beugnot (2. éd. Paris 1868)
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  • Chavanon und Saint-Yves: Joachim Murat (Par. 1905)
  • Funcken: Historische Uniformen, S. 152–154, 157
  • Funcken: L’Uniforme et les Armes des Soldats du Premier Empire, S. 13, 15, 17, 19
  • Gallois: Historie de Joachim Murat (Par. 1828)
  • Goecke: Das Großherzogthum Berg (Köln 1877)
  • Guardione: Gioacchino Murat in Italia (Palermo 1899)
  • Haythornthwaite, Philip: Uniforms of 1812, Tafel 19
  • Helfert, v.: Joachim Murrat, seine letzten Kämpfe und sein Ende (Wien 1878)
  • Lumbroso: L’agonia di un regno; Gioacchino Murat al Pizzo (Mail. 1904)
  • Murat, Graf: Murat, lieutenant de l’empereur en Espagne 1808 (Par. 1897)
  • Romano, G.: Ricordi Muratiani (Pavia 1890)
  • Sassenaye: Les derniers mois de Murat (Par. 1896)
  • Schirmer: Feldzug der Österreicher gegen König Joachim Murat im Jahre 1815 (Budap. 1898)
  • Weil: Le prince Eugène et Murat, 1813–1814 (Par. 1901-04, 5 Bde.)
  • Widmann: Kalabrien-Apulien (2. Aufl., Frauenfeld 1904)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Französische Armee der Napoleonischen Kriege
Neapolitanische Armee der Napoleonischen Kriege