Generalleutenant Ludwig Balthasar von Schrautenbach-Weitolshausen
Ludwig Balthasar von Schrautenbach-Weitolshausen (Weitelshausen, Weidelshausen), geboren 1655, starb als fürstlich hessen-darmstädtischer Generallieutenant Ende 1738. Die Eltern des in der hessischen Kriegsgeschichte unter dem Namen v. Schrautenbach vielgenannten verdienten Offiziers waren der hessen-darmstädtische Kammerjunker und Oberstwachtmeister von den Landreitern Georg Friedrich Balthasar v. Weitolshausen gen. Schrautenbach und dessen Gattin Maria Engel, geborene Freiin v. Stein; Ludwig Balthasar war deren zweites Kind. Der Name des jungen Offiziers taucht zum ersten Mal im Jahr 1677 auf, als Landgraf Ludwig VI. dem Kaiser Leopold I. infolge eines mit ihm geschlossenen Bündnisvertrages ein Hilfscorps stellte. Die Infanterie dieses Corps, welches mit der Armee der Verbündeten am Rhein und an der Saar gegen die Franzosen kämpfen sollte, bestand aus einem neu errichteten Regiment, dessen Stamm die drei Kompanien der Leibgarde bildeten, von denen Ludwig v. Weitolshausen gen. Schrautenbach die zweite befehligte. Die Ausgangs 1677 ausgerückten Truppen wurden in üblicher Weise bei ihrer Rückkehr im folgenden Jahr auf geringeren Fuß gesetzt, doch wurde die Kompanie v. Schrautenbach erst 1686 abgedankt. Bereits im Jahr 1687 aber fand Schrautenbach wieder Verwendung im aktiven Dienst. Prinz Georg von Hessen übernahm nämlich im Auftrag der mit dem Kaiser und den Polen gegen die Türken verbündeten Republik Venedig die Bildung eines Regiments, um ihr im Verein mit anderen deutschen Truppen bei der Wiedereroberung des Peloponnes behilflich zu sein (Großer Türkenkrieg, 1683–1699). Zu den Offizieren, mit denen der Prinz Abmachungen einging, worin sich dieselben verpflichteten, gegen bestimmtes Werbegeld eine gewisse Zahl von Leuten zu stellen, gehörte der Kapitän der Garde zu Fuß v. Schrautenbach. Er übernahm die Gestellung einer Kompanie und erhielt dafür die Majorsstelle. Noch im Herbst des Jahres 1687 rückte das Regiment nach Ungarn ab, ging dann auf den Peloponnes und bewies überall, vorzüglich aber beim blutigen Sturm auf Negroponte (Chalkis auf Euböa), die größte Tapferkeit.
Im Februar 1690 kehrten die Hessen, wegen des inzwischen ausgebrochenen Pfälzischen Erbfolgekrieges mit Frankreich zurückgerufen, in ihre Heimat zurück; Verluste vor dem Feind und verheerende Krankheit hatten das Regiment so geschwächt, dass schon im Mai 1689 nur noch 191 Mann davon am Leben waren. Alsbald fand Schrautenbach Gelegenheit zu weiterer kriegerischer Tätigkeit teils am Rhein, teils in den Niederlanden. Schrautenbach übernahm nunmehr als Oberstlieutenant das Regimentskommando. Um das so stark zusammengeschmolzene Regiment zu vervollständigen wurde es mit der bisherigen Leibgarde vereinigt und führte fortan den Namen „von Schrautenbachisches Regiment“. Im Juni 1691 stand Schrautenbach bei Worms. 1693 sollte Schrautenbach, der inzwischen zum Oberst aufgerückt war, Heidelberg entsetzen, doch kam er zu spät. Die Franzosen hatten sich des Schlosses und der Stadt bereits bemächtigt und überschwemmten von da aus die darmstädtische Obergrafschaft Katzenelnbogen, auch Darmstadt selbst wurde vom Feind gebrandschatzt. Trotz tapferer Gegenwehr vermochten die Hessen dies nicht zu verhindern. Das v. Schrautenbachische Regiment wurde im Jahre 1694 von 11 auf 13 Kompanien gebracht, jede einschließlich der Offiziere und Unteroffiziere 100 Mann stark, weil es außer dem Felddienst in Verbindung mit den Truppen des oberrheinischen Kreises und der Reichsarmee auch den Garnisonsdienst zu Darmstadt zu leisten hatte. 1695 befand sich das Regiment zum größten Teil in Brabant, wo es sich bei der Belagerung von Namur wiederholt auszeichnete. Schrautenbachs Grenadiere waren es, die bei der Blutarbeit des letzten Sturmes den langen Kampf zu siegreicher Entscheidung führen halfen. Drei Kompanien des Regiments hatten unterdessen das hessische Kontingent zu den Truppen des oberrheinischen Kreises gebildet. Mit der dauernden Trennung so bedeutender Bestandteile des Regiments von dessen Gros war die Einheitlichkeit des für die damalige Zeit schon an und für sich ungewöhnlich starken Regimentsverbandes wesentlich beeinträchtigt. Deshalb schied man diese Kompanien völlig aus und gliederte sie dem am 1. April 1697 von Landgraf Ernst Ludwig neu errichteten Kreisregiment an, zu dem überdies noch drei weitere Kompanien des Regiments „von Schrautenbach“ abgegeben wurden.
Nach dem Frieden von Rijswijk wurde, das Regiment 1698 in herkömmlicher Weise noch mehr vermindert, nämlich von 7 auf 5 Kompanien, um dann nach Erklärung des Reichskrieges gegen Frankreich im Jahre 1702 (Spanischer Erbfolgekrieg), ebenfalls dem Herkommen entsprechend, wieder um drei Kompanien verstärkt ins Feld zu rücken. Der damals zum Generalmajor beförderte Schrautenbach bekam das Kommando über die aus zwei Regimentern zu Fuß und einem Regiment zu Pferde bestehende hessen-darmstädtische Streitmacht, welcher bei ihrer Musterung durch den römischen König Joseph dessen Anerkennung zu Teil wurde. Unter Schrautenbach zeichneten sich die Hessen bei der Belagerung und Eroberung von Landau rühmlichst aus, ferner am 14. Oktober 1702 in der Schlacht bei Friedlingen. In der Regel aber fochten die Hessen jetzt ebensowenig geschlossen wie früher, vielmehr pflegte selbst das Regiment Schrautenbach nicht vollzählig an einem Platz versammelt zu sein. Während z. B. 2 Kompanien der Besatzung von Landau angehörten, das von den Franzosen im Oktober 1703 belagert wurde, befand sich der Rest des Regiments, und mit ihm der Generalmajor selbst, unter den Truppen, welche Landau entsetzen sollten, aber von den Franzosen am 15. November 1703 bei Speierbach überfallen und trotz aller hessischen Tapferkeit geschlagen wurden. Diese Niederlage hatte den Fall von Landau zur Folge. Schrautenbach befehligte im Jahre 1704 die hessen-darmstädtischen und mainzischen Truppen zwischen Main und Neckar. Nach einem Ende 1704 zwischen Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Darmstadt zunächst auf ein Jahr getroffenen und hernach mehrfach verlängerten Abkommen wurde neben anderen hessischen Truppenteilen auch das Regiment v. Schrautenbach an Braunschweig überlassen, wobei indessen ausdrücklich ausbedungen wurde, dass keines dieser Regimenter nach Spanien, Portugal, Italien, Ungarn oder Polen geschickt werden dürfe. Das Schrautenbachische Regiment fand zunächst im Elsass Verwendung und erlitt am 4. Juni 1705 beim Durchbrechen der Weißenburger Linien durch Marschall Villars beträchtliche Verluste, doch wurde dieser Misserfolg durch den Sieg bei Hagenau noch in demselben Jahre ausgeglichen. Nach anhaltenden Strapazen kehrte das Regiment im folgenden Winter in die Heimat zurück. Im Jahre 1707 wirkten die Darmstädter unter dem Reichsgeneralfeldmarschall Kurfürst von Hannover, um den Einfall der Franzosen, welche über den Rhein gegangen waren und Süddeutschland überschwemmten, von Bayern abzuwenden. Schrautenbach stand im Juli in Philippsburg. Im Jahre 1708 galt Schrautenbachs Tätigkeit der Sicherung der Grenzen der Heimat. In den letzten Jahren des Krieges trat Schrautenbach weniger hervor, da der Hauptkriegsschauplatz in den Niederlanden lag, er aber die Heimat zu schützen hatte. Der Friede von 1714 brachte auch dem Regiment v. Schrautenbach eine Verminderung um 4 Kompanien. Nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges scheint Schrautenbach das Regimentskommando bald niedergelegt zu haben, spätestens 1720 bekam Oberst v. Clement dasselbe, dem im August 1733 Prinz Ludwig, der nachmalige Landgraf Ludwig IX. folgte. Schrautenbach wurde jedoch bis zu seinem Tod als Chef des Regiments geführt. Ob der im Jahre 1732 als Generallieutenant vorkommende v. Schrautenbach im Jahre 1734 im polnischen Erbfolgekrieg gegen die Franzosen im Felde stand, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, aber nicht unwahrscheinlich.
Schrautenbach, der aus seiner Ehe mit Sophie Elisabeth v. Geismar vier Söhne und eine Tochter hatte, nahm auch als Chef noch regen Anteil an allem, was sein Regiment berührte. So erstattete er 1732 über die Handhabung der Disziplin bei demselben Bericht, aus dem sich ergibt, dass bei dem Regiment nach Erinnerung Schrautenbachs und seiner Offiziere niemals eine Exekution mit dem Strang stattgefunden hatte. War jemand desertiert, so wurde er altem Brauch gemäß an drei Sonnabenden hintereinander durch Trommelschlag zitiert und, vermochte man seiner habhaft zu werden, mit Gassenlaufen, anderenfalls aber durch Anschlagen seines Namens an den Galgen bestraft. Die Zeit, in welcher Schrautenbach dem hessischen Militär, größtenteils in hervorragender Stellung angehörte, war für dasselbe eine solche steten Fortschrittes. Alle Verbesserungen, welche bei den Truppen der europäischen Mächte zur Einführung gelangten, fanden sogleich auch bei den Hessen-Darmstädtern Annahme, so die Musketen mit Steinschloss und Bajonett, dann der eiserne Ladestock, der Gleichschritt beim Marschieren, die geschlossene Ordnung in Gliedern bei der Infanterie und die Rangierung, ebenso die gleichmäßige Diensttracht der Offiziere. Die Militärchronik des Großherzogtums Hessen fasst ihr Urteil über Ludwig Balthasar v. Weitolshausen gen. Schrautenbach folgendermaßen zusammen: „Das Jahr [1738] brachte unserm Militär einen großen Verlust, indem zu Ende desselben der Generallieutenant von Schrautenbach starb, welcher seinem Regiment fast 50 Jahre hindurch, teils als Commandeur, teils als Chef vorgestanden und während dieser langen Zeit stets mit unvermindertem Ruhme gedient hatte.“ Das Regiment v. Schrautenbach ist als ältester Stamm des späteren 4. großherzoglich hessischen Infanterieregiments (Prinz Karl) Nr. 118 anzusehen.
Quelle: Wilhelm Grotefend
Bibliographie
- Abriß der Großherzoglich Hessischen Kriegs- und Truppen-Geschichte, 1567–1888 (Darmst. u. Leipzig 1889)
- Grotefend, Wilhelm: Allgemeine deutsche Biographie, Bd. 54 (Leipzig 1908)
- Humbracht: Höchste Zierde Teutsch-Landes (Frankfurt a. M. 1707)
- Hild: Militär-Chronik des Großherzogthums Hessen von Anfang des regierenden Hauses bis auf die neueste Zeit (Darmst. 1828)