Tirailleure

Tirailleure.

Tirailleur (franz. tirailleur, spr. tiraijör), ist nach der eigentlichen Bedeutung des Wortes ein jeder einzeln gegen den Feind Fechtende, ein Blänker, sowohl von der Infanterie als von der Kavallerie. In unserer Militärsprache verstehen wir aber nur diejenigen Leute von der Infanterie darunter, welche dazu abgerichtet sind, zerstreut, (en débandade), zu fechten. In der preußischen Armee muss jeder Infanterist tiraillieren können; insbesondere ist aber bei der schweren Infanterie das dritte Glied dazu bestimmt, s. drittes Glied. Die Füsilier-Bataillone sind ursprünglich auch bloß für diesen Dienst bestimmt, jedoch fechten sie auch in geschlossenen Massen, was aber nie die Jäger- und Schützenbataillone tun, (s. Jäger) außer wenn es die Not erfordert.

Das eigentliche Element der Tirailleurs ist das Schießen und Treffen, daher werden sie auch hierin vorzugsweise geübt. Sie bilden in der allgemeinen Schlachtordnung der Armee das Vordertreffen, und haben mit der Artillerie gemeinschaftlich die Obliegenheit, den Feind schon in der Ferne zu verderben. Avanciert die Infanterie, so halten sich die Tirailleure immer hundert oder einige hundert Schritt vor deren Front, und bleiben im beständigen Schießen. Besonders sind sie im coupierten und waldigen Terrain unentbehrlich, und nur allein geeignet, ein solches vom Feind zu reinigen, damit es nachher von unseren geschlossenen Truppen ungehindert passiert werden kann. Es ist sehr schwer, debandierte Leute, und noch dazu in einem waldigen Terrain, in Ordnung zu halten, weil man sie nicht gehörig übersehen kann, und daher jeder sich selbst überlassen ist; will man also Nutzen von ihnen ziehen, so müssen sie nicht nur für diesen Dienst gut abgerichtet, sondern auch zuverlässige und ausgesuchte Leute sein.

Der erste Grundsatz, dessen Befolgung bei ihnen niemals unterbleiben muss, ist: dass sich die zu einer Rotte gehörigen zwei Mann auf keine Weise von einander trennen, sich immer aufmerksam im Auge behalten, und im Feuern einander sekundieren. Der zweite Grundsatz für eine Linie von Tirailleurs ist, darauf zu sehen, dass sie immer in gehöriger Verbindung bleiben, und sich weder, besonders im freien Felde, haufenweise zusammenhalten, noch zu weit von einander abkommen. Im ersten Falle sind sie eine vom Feind nur desto sicherer zu treffende Zielscheibe, anderer darauf entstehender Unordnungen nicht zu gedenken; im letzteren Falle geben sie wohl gar Anlass, dass der Feind durch die großen Lücken plötzlich eindringt, welches besonders bei raschen Kavallerie-Angriffen möglich ist. Der dritte Grundsatz für den Tirailleur ist, nie anders als hinter einem ihn deckenden Gegenstand, und dann mit gehöriger Ruhe und Sicherheit seinen Schuss abzugeben; er wird hierzu fast immer einen Baum, eine Hecke, einen Graben, und wenn es auch nur eine Erderhöhung von 1½ Fuß hoch wäre, finden; selbst im freien Feld kann er großen Vorteil daraus ziehen, wenn er sich auf die Erde legt, und über seinen Tschako hinweg schießt; nur beim raschen Vorgehen, und Retirieren, im freien Felde, ist dies nicht zulässig.

Da es nicht möglich ist, ruhig und sicher zu schießen, wenn man durch anhaltendes oder übermäßiges Laufen außer Atem gekommen ist, so muss man sich des Trabens beim Tiraillieren nur dann bedienen, wenn durch schnelleres Erreichen eines Punktes ein sehr wesentlicher Vorteil für das Ganze entstehen könnte; sonst aber die Leute dazu anhalten, sich bloß im raschen Schritt zu bewegen. Dies kann jedoch, wie gesagt, nur als Regel im Allgemeinen gelten; soll der Tirailleur als solcher in dem Augenblick nicht mehr gebraucht werden, z. B. kommt es darauf an, die Front anderen nachrückenden Truppen frei zu machen, oder erfordert es die Notwendigkeit, schnell geschlossene Massen zu formieren, so muss dies freilich im stärksten Trab geschehen.

Hieraus folgt nun auch, dass es für den Tirailleur eine ganz vorzüglich notwendige Eigenschaft ist, sich geschwind in Reih’ und Glieder formieren zu können, und dies muss man sie besonders auf dem Exerzierplatz im Frieden lehren. Wird eine Tirailleurlinie von Kavallerie angegriffen, so muss sie sich in geschlossenen Massen zusammenschieben, auf deren äußere Form es weiter nicht ankommt, wenn sie nur von allen Seiten Verteidigung gewähren; es ist zwar um so besser, je größer diese Massen sind, doch muss man hierbei auf die Nähe und Geschwindigkeit der Kavallerie, welche viermal so groß als die der Tirailleurs ist, Rücksicht nehmen.

Der vierte Hauptgrund beim Tiraillieren ist, sich nie ohne Soutiens ins Gefecht einzulassen, weil es durch diese nur allein möglich ist, eine zurückgeworfene Tirailleurlinie wieder zu sammeln. Man löst daher immer nur den 4ten Teil der ganzen Masse auf einmal auf, der übrige Teil hält sich als geschlossenes Soutien, nach Maßgabe der Umstände und des Terrains, auf 150 Schritt und noch weiter hinter der Tirailleurlinie. Soll schon mehr als die Hälfte en débandade aufgelöst werden, so muss man auch seine Soutiens durch frische Truppen zu verstärken suchen. – Alle Kommandos bei den Tirailleures, welche wegen der weiten Entfernung nicht mit der Stimme oder durch Ordonnanzen abgemacht werden können, geschehen durch Signale, (s. diese Artikel).

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Glossar militärischer Begriffe