Gefecht
Gefecht, Zusammenstoß feindlicher Streitkräfte, der bezweckt, den Feind zu schlagen, zu vertreiben, zu vernichten, auch wohl, falls der Gefechtszweck an sich einer höheren Absicht sich unterzuordnen hat: den Gegner festzuhalten, aufzuhalten, zu beschäftigen, zur Entwicklung seiner Kräfte zu veranlassen, zu beobachten, zu täuschen. Man unterscheidet danach Hauptgefechte oder Schlachten, Nebengefechte oder Treffen, Scharmützel, Scheingefechte, ferner Vorposten-, Avant- und Arrieregarden-, Orts-, Dorf-, Waldgefechte, nach der Art des Zusammentreffens: Begegnungs-, Überraschungsgefechte (im Gegensatz zum Angriff auf vorbereitete Stellung), ferner hinhaltende (demonstrative) und Entscheidungsgefechte.
Das Bild eines Gefechts in seiner unbeschränkten Mannigfaltigkeit wiederzugeben, ist unmöglich. Gelang es den beiden Gegnern, ihre Hauptkräfte nach bestimmt gefasstem Plan zu verwenden, so wird das Gefecht am ehesten einen regelmäßigen Verlauf nehmen, und zwar um so mehr, je schärfer für den einen Teil die Verteidigung, für den anderen der Angriff ausgesprochen ist, je mehr Gelände, Witterung etc. eine geregelte Truppenverwendung begünstigen.
Man kann hier im allgemeinen gewisse Entwicklungsstufen unterscheiden, die zwar selten sich voneinander streng abgrenzen, in ihren Zwecken und äußeren Eindrücken jedoch wesentlich verschieden sind: die Einleitung hat die Eigenart einer gewaltsamen Erkundung, sie wird aus einem Artilleriegefecht und dem leichteren Kampf vorgeschobener Infanterieabteilungen bestehen; die Verwicklung und Durchführung des Gefechts wird durch das Einsetzen der Hauptkräfte herbeigeführt. Es kann in der Regel die Entscheidung erst dann angestrebt werden, wenn die Kraft des einen Teils in einem längeren, wechselvollen Ringen gebrochen ist.
Während die Artillerie in dem Einleitungs- und Verwicklungsstadium eine bestimmende Rolle spielt, tritt die Infanterie, je mehr sich der Kampf der Durchführung nähert, in den Vordergrund. Es entsteht dann das durch gelegentliche Vorstöße des Verteidigers herbeigeführte Kampfgewoge, Nehmen und Verlieren von Stützpunkten, bis irgend ein größerer Vorteil dauernd auf einer Seite verbleibt. Jetzt tritt der Kampf in die Entscheidung, das Ergebnis der vorangegangenen Kämpfe. Sie kann durch das Einsetzen frischer Reserven des im Vorteil Befindlichen gewaltsam herbeigeführt werden, sie kann aber auch darin bestehen, daß der unterliegende Teil seine letzten Kräfte daran wendet, das Verlorene wiederzugewinnen. Verfolgung durch den Sieger und Rückzug oder Flucht für den Geschlagenen vervollständigen das Bild eines Entscheidungsgefechts.
Die Absicht, das Gefecht in hinhaltendem oder in entscheidungsuchendem Sinn zu führen, ist nicht immer schon klar bei Beginn des Gefechts, in vielen Fällen ist sie das Ergebnis des ersten Verlaufs des Kampfes und der darin erlangten Kenntnis über Stärke, Aufstellung und Absicht des Gegners. Die Kunst der Gefechtsführung besteht darin, dass man nur an den wichtigsten Punkten mit Überlegenheit auftreten, auf den übrigen Teilen des Gefechtsfeldes den Feind mit möglichst geringen Kräften zu bekämpfen sucht. Der taktische Erfolg des Gefechts ist die Überwältigung des Gegners, die sich dadurch äußert, dass letzterer sich weiterem Kampf entzieht. Die Besetzung des Gefechtsfeldes ist das Zeichen des siegreichen Gefechts. Ein Gefechtserfolg ist somit auch dann vorhanden, wenn der Gegner freiwillig und in Ordnung das Schlachtfeld verlässt. (Die französische Armee geht am Morgen des 17. Aug. 1870 nach der Schlacht am 16. bei Vionville auf Metz zurück.) – Näheres s. unter Taktik (Infanterie-Ortsgefechte), und Abbrechen des Gefechts.
Bibliographie
- Balck: Taktik (Berl. 1903, 3 Bde.; Bd. 1 u. 2 in 3. Aufl.)
- Goltz, v. d.: Das Volk in Waffen (5. Aufl., Berl. 1899)
- Keßler: Tactique des trois armes (Par. 1902)
- Meckel: Lehre von der Truppenführung im Kriege (3. Aufl., Berl. 1890)
- Rüstow: Die Lehre vom Gefecht (Stuttg. 1865)
- Wechmar: Das moderne Gefecht (2. Aufl., Berl. 1875)
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909