Befestigen
Befestigen, einen Ort, eine Festung anzulegen. Man suche aus der allgemeinen Theorie der Befestigungskunst gewisse Regeln aus (s. Festung, so wie die einzelnen Artikel und Werke), die man bei seiner Befestigungsmanier vorzüglich anwenden und beibehalten will, und bestimme aus diesen nun festgestellten Maximen, vermittelst der Mathematik die Data, die man zur Zeichnung seiner Festung braucht (s. Abstecken und Zeichnung). Endlich untersuche man, ob die aus seinen Maximen folgenden Data anzuwenden möglich sind oder nicht, oder in wie weit das Terrain deren Anwendung zulässt, und ändere darnach die in der schon fertigen Zeichnung enthaltenen Linien, Winkel und Werke ab.
In Hinsicht der Maximen setze man vor allen Dingen die Größe der Verteidigungslinie fest, damit die Bollwerke weder zu nahe an einander, noch zu weit zu liegen kommen, und bestimme sogleich, ob man eine Faussebraye anlegen will, oder nicht; im ersteren Falle muss man dann eine Nebenflanke annehmen, weil sonst ein großer Teil der Hauptflanke verhindert würde, in den Hauptgraben vor den Facen zu sehen. Um die Nebenflanke zu erhalten, bestimme man sogleich den Bollwerkswinkel, dass er nicht zu stumpf wird, weil sonst die Hauptflanke an ihrer Größe zu viel verliert, und weil sonst die ganze Verteidigung von der Nebenflanke, wegen der zu großen Schiefe, wegfällt. Man bestimme ferner die Lage der Flanken, was sie für einen Winkel mit der Kurtine oder der Verteidigungslinie machen, und was sie sonst für eine Lage haben sollen; und um nun die Festung sogleich noch vollständiger anlegen zu können, setze man die Lage der Facen, oder der Flanken, oder einer anderen Linie fest. – Lässt aber die irreguläre Figur des Ortes nicht zu, ihn so zu befestigen, wie der da ist, ohne dass vielleicht die Festung auf einer Seite schwächer würde, so kann man nach folgender allgemeinen Methode verfahren:
Man schließe den zu befestigenden Ort in eine Rektangulum oder Quadrat ein, so dass die Abweichungen dieser Figur von der zu befestigenden Figur nicht sehr beträchtlich sind; der Augenschein lehrt es, ob man ein Quadrat oder Rektangulum nehmen muss. Um das Quadrat beschreibe man einen Zirkel, und um das Rektangulum eine krumme Linie, die am bequemsten aus Bogen von verschiedenen Kreisen zusammengesetzt ist; diesen Zirkel oder diese krumme Linie teile man in gleiche Teile dergestalt ein, dass die Sehne eines jeden Teils der angenommenen Größe der Polygonseite gleich ist; alsdann lässt sich die Figur nach den gewöhnlichen Regeln befestigen. Erlaubt es aber die Größe der zu befestigenden Figur, und das Terrain um dieselbe, dass wir von ihrer Gestalt ganz abweichen können, so wird es am besten sein, eine ganz reguläre Befestigung anzulegen.
Wenn in der Nähe des zu befestigenden Ortes dominierende Anhöhen befindlich sind, so kann ersterer zum Teil schon duch das Défilement gesichert werden; allein eine verständige Anordnung der äußeren Polygonlinie ist hierbei nötig, um sehr schwierige und kostbare Arbeiten zu vermeiden, welche die übermäßig hohen Wälle, zu denen man die Erde nur aus Gräben von ungeheuerer Breite und Tiefe bekommen kann, nötig zu machen.
Liegt der Ort in einer freien Ebene, mit einem hindurchfließenden Wasser, so ordnet man die Polygone so an, dass der Ein- und Ausfluss durch die Kurtine stattfindet, und durch die halben Monde hinreichend verdeckt und gesichert wird. Kann aber der Fluss auf diese Weise nicht angewendet werden, so ist er nur dann nützlich, wenn er wegen seiner bedeutenden Breite und Tiefe zur Deckung einer Fronte dienen kann. Geht eine Brücke über einen solchen Fluss, so wird diese durch hinreichend starke Werke gesichert; s. Brückenkopf.
Ein von durchaus unzugänglichen Sümpfen eingeschlossener Ort bedarf zwar keiner großen Verteidigungswerke, und ein gegen die Leiterersteigung im Winter durch Bekleidungsmauern geschützter Wall, mit einem bedeckten Wege davor, ist völlig hinreichend. Da sich jedoch nur selten dergleichen ganz impraktikable Moräste finden, so muss man einige starke Redouten anlegen, welche die durch den Morast führenden Dämme, so wie auch die ganze Fläche desselben, mit einem flankierenden Feuer bestreichen. Zugleich spannt man die durch den Morast fließenden Gewässer an, um ihn noch unwegsamer zu machen; diese Überschwemmung muss aber so in der Gewalt der Festung sein, dass sie der Belagerer nicht ablassen kann.
Liegt der Ort auf einem Berge, mit rings herum laufendem Tal, so ist er an sich schon fest, und bedarf nur weniger Verteidigungswerke.
Befestigen, ein Haus, eine Kirche usw. s. Haus; eine offene Stadt, ein Dorf etc. s. Dorf; ferner s. Brückenschanze, Bergschanze, Damm usw.
Befestigen, von innen hinaus, nannte man ehemals, wenn die Konstruktion der Magistrale auf der inneren Polygonlinie vorgenommen und hinauswärts aufgetragen wurde; von außen hinein befestigen, hieß, wenn die Konstruktion der Magistrale von der äußeren Polygonlinie hineinwärts geschah. Beide Arten sind völlig gleich; ihre Anwendung wird aber stets durch das Terrain bestimmt.
Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)