Kronstadt
Kronstadt (magyar. Brassó, spr. brásch-schō) 1), ungarisches Komitat im südöstlichen Siebenbürgen, grenzt an die Komitate Fogaras, Groß-Kokelburg und Háromszék sowie an Rumänien, umfasst 1804 km² (32,7 mi²), mit (1901) 95.565 Einwohnern, darunter 33.000 Rumänen, 31.000 Magyaren und 29.000 Deutsche (meist Griechisch-Orthodoxe und Evangelische).
Kronstadt (magyar. Brassó, rumän. Brasovu) 2), Stadt mit geordnetem Magistrat im gleichnamigen ungaroscjem Komitat (s. oben), an den Bahnlinien Klausenburg-Predeal, Kronstadt–Zernest, Kronstadt–Hosszúfalu (s. unten) und Kronstadt–Kézdi–Vásárhely, liegt sehr malerisch in eine Talschlucht des Schulergebirges eingezwängt, die nur gegen die sich nach Nordwesten bis an die Aluta ausbreitende Kronstädter Ebene (das Burzenland) offen ist. Vor der Mündung der Talschlucht erhebt sich der Schlossberg mit der 1554 erbauten Zitadelle, im Süden unmittelbar über der Stadt der 960 m hohe, bewaldete Kapellenberg (die Zinne, magyar. Czenk) mit prachtvoller Rundschau über Kronstadt, dessen schöne Lage vielfach an Salzburg erinnert. Die zum Teil terrassenförmig aussteigenden Vorstädte liegen in kleinen Nebenschluchten. In der Mitte der ehemals befestigten inneren Stadt steht die 1385–1425 unter König Siegmund im gotischen Stil erbaute imposante Domkirche (jetzt Pfarrkirche der Evangelischen), im Volksmund auch »Schwarze Kirche« genannt, mit kolossaler Orgel (4060 Pfeifen), und nebenan auf dem dreieckigen Marktplatz das stattliche Rathaus mit Archiv (erbaut 1420 und 1770 im Barockstil renoviert) und das große Kaufhaus (erbaut 1545). Die zahlreichen mittelalterlichen Basteien und Türme der alten Stadt fielen leider der neuen Zeit zum Opfer. Kronstadt hat eine katholische Pfarrkirche im italienischen, eine rumänische im byzantinischen Stil und noch mehrere katholische, evangelische und griechische Kirchen, eine neue reformierte Kirche und viele hervorragende öffentliche Gebäude, ein Franziskanerkloster, ein neues Redouten- und Finanzdirektionsgebäude etc. 1898 wurde das Denkmal von Honterus (von Harro Magnussen), 1899 jenes des Bischofs Teutsch (von Dondorff) enthüllt.
Auf dem Czenk erhebt sich seit 1896 ein Millenniumsdenkmal. Kronstadt hat (1901) 36.646 Einwohner, darunter 14.115 Magyaren, 11.248 Walachen und 10.644 Deutsche (Sachsen) griechisch-orthodoxer, evangelischer und römisch-katholischer Konfession, lebhaften Handel und bietet insbes. bei den stark besuchten Märkten ein interessantes, buntes Straßenbild. Von großer Bedeutung ist die Metallindustrie sowie die Holzmanufaktur, welche auch die einen nationalen Produktionsartikel bildenden Holzflaschen (csutora) liefert. Kronstadt erzeugt überdies Kotzen (grobe Wollstoffe), Decken, Steingut, hat Petroleumraffinerien, eine Zuckerfabrik, Zementfabriken, mehrere Tuch- und Lederfabriken, Kunstmühlen, Papierfabriken, Sesselfabrik etc., eine Hochquellen-Wasserleitung, ist Sitz eines infulierten Abtes, eines Gerichtshofes, einer Finanzdirektion, eines Hauptzollamtes, einer Handels- und Gewerbekammer und besitzt mehrere Geldinstitute, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, eine Lehrerpräparandie, drei Obergymnasien, eine Staatsoberrealschule, eine Handelsakademie, eine Holzindustrieschule, eine höhere Mädchenschule und ein Theater. In der Stadt verkehrt eine Dampfstraßenbahn. In der Nähe von Kronstadt liegen die Siebendörfer (s. Hosszúfalu).
Kronstadt (lat. Corona) wurde als Vorort des Burzenlandes 1211 von dem Deutschen Orden als Ansiedelungsgebiet übernommen und kolonisiert, demselben aber 1224 samt der Landschaft entzogen. In der Folge wiederholt von Tataren zerstört und 1421 von den Türken erobert, erholte es sich immer wieder und wurde im 16. Jahrhundert in den Tagen Honters ein Vorort des Protestantismus und seiner Literaturtätigkeit. Unter Gabriel Báthori erfuhr es dieselben Drangsale wie Hermannstadt. 1611–12 wiederholt vergeblich belagert, ergab es sich, nachdem sein tapferer Bürgermeister Michael Weiß in der Schlacht bei Marienburg gefallen war. Bei der Übergabe Siebenbürgens an Österreich kamen über Kronstadt wiederholt schwere Tage. General Caraffa erzwang noch vor dem Abschluss des Abtretungsvertrags die Übergabe der Stadt und ließ alle Bürger hinrichten, die sich gegen sein Verlangen gestemmt hatten; die übrigen wurden ausgeplündert. Im folgenden Jahre (1689) legten die raubgierigen Soldaten Feuer an und vernichteten die ganze Stadt. 1718 und 1755 hauste in Kronstadt die Pest. Mitte Januar 1849 ward die Stadt von Bem besetzt, worauf nach einem Gefecht zwischen den Österreichern und Ungarn 1. Febr. russische Truppen sie in Besitz nahmen. Eine zweite Besetzung durch die Ungarn unter Bem erfolgte Ende März. Ende Juni kapitulierte Kronstadt mit dem russischen General Lüders, der es 12. Juli an die Österreicher übergab. Am 25. Juli fand ein zweites Gefecht zwischen den Österreichern und Ungarn hier statt. Vgl. v. Herrmann-Meltzl, Das alte und neue Kronstadt (Hermannst. 1885–88, 2 Bde.); Filtsch,[737] Die Stadt Kronstadt und deren Umgebung (Wien 1886); »Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt (vom 4. Band an: der Stadt Brassó) in Siebenbürgen« (Kronst. 1886–1903, 4 Bde.); Seraphin, Kronstadter Schulen zur Zeit der Reformation (das. 1891); Schuller, Kronstadt, Führer (das. 1898); Horger, Kronstadt und Hermannstadt (das. 1900).

Kronstadt 3), Stadt und Festung im russischen Gouvernement St. Petersburg, Kreis Oranienbaum, auf der Insel Kotlin im Finnischen Meerbusen (vgl. die Karte »Umgebung von St. Petersburg«), ist die Vormauer Petersburgs von der Seeseite und überhaupt die wichtigste Seefestung, der bedeutendste Kriegshafen des russischen Reiches sowie Station der Ostseeflotte. Die Stadt nimmt den südöstlichen Teil der Insel ein und wird von Schanzen, Ravelins und Gräben umgeben, die sämtlich durch einen hohen Wall verbunden sind. Die ganze Befestigungslinie zwischen den beiden Ufern des Finnischen Meerbusens misst 24 km. Die für Schiffe allein passierbare südliche Durchfahrt ist durch drei Linien von Forts und Batterien besonders stark befestigt. Die erste Linie bilden die Batterie Konstantin und der Eisenturm, die zweite die Granitforts Kaiser Alexander I. und Kaiser Paul, die dritte die Forts Peter I., Fürst Menschikow und Kronflot. Letzteres wurde schon 1703 von Peter d. Gr. auf der sogen. Oranienbaumer Sandbank angelegt; in diesem Fort befindet sich ein bedeckter Hafen für Ruderboote. Das nördliche seichte Fahrwasser ist durch eine ganze Reihe sich flankierender Batterien geschützt. Kronstadt hat drei Häfen: westlich liegt der Hafen für die Kauffahrteischiffe, der an 1000 Fahrzeuge fasst; darauf folgt der Mittelhafen für die Ausrüstung der Kriegsschiffe und auf der Südseite der stark befestigte Kriegshafen, der mit einem Molo umgeben ist und ein weit ins Meer hervortretendes Viereck bildet. Im Kauffahrerhafen von Kronstadt löschen die größeren Seeschiffe und schicken ihre Ladung auf kleineren Fahrzeugen nach Petersburg, vermögen aber dank dem 1875–85 erbauten Seekanal von 7 m Tiefe jetzt auch bequem bis nach Petersburg selbst zu fahren, um dort zu löschen. Kronstadt hat gerade, regelmäßige Straßen, große Plätze (Paradeplatz) und viele schöne Gebäude, von denen etwa 130 der Regierung gehören; es wird in die Kommandanten- und Admiralitätsstadt eingeteilt, besitzt 15 griechisch-orthodoxe Kirchen (darunter die Andreas-Kathedrale), eine lutherische, eine reformierte, eine römisch-katholische und eine englische Kirche, eine Synagoge, eine muslimische Moschee, ein Knaben- und ein Mädchengymnasium, die Marine-Ingenieurschule Kaiser Nikolaus I., sieben Buchhandlungen, eine Steuermannsschule (im Menschikowschen Palast), eine Matrosenschule, ein Seearsenal, ein Marinehospital, eine Admiralität, Kriegsvorratshäuser aller Art, Kasernen, Docks, Schiffswerften, zwei Kaufhöfe, etwa 19 Fabriken, die fast sämtlich den Bedürfnissen der Marine dienen, Zollgebäude, Leuchttürme und (1897) 59.539 Einwohner. Der Handelsverkehr Kronstadts ist seit Eröffnung des Seekanals nach Petersburg von geringer Bedeutung (statistische Angaben s. St. Petersburg). Der Verkehr zwischen Kronstadt und dem Festland wird durch regelmäßige Dampferlinien nach Petersburg, Lissi-Nos und Oranienbaum, letztere durch Eisbrecher bis tief in den Winter hinein, aufrechterhalten, so dass es meist nur für kurze Zeit auf den Schlittenverkehr über das Eis angewiesen ist. Kronstadt ist Sitz eines deutschen Vizekonsuls. – Kronstadt wurde 1710 von Peter d. Gr. auf der 1703 eroberten Insel Kotlin angelegt. Die im Mai 1855 vor Kronstadt erschienene englisch-französische Flotte unterließ vorsichtigerweise jeden Versuch einer Belagerung.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909