Engelbert I., Erzbischof von Köln

Wappenschild des Engelbert I., Erzbischof von Köln: in Silber ein schwarzes Hochkreuz, belegt mit einem Herzschild in Rot zwei silberne Wechselzinnenbalken (4:3).

Engelbert, geboren um 1185, Erzbischof von Köln 29. Februar 1216, gest. 7. November 1225, Sohn des auf dem Kreuzzug Friedrichs I. gestorbenen Grafen Eberhard, Bruder Adolfs IV. von Berg, Vetter des 1205 abgesetzten Erzbischofs Adolf I. von Altena. Durch den mächtigen Einfluss seines Hauses ward Engelbert, kaum aus der Domschule zu Köln entlassen, Propst von St. Georg daselbst und später noch mit einer ganzen Reihe anderer geistlicher Stellen im Kölnischen, in Aachen, Deventer und Zütfen ausgestattet, welche ihm sehr bedeutende Einkünfte gebracht haben müssen. Die Mehrheit des Domkapitels wählte ihn schon 1199 zum Domprobst.

Obwohl Engelbert damals lange noch nicht das gesetzliche Alter erreicht hatte und obwohl seine Wahl auch sonst sehr anfechtbar war, blieb er nach längerem Prozess gegen den Kandidaten der Minderheit schließlich doch im Besitz jener Würde, welche zusammen mit dem Rückhalt an seinem Hause ihm die Nachfolge im Erzbistum fast mit Gewissheit verbürgte. Als indessen Erzbischof Adolf zu Ende des Jahres 1204 von dem durch den Papst anerkannten Otto IV. zu König Philipp übertrat und Engelbert nicht bloß mit seiner ganzen Verwandtschaft dem Beispiele des Vetters folgte, sondern in dem nun über das Erzbistum hereinbrechenden Bürgerkrieg sich durch Gewalttätigkeiten aller Art besonders hervortat, traf ihn erst der Bann und bald darauf die förmliche Absetzung. Er jedoch kümmerte sich darum nicht im geringsten; er durchzog an der Spitze bewaffneter Haufen das Land, brandschatzte und plünderte die Güter des zum Papst und Gegenbischof Bruno von Sain haltenden Kapitels, indem er offenbar darauf rechnete, dass seine Absetzung in irgend einer Weise zurückgenommen werden würde, falls König Philipp, wie es den Anschein hatte, die Oberhand behielt und den Papst zum Frieden zwang. Aber Philipp ward am 21. Juni 1208 ermordet, die schon verlorene Sache Otto’s IV. und der Gegenpartei im Erzbistum triumphierte, Erzbischof Adolf musste sich mit einer Abfindung zufrieden geben, die Grafen von Berg und Altena, welche jetzt allen Einfluss verloren, fügten sich dem Erzbischof Bruno und dann seinem Nachfolger Dietrich von Hengebach, demselben, mit welchem einst Engelbert um die Dompropstei gestritten hatte. Engelbert selbst hat damals seinen Frieden mit der Kirche gemacht und konnte, wie die Dinge lagen, es nur als eine besondere Gunst ansehen, dass ihm die Dompropstei gelassen wurde. Vielleicht war neben dem Schadenersatz, welchen er dem Kapitel leisten musste, auch sein kurzer Kreuzzug gegen die Albigenser im Jahre 1212 eine Buße seiner früheren Vergehen.

Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre Engelberts kirchliche Laufbahn nun wohl abgeschlossen gewesen. Da hat der Umstand, dass Erzbischof Dietrich dem Kaiser Otto treu blieb, als der Papst sich mit demselben entzweite und die Wahl Friedrichs II. zum deutschen Könige genehmigt hatte, dem bergischen Grafenhaus und dadurch Engelbert selbst plötzlich wieder zu neuer Geltung verholfen. Erzbischof Siegfried von Mainz setzte als päpstlicher Legat 1212 den beseitigten Adolf wieder als Erzbischof von Köln ein und, obwohl Innozenz III. diesen schließlich nicht anerkannte, sondern eine völlige Neuwahl anordnete, hatten die Grafen von Berg sich doch schon um die Sache des Papstes und seines Schützlings Friedrich so verdient gemacht, dass das Kapitel am 29. Febr. 1216 wieder einen Geschlechtsgenossen, eben den Dompropst Engelbert, einstimmig zum Erzbischof erwählte. Er empfing am 1. Mai zu Würzburg die Bestätigung von dem damaligen Legaten des Papstes und die Belehnung vom König. Das Pallium ward ihm jedoch erst viel später zu Teil, als die aus den vielen Prozessen um das Erzbistum entstandenen Schulden einigermaßen geordnet waren.

Erst wenig über 30 Jahre alt, kräftig und stattlich in seiner äußeren Erscheinung, ein Mann mit großem Selbstgefühl, festem Willen und durchdringendem Verstand, schlagfertig in Wort und Tat, so trat Engelbert die Regierung des durch langen Bürgerkrieg verwilderten und in jeder Beziehung zurückgekommenen Erzbistums an. Sein Streben war, hier erst wieder eine feste Ordnung zu schaffen, den Frieden aufrechtzuhalten, seine geistliche und landesfürstliche Gewalt zur rückhaltlosen Anerkennung zu bringen und wo möglich auszudehnen, die Besitzungen seiner Kirche zu mehren, den Trotz der Großen zu brechen. Ging es nicht anders, so griff er ebenso unbedenklich wie in früheren Jahren zum Schwerte und führte es mit demselben Nachdruck und gelegentlich auch mit derselben Nichtachtung entgegenstehender Rechte.

Als Engelberts Bruder Adolf von Berg auf dem Kreuzzug nach Damiette starb und Walram von Limburg für seinen mit Adolfs einziger Tochter vermählten Sohn das Erbe beanspruchte, trat ihm Engelbert entgegen: als Erzbischof zog er die Lehen Adolfs ein, als Bruder trat er selbst die Grafschaft an, von den Alloden wollte er nichts abgeben. Er zwang durch glückliche Kämpfe erst die Verbündeten der Limburger, dann diese selbst sich ihm bedingungslos zu unterwerfen. In ähnlicher Weise ward jeder andere Widerstand gebrochen, der sich in den beiden Herzogtümern des Erzbischofs, dem ripuarisch-lothringischen und dem westfälischen, hervorwagte: Engelbert herrschte da vielleicht selbständiger und uneingeschränkter von den Lokalgewalten als irgend ein anderer deutscher Fürst seiner Zeit.

In seinem Bereich war natürlich ebenso wenig Raum für städtische Freiheit. Hatten die stolzen und reichen Bürger von Köln sich in den vorhergegangenen Wirren gewöhnt, sich den Erzbischöfen zur Seite zu stellen, waren diese selbst oft genötigt gewesen, sie als Bundesgenossen zu behandeln, so benützte Engelbert gleich am Anfang seiner Regierung einen Zwist der Schöffen und der Zünfte, um sein Herrschaftsrecht der Stadt in Erinnerung zu bringen. Er hob, in dieser Beziehung durchaus des Rückhalts an der Reichsregierung sicher, den von den Bürgern eigenmächtig eingesetzten Stadtrat wieder auf, strafte den Widerstand der Zünfte und zwang die Schöffen, sich bei ihrer Rechtsprechung nach seinen Satzungen zu richten. Er ward und war eben der wirkliche Herr im Lande und unbekümmert um den Hass, mit welchem die früher ungezügelten Edlen, Dienstmannen und Patrizier sein straffes Walten verfolgten. Seine eigenen Verwandten kamen nicht besser fort. Übrigens trat er ebenso der Zuchtlosigkeit der kirchlichen Elemente entgegen.

Obwohl er selbst mehr Fürst als Bischof war und im Drange der weltlichen Geschäfte, wie ein Zeitgenosse klagte, dem Geistlichen zu wenig Aufmerksamkeit zuwandte, wir wissen doch, dass er oft reformierend in die inneren Verhältnisse der Stifter eingriff, das kirchliche Leben zu heben bemüht war und – in merkwürdigem Gegensatze zu seiner eigenen Prachtliebe – die eben sich ausbreitenden Bettelorden begünstigte, alles das aber mit derselben Eigenwilligkeit und Selbstherrlichkeit, welche seine weltliche Herrschaft kennzeichnet. Die Frucht derselben haben vornehmlich seine Nachfolger geerntet; doch kam sie auch schon den Mitlebenden zu Gute. Mochten die höheren Stände über den Druck des Fürsten knirschen, die unteren erkannten die Wohlthat strenger Rechtspflege, des Friedens, unbedingter Sicherheit und steigenden Gedeihens dankbar an. Eine Menge köstlicher Szenen, welche uns Engelberts Zeitgenosse und Biograph Cäsarius v. Heisterbach aufbewahrt hat, zeigen, wie sehr er in diesen Kreisen verstanden und geliebt wurde.

Ein weiteres Feld tat sich den Fähigkeiten Engelberts auf, als König Friedrich II. ihn 1220 bei seinem Abzug nach Italien zum „Reichsgubernator“ für seinen Sohn, den jungen König Heinrich VII., bestellte. Auf die Erziehung desselben hat Engelbert, der ihn am 8. Mai 1222 in Aachen krönte, wohl kaum einen tiefgreifenden Einfluss geübt; einen sehr bedeutenden aber auf die deutsche Regierung. Diese wurde durch ihn ganz in den Bahnen gehalten, in welchen sie sich schon unter Friedrich II. hatte bewegen müssen. Die Interessen des Fürstentums und insbesondere des geistlichen Fürstentums blieben für das Ganze maßgebend; die Freiheitsbestrebungen der Städte und der Trotz des Lehnsadels und der Ministerialität konnten dagegen nicht aufkommen. Nach außen hin aber hat Engelbert zwei Mal einen nachweisbaren Einfluss geübt, nämlich in Bezug auf das Verhältnis des Reiches zu Dänemark und dann auf die Stellung desselben zu Frankreich und England.

Als König Waldemar II. von Dänemark mit seinem Sohn am 6. Mai 1223 von dem Grafen Heinrich von Schwerin gefangen genommen war, verlangte Papst Honorius III. ihre unbedingte Freilassung und wies die deutschen Bischöfe an dieselbe zu erzwingen. Da wahrte Engelbert dem Papst gegenüber seine reichsfürstliche Stellung. Für die Freilassung Waldemars war er wohl tätig, aber nicht im Sinne des Papstes, sondern eher in dem des Kaisers, welcher bei dieser Gelegenheit das 1215 abgetretene Nordalbingien zurückgewinnen zu können meinte. Ein Vertrag wurde von Engelbert am 24. Sept. 1223 zu Nordhausen mit dem Grafen von Schwerin vereinbart, welcher seine Gefangenen dem Reich übergeben sollte; ein zweiter Vertrag ist am 4. Juli 1224 von dem Meister des deutschen Ordens, Hermann von Salza, mit Waldemar selbst über seine Freilassung geschlossen worden. Es war nicht Engelberts Schuld, dass Waldemar trotzdem nicht sogleich freikam und dass der Vertrag nicht ausgeführt ward. Denn die Dänen verweigerten die Annahme desselben, als Engelbert im Herbst mit König Heinrich VII. und vielen Fürsten an der unteren Elbe erschien. Eine zweite Reise des Gubernators nach Sachsen im Februar 1225 scheint gleichfalls fruchtlos geblieben zu sein.

In dieser Angelegenheit in der Hauptsache mit dem Kaiser einig, stieß er bei der Behandlung der französisch-englischen Dinge mit diesem zusammen. Dass die politischen Überlieferungen seiner Vorgänger auf dem kölnischen Stuhle und die Handelsbeziehungen seiner Untertanen ihm persönlich den Anschluss an England wünschenswert machten, ist vollkommen begreiflich; aber es zeugt doch von einer gewissen Selbstüberschätzung, dass er diesen auch dem Kaiser und dem Reich zum Trotz durchsetzen zu können meinte. Während Friedrich an der alten Verbindung mit Frankreich festhielt und diese nach Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen den Westmächten im November 1224 erneuerte, trat Engelbert mit England in Verkehr und brach den mit Frankreich ab. Während dieses eine seiner Prinzessinnen dem Kaiser für seinen Sohn anbot, verabredete Engelbert mit König Heinrich III. von England, dass dessen Schwester die Gattin Heinrichs VII. werden sollte. Es ist hier nicht der Raum, die bunten Verwicklungen zu verfolgen, welche sich aus diesem Gegensatz der kaiserlichen Politik und der des Gubernators ergaben. Hätte der letztere die weltlichen Fürsten zu gewinnen vermocht, so wäre er wohl durchgedrungen. Aber eben dies wurde nicht erreicht. Der König von Böhmen und der Herzog von Bayern waren gegen ihn und gerade der Herzog von Österreich, welchen Engelbert dadurch in seinen Plan gezogen zu haben meinte, dass die Tochter desselben Königin von England werden sollte, brachte denselben vollständig zum Scheitern. Der sah seine Tochter lieber als römische Königin und künftige Kaiserin und bestimmte den Kaiser, sich für diesen Ausweg zu entscheiden. Engelbert erlitt in dieser Angelegenheit also eine vollkommene Niederlage und er mochte nur des einen Erfolges sich rühmen, dass wenigstens die dynastische Verbindung der Staufer mit den Kapetingern mittelbar durch ihn vereitelt worden war.

Am 18. November 1225 wurde zu Nürnberg die Vermählung Heinrichs VII. mit Margarethe von Österreich vollzogen. Der Gubernator hatte dorthin kommen wollen, war aber nicht erschienen. Er war am 7. November am Gevelsberge bei Schwelm von einem Vetter aus dem Hause Altena, dem Grafen Friedrich von Isenberg, meuchlerisch erschlagen worden. Dass Engelbert den Gewalttätigkeiten desselben gegen das Stift Essen neuerdings entgegengetreten war, scheint die Tat beschleunigt zu haben; das Rachewerk selbst war doch wohl schon längst in den von Engelberts harter Fürstenhand betroffenen Kreisen geplant worden. Des Isenbergers Bruder, die Bischöfe von Münster und Osnabrück, sollen davon gewusst haben, ebenso die schwer gekränkten Limburger. Der Graf von Tecklenburg schützte den Mörder eine Zeit lang. Andere werden wenigstens den Tod des „Fürstenmeisters“ wie eine Erleichterung empfunden haben, wie denn die Bürgerschaft von Köln von seinem Nachfolger sogleich die Beseitigung der ihr aufgedrängten Statuten erzwang. Allgemeiner jedoch war die Entrüstung über die verbrecherische Tat und der Schrei nach Rache, welchem auch Walther von der Vogelweide in seinem Spruche: „Den ich im Leben pries, des Tod muß ich beklagen“ etc., beredten Ausdruck gab. Weltliche und kirchliche Strafurteile hetzten den Mörder des großen Toten und die Mitverklagten durch die Lande; jener ward schließlich bei Lüttich gefangen und im November 1226 zu Köln gerichtet.

Die Leiche des Gubernator-Erzbischofs hatte man am 24. Febr. 1226 im alten Dom, den schon er umzubauen beabsichtigte, nicht weit von seinem großen Vorgänger Philipp von Heinsberg bestattet; bald geschahen Wunder an seinem Grab, mit deren Erzählung Cäsarius das dritte Buch seiner Biographie füllt; Engelbert fand auch in dem römischen Martyrologium eine Stelle: seine Heiligsprechung ist jedoch nicht erfolgt. Erst seit dem Kurfürsten Ferdinand, welcher 1618 den Todestag Engelberts zu begehen befahl und am 6. Aug. 1622 die Gebeine desselben feierlich erhob, ist Engelbert in dem Bereich der kölnischen Erzdiözese zum Tagesheiligen geworden.

Die Hauptquelle für Engelberts Leben ist außer den zeitgenössischen Annalen, Chroniken und Urkunden die genannte schon 1226-27 verfasste Biographie (Ausg. Böhmer, Font. II. doch ohne das dritte die Wunder enthaltende und erst 1237 vollendete Buch). Vgl. Kaufmann, Caesarius von Heisterbach, ein Beitrag zur Culturgeschichte, Köln 1850, wo die Zustände, in welchen Engelbert zu wirken hatte, sehr gut gezeichnet sind. Eine treffliche Monographie, Engelbert der Heilige, Erzb. von Köln u. Reichsverweser, erhielten wir von Dr. J. Ficker, Köln 1853.

Bibliographie

  • Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909
  • Winkelmann, Alfred: Allgemeine deutsche Biographie, Bd. 6 (Leipzig 1877)

Quelle: Alfred Winkelmann

Figuren des Mittelalters