Hannibal Barkas

Karthagischer Feldherr Hannibal Barkas.

Berühmter karthagischer Heerführer, Sohn des Hamilkar Barkas, geb. 247 v. Chr., gest. 183. Seine Jugendjahre fallen in eine Zeit, da Karthago von dem übermütigen Rom nach dem ersten Punischen Krieg zu einem nachteiligen Frieden gezwungen und während des Söldnerkriegs ohne Recht und Billigkeit der Inseln Sardinien und Korsika beraubt wurde, so dass es Hamilkar leicht ist, in der Seele seines Sohnes den unversöhnlichsten Hass gegen den Feind seines Vaterlandes zu erwecken. Schon während des Dienstes unter seinem Schwager Hasdrubal in Spanien bekundet er neben seltener Kühnheit, Tapferkeit, Ausdauer und Enthaltsamkeit die Klugheit, Geistesgegenwart und Umsicht des geborenen Heerführers und wird 221, 26jährig, durch den Willen des Heeres Nachfolger des ermordeten Hasdrubal im Oberbefehl über die karthagische Heeresmacht in Spanien.

Die Pläne Hamilkars und Hasdrubals weiter verfolgend, sichert er in den Jahren 221 und 220 die Herrschaft Karthagos in Spanien; als er sich dann zum Kampf mit Rom stark genug fühlt, schreitet er 219 zum Angriff auf die mit Rom verbündete Stadt Sagunt, die er nach achtmonatigem, heldenmütigem Widerstand erobert. Die Römer sehen in dem Angriff auf Sagunt eine Vertragsverletzung, und da die Karthager sich weigern, auf ihre Forderung Hannibal auszuliefern, so erklären sie ihnen den Krieg (zweiter Punischer Krieg). Um nun den Römern zuvorzukommen und den Krieg nicht in Spanien, sondern in Italien zu führen, zieht Hannibal, seinen Bruder Hasdrubal mit einem Heer in Spanien zurücklassend, 218 mit 90.000 Mann Fußvolk, 12.000 Reitern und 37 Elefanten über die Pyrenäen durch Gallien, weicht dort einem Kampf mit den Römern unter dem Konsul Publius Cornelius Scipio geschickt aus, übersteigt Ende September in 15 Tagen mit unsäglicher Mühe und dem Verlust der Hälfte seines Heeres die Alpen (wahrscheinlich den Kleinen St. Bernhard) und erscheint 5 Monate nach seinem Aufbruch von Neukarthago in den Ebenen Oberitaliens.

Nachdem Hannibal seinem Heer hier die nötige Ruhe und Erholung gewährt, zieht er, nachdem die benachbarten gallischen Völkerschaften sich ihm angeschlossen, Scipio entgegen, der aus dem jenseitigen Gallien zurückgekehrt ist und ihm von Placentia aus auf dem linken Ufer des Po entgegen rückt. Am Ticinus findet der erste Zusammenstoß statt, Hannibal siegt durch die Überlegenheit seiner numidischen Reiterei. Einen zweiten Sieg an der Trebia erleichtert ihm des anderen Konsuls Sempronius Ungestüm: in wenig Stunden ist das Römerheer geschlagen und aufgelöst.

Bei Beginn des Frühjahrs 217 überschreitet Hannibal den Apennin und marschiert unter neuen Verlusten durch die Sümpfe des Arnus (Arno) nach Etrurien, nimmt, um seinen bei Fäsulä stehenden Gegner, den Konsul Gajus Flaminius, auf ein geeignetes Schlachtfeld zu locken, unter Verwüstung des Landes die Richtung nach Rom und überfällt ihn plötzlich, als er ihm folgt, in einen Engpass am Trasimenischen See, von einer verdeckten Stellung aus. Gegenwehr ist vergeblich; 15.000 Römer bedecken das Schlachtfeld, und ebenso viele werden gefangen. Darauf lässt Hannibal in Apulien seine ermatteten Soldaten Rast machen und unternimmt von dort aus Streifzüge nach allen Seiten, bis der Diktator Quintus Fabius Maximus durch vorsichtiges Zögern seinen Siegeslauf hemmt. Aber Senat und Volk zu Rom begehren entscheidende Siege, und auch dem kampfbegierigen Heer erscheint des Fabius hinhaltende Kriegführung viel zu langsam. Diese wird daher nach Ablauf der Amtszeit des Diktators aufgegeben und ein Heer von acht Legionen und doppeltem Aufgebot der Bundesgenossen unter Anführung der Konsuln L. Ämilius Paullus und Gajus Terentius Varro Hannibal entgegengestellt. Am Aufidus (Ofanto) unfern der Stadt Cannä in Apulien treffen (216) die Heere aufeinander, und nochmals siegt Hannibals Feldherrngeist über die überlegene Macht des Feindes.

Der blutige Tag von Cannä (s. d.) kostet Rom 70.000 Mann, und die Hauptstadt selbst fürchtet einen Angriff; aber Hannibal, dem nur ein in blutigen Schlachten geschwächtes Heer und kein Belagerungsgerät zu Gebote stehen, will nicht durch einen Angriff auf die Hauptstadt alles bisher Gewonnene in einem Kampf der Verzweiflung aufs Spiel setzen, sondern benutzt seinen Sieg dazu, die Völkerschaften Unteritaliens auf seine Seite herüberzuziehen und sich durch Bündnisse mit dem König Philipp von Mazedonien und mit Hieronymus, König von Syrakus, zu verstärken. Allein Philipp wird durch einen Angriff der Römer auf sein eigenes Land zurückgehalten, und die Syrakusaner werden besiegt und in ihrer Stadt eingeschlossen. In Italien aber stellen die Römer immer neue Legionen auf und machen trotz des unermüdlichen, tapfersten Widerstandes Hannibals Fortschritte, so dass sie es 212 unternehmen können, Capua, das sich nach der Schlacht bei Cannä an Hannibal angeschlossen hat und für ihn von der größten Wichtigkeit ist, zu belagern.

Hannibal lässt nichts unversucht, um die Stadt zu entsetzen; er unternimmt sogar jetzt einen Angriff auf Rom in der Hoffnung, das Belagerungsheer von Capua abzuziehen, und bewirkt dadurch im ersten Augenblick eine solche Bestürzung, dass der Schreckensruf: »Hannibal ad portas!« (»Hannibal ist vor den Toren!«) sprichwörtlich blieb. Allein alles ist vergeblich. Capua fällt (211), und die Züchtigung, die es erfährt, mahnt andere Städte, freiwillig unter das römische Joch zurückzukehren. 209 geht auch Tarent verloren. Ebenso täuscht er sich in der Hoffnung auf die Hilfe seines Bruders Hasdrubal aus Spanien; plötzlich auf italienischem Boden angelangt, wird dieser von den Konsuln Livius Salinator und Claudius Nero bei Sena am Metaurus in Umbrien angegriffen und büßt Heer und Leben ein (207).

Noch immer hält Hannibal an der Hoffnung fest, von der Heimat unterstützt zu werden und so den Krieg in Italien zu einem glücklichen Ende führen zu können; auch gewinnt er, obwohl meist auf das Land der Bruttier beschränkt, noch einige Erfolge. Allein 203 ruft ihn ein Senatsbefehl von Karthago zur Rettung der von Scipio in Afrika selbst bedrängten Vaterstadt heim. Nach vergeblichen Unterhandlungen entscheidet das Schwert in der Schlacht bei Zama (202) für Rom, nach der Hannibal selbst zu der Annahme der von Scipio gestellten harten Bedingungen rät, indem er die Trostlosigkeit der gegenwärtigen Lage Karthagos klar erkennt und auf zukünftige Wiedererhebung hofft. Als Suffet an die Spitze der Regierung berufen, beginnt er nach Abschluss des Friedens (201) die Verfassung und Verwaltung des Staates durchgreifend zu reformieren, regelt die Zölle und Einkünfte und stellt dadurch die zerrütteten Finanzen wieder her.

Aber eben dieser Krieg Hannibals gegen altherkömmliches Unwesen vereinigt die in ihren Standesinteressen beeinträchtigte Aristokratie gegen ihn. Man klagt ihn in Rom an, dass er mit Antiochos von Syrien in Verbindung stehe, und bringt es dahin, dass eine römische Gesandtschaft in Karthago seine Auslieferung verlangt. Durch schnelle Flucht entgeht Hannibal diesem Schicksal (195). Er findet zunächst Aufnahme bei dem König Antiochos von Syrien, der damals Vorbereitungen zum Kriege gegen Rom trifft, ist indes nicht imstande, ihn zu einer kühneren Führung des Krieges zu bestimmen. Antiochos wird besiegt (189) und muss beim Friedensschluss auch die Auslieferung Hannibals zusichern. Daher flieht dieser zu König Prusias von Bithynien, wird aber auch dorthin von den Römern verfolgt und nimmt, um nicht seinen Todfeinden in die Hände zu fallen, das längst für diesen Fall bereit gehaltene Gift (183); sein durch Kaiser Severus erneuertes Grab ist vielleicht 1903 durch Th. Wiegand auf einem Vorgebirge am Marmarameer (an der Mündung des Dilflusses, bei Nikomedien) wiedergefunden worden.

Der Ruhm eines großen Feldherrn und Staatsmannes wird Hannibal von keinem der alten Schriftsteller bestritten; sie bewundern die Kühnheit seiner Anschläge, die mit ruhiger Besonnenheit gepaarte Raschheit und Energie bei ihrer Ausführung, den Mut, der vor keiner Gefahr zurückbebte, die Ausdauer, der kein Hindernis zu groß schien, den schnellen Blick, womit er die Absicht des Gegners durchschaute, die kluge Berechnung, womit er mitten im Schlachtgewühl seine Anordnungen traf, die Gewalt, die er über die Gemüter der Seinigen übte, und vermöge deren er in einem aus den verschiedenartigsten Elementen zusammengesetzten Heer die Zucht herstellte und erhielt. Wenn die römischen Schriftsteller ihm Treulosigkeit, Hinterlist und Grausamkeit vorwerfen, so ist dies wenigstens zum größten Teil nur die Wirkung des Nationalhasses, der ihn bei seinem Leben verfolgt und auch nach seinem Tode nicht verschont hat.

Figuren

  • Hannibal Barkas, 1:32 Masterclass MCF-7503
  • Hannibal und General, 28 mm Armorum & Aquila CAR8

Bibliographie

  • Azan: Deux questions historiques, Bd. 1: Annibal dans les Alpes (Par. 1902)
  • Colin: Annibal en Gaule (Par. 1903)
  • Dodge: Hannibal (Boston 1891)
  • Hennebert: Histoire d’Annibal (Par. 1870–92, 3 Bde. und Atlas)
  • Montanari: Annibale (Rovigo 1901; lässt Hannibal 218 über den Mont Genèvre steigen)
  • Osiander: Der Hannibalweg (Berl. 1900)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Figuren der Karthager