Grodno

Russisches Husarenregiment Grodno 1812, 15 mm Zinnfiguren von Minifigs.
Russisches Husarenregiment Grodno 1812, 15 mm Zinnfiguren von Minifigs.

Grodno, 1) ein [ehem.] Gouvernement Westrusslands, grenzt im Norden an das Gouvernement Wilna, im Osten an Minsk, im Süden an Wolynien, im West und Nordwesten an Polen und umfasst 38.669 km² (702 mi²). Das Land bildet eine wald- und sumpfreiche Ebene, die im Norden und Nordosten hügelig und von zahlreichen Wasserläufen durchzogen ist. Die hauptsächlichen Flüsse sind: Jassolda, Pina, westlicher Bug, Narew, Niemen. Der Boden besteht aus sandiger Tonerde, vielfach aus reinem Sand, nur selten aus Schwarzerde. Vom Gesamtareal entfallen 39,6 Prozent auf Acker, 26,3 Prozent auf Wald, 20,3 Prozent auf Wiesen und Weiden, 13,8 Prozent auf Ödland. Gebaut werden hauptsächlich Kartoffeln, Roggen, Hafer, auch Weizen und etwas Tabak. Weintrauben, Pfirsiche und Aprikosen reifen nur am Spalier an geschützten Stellen. Die Wälder, vorzugsweise aus Nadelholz bestehend, sind sehr beträchtlich; die größten sind die 97.000 Hektar große Bialowiesher Heide (s. d.) und der 106.000 Hektar große Grodnoer Wald. Der größte See ist der Sporowskoje, durch den die Jassolda fließt. Das Klima ist gemäßigt; die mittlere Temperatur beträgt 7°, die des kältesten Monats (Januar) -5°, die des wärmsten (Juli) 18,2°, der jährliche Niederschlag 55 cm; Hagel ist häufig. Die Bevölkerung (1897: 1.617.859 Einwohner, 42 auf 1 km²) besteht vorwiegend aus Weißrussen, daneben aus Litauern; die Polen betragen etwa 20 Prozent. Auch gibt es Deutsche und Tataren. Der Viehbestand betrug 1891: 176.245 Pferde, 484.107 Stück Hornvieh, 685.213 Schafe (davon 93.522 Merinos), 320.701 Schweine, 3642 Ziegen, 28 Esel, im ganzen 1.669.956 Stück. An Wild kommen am häufigsten vor: Rehe, Füchse, Wölfe, Hasen (darunter der bläulich gefärbte Sumpfhase), wilde Schweine, Eichhörnchen, Dachse, seltener Luchse, Marder, Hamster, Iltisse, Sumpf- und Fischotter, Damwild, Elche und Siebenschläfer. Auch wilde Enten, Schnepfen und Feldhühner sind stark vertreten.

Die Industrie ist durch etwa 3000 Betriebe mit über 14.000 Arbeitern und einem Produktionswert von 15,1 Mill Mark vertreten. In der Wollindustrie nimmt Grodno nach Moskau den ersten Platz ein; sie konzentriert sich hauptsächlich um Bialystok (s. d.), wo Deutsche mehrere Kolonien und Fabrikflecken, wie Súprasl, Chroszez, Michailowa, Dobrshinewa, Zechanowez u. a., gegründet haben. Entwickelt sind auch die Tabakindustrie und die Branntweinbrennerei. Der nicht unbedeutende Handel mit Holz, Getreide, Leinsamen, Hanf, Wolle etc. erfolg hauptsächlich auf dem Niemen und Bug nach Preußen. Von den vielen Jahrmärkten sind erwähnenswert: die Pferdemärkte zu Zechanowez und Selva. Das Gouvernement ist eingeteilt in die neun Kreise Bialystok, Bjelsk, Brest, Grodno, Kobrin, Prushany, Slonim, Sokolsk und Wlkowysk. – Bis 1795 gehörte Grodno zu Polen (Schwarzrussland), kam dann an Russland, wurde 1796 mit Wilna zu einer russischen Provinz und 1802 zu einem besonderen Gouvernement erhoben.

Grodno, 2) [ehem.] Hauptstadt des gleichnamigen russischen Gouvernements (s. oben), seit 1991 Teil des unabhängigen Belarus, am rechten Ufer des Niemen und an der Eisenbahn St. Petersburg–Warschau, hat ein altes und ein neues Schloss (ersteres jetzt Kaserne, letzteres Militärhospital), sechs griechisch-katholische Kirchen und zwei Klöster, fünf römisch-katholische Kirchen und zwei Klöster, eine lutherische Kirche, zwei Synagogen und 28 Bethäuser, ein Gymnasium, Gewerbeschule, Hebammeninstitut, Theater, Brauereien, Fabriken für Tabak, Maschinen, Wagen, Seife, Lichte, Gewehre, Eisengießerei und (1897) 46.881 Einwohner, darunter viele Juden. Grodno ist Sitz des 2. Armeekorpskommandos und eines griechisch-orthodoxen Bischofs. In der Nähe liegt Druskieniki, mit Mineralquellen, die jährlich von etwas 2000 Badegästen besucht werden.

Grodno wurde, schon 1183 als Ort erwähnt, im 13. Jahrhundert mit dem übrigen Litauen vereinigt. Es war eine Zeitlang Residenz des Königs Stephan Báthori, der hier 1586 starb. Seit 1673 war Grodno oft Sitz des Reichstages. In Grodno unterschrieben 1793 die polnischen Reichsstände die zweite Teilung Polens, und hier legte 25. November 1795 Stanislaus August seine Krone nieder.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

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