Niemen

Niemen (spr. njǟmen), einer der bedeutendsten Flüsse des westlichen Russland und der bedeutendste Ostpreußens, entspringt südlich von Minsk und wird bei Bielica für kleinere, bei Grodno für größere Fahrzeuge schiffbar. Von Grodno an bildet er die Grenze zwischen Russland und Polen, tritt als Memel mit einer Breite von 300 m bei Schmalleningken in das preußische Gebiet und teilt sich 8 km unterhalb Tilsit bei Kallwen in zwei Arme, die Ruß (s. d) und die Gilge, die sich beide vor der Mündung ins Kurische Haff wieder in je vier Arme spalten, von denen der Hauptarm der Ruß den Namen Atmat annimmt. In Preußen durchströmt der Fluss oberhalb Ragnit bei Eißeln eine schöne Hügellandschaft, unterhalb Tilsit aber mit seinen Armen die fruchtbare Tilsiter Niederung, die durch großartige Deiche gegen die Überschwemmungen des Flusses geschützt ist. Die Länge des Niemen beträgt 783 km (davon in Preußen 112 km), sein Stromgebiet 90.548 km² (1644,5 mi²). Unter seinen Nebenflüssen sind die schiffbare Wilia in Russland sowie die Jura und Szeszuppe (Scheschuppe) in Preußen zu nennen. Für die Schifffahrt ist der Niemen von Wichtigkeit, indem auf ihm namentlich große Holzmassen aus Russland herunterkommen, die in Memel zur Ausfuhr zubereitet werden; aber auch Getreide und andere Früchte werden auf ihm verschifft. Da jedoch das Kurische Haff für die Schifffahrt äußerst ungünstig ist, so hat man eine Kanalverbindung von der in die Atmat mündenden Minge bis nahe an Memel (König Wilhelms-Kanal s. d.) ausgeführt, während schon seit längerer Zeit von der Gilga aus mit dem Pregelarm Deime eine Verbindung durch den Seckenburger Kanal und den Friedrichsgraben (s. d.) besteht. Übrigens nennen die deutschen Anwohner den Strom nur Memel. Auf ihm, bei Tilsit, fand 25. Juni 1807 die denkwürdige Unterredung zwischen Alexander I. von Russland und Napoleon I. statt. Am 24. Juni 1812 überschritt Napoleons große Armee den Niemen und marschierte in Russland ein.

Bibliographie

  • Keller: Memel-, Pregel- und Weichselstrom, ihre Stromgebiete und ihre wichtigsten Nebenflüsse, Bd. 2: Memel- und Pregelstrom (Berl. 1900)
  • Schickert: Wasserwege und Deichwesen in der Memelniederung (Königsberg 1901)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

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