Offensive

Offensive.

Offensive (franz.), das angriffsweise Vorgehen gegen den Feind im Gegensatz zum Abwarten desselben in der Defensive (vgl. Offensive und Defensive). Man unterscheidet die strategische Offensive, das Angriffsverfahren in der Kriegführung, und die taktische Offensive, den Angriff auf dem Schlacht- oder Gefechtsfeld. Jene erspart dem eigenen Lande die Schrecken des Krieges durch Eindringen in Feindesland und gestattet, das Heer auf Kosten des Feindes zu erhalten. Das frische Vorwärtsgehen hebt Mut und Zuversicht der Truppen. Der Angreifer hat die freie Wahl für Beginn der Bewegungen sowie in Richtung und Verteilung seiner Streitkräfte, vermag daher leichter den Gegner zu täuschen und überraschend sowie mit Überlegenheit an der entscheidenden Stelle anzugreifen. Der strategischen Defensive kommt die Kenntnis und leichtere Benutzung des Kriegsschauplatzes zustatten. Die Festungen geben dem Verteidiger Stützpunkte und Zufluchtstätten, sie fesseln den Gegner und schwächen sein Feldheer. Eisenbahnen und eine befreundete Bevölkerung begünstigen einen schnellen Ersatz an Mannschaften und sonstigen Kriegsbedürfnissen. Eine Volksbewaffnung im eigenen Lande kann die Streiterzahl vermehren und die längeren rückwärtigen Verbindungen des Angreifers gefährden; man war allerdings stets geneigt, diese Gefährdung im Hinblick auf das Gesamtergebnis eines Krieges höher zu bewerten, als sie es verdient.

Die taktische Offensive, der Angriff auf dem Gefechtsfeld, wirkt ermutigend auf den Soldaten. Der Angreifer kann überraschend mit versammelten Kräften vorbrechen. Nur durch den Angriff können entscheidende Erfolge erzielt werden. Dagegen hat der Verteidiger in der taktischen Defensive die Wahl des Geländes für sich, das er in höherem Umfang als der Angreifer künstlich verstärken kann; er vermag mit mehr Ruhe die Feuerkraft der Waffen auszunutzen. Aber das untätige Abwarten, ob, wann und wo der Hauptangriff geführt wird, drückt die Stimmung der Kämpfer herab. Auch der Verteidiger verzichtet nicht auf die Vorteile der Offensive; will er den Gegner schädigen, dann rafft er sich zum Gegenstoß auf; im kleinen und großen ergreift er die günstigen Gelegenheiten zur Offensive, er führt eine aktive Verteidigung, die besonders im russischen Infanteriereglement gefordert wird, jedoch an den Führer wie an die Truppe die schwersten Anforderungen stellt, weil gerade im psychologisch schwächsten Moment, nämlich nachdem der Gegner mit äußerster Anstrengung abgeschlagen ist, eine neue, nicht minder große Anstrengung gefordert werden muss, deren Erfolg recht zweifelhaft sein kann. Beispiele hierfür sind denn auch in der Kriegsgeschichte recht selten.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe