Grafschaft Glatz

Glatz, Grafschaft in der [ehem.] preußischen Provinz Schlesien, umfasst den südlichsten Teil des Regierungsbezirks Breslau (die Kreise Glatz, Habelschwerdt und Neurode), ragt halbinselartig nach Böhmen hinein und umfasst ein Areal von 1635,77 km² (29,71 mi²) mit (1900) 168.556 Einwohnern (davon 8381 Evangelische und 264 Juden; 4745 Personen mit tschechischer Muttersprache; s. Karte »Schlesien«). Sie bildet im Innern eine von Südosten nach Nordwesten sich hinziehende Hochebene von ca. 320 m mittlerer Höhe, die fast auf allen Seiten von Gebirgen eingeschlossen wird (Glatzer Gebirgskessel). Die einzelnen Züge dieses Glatzer Gebirges sind auf der rechten Seite der Neiße das Glatzer Schneegebirge mit dem Großen oder Spieglitzer Schneeberg (1422 m) und das Reichensteiner Gebirge mit dem Heidelberg (902 m), auf der linken Seite der Neiße das Habelschwerdter Gebirge mit dem Kohlberg (962 m), das Heuscheuergebirge mit der Großen Heuscheuer (920 m) und das Eulengebirge mit der Hohen Eule (1014 m). Der Hauptfluss ist die Glatzer Neiße. Das Land, neuerdings durch die Linien Breslau–Mittelwalde umd Dittersbach–Glatz der Preußischen Staatsbahn sowie durch die Bemühungen des Glatzer Gebirgsvereins mehr in den Touristenverkehr gezogen, ist reich an Mineralquellen (Reinerz, Kudowa, Landeck, Langenau etc.) und in der Tallandschaft recht fruchtbar. Etwa 33 Prozent der Gesamtoberfläche des Landes sind mit Waldungen bedeckt. Unter den nutzbaren Mineralien sind zu nennen: Steinkohlen im Nordwesten, Erze, Marmor, Kalk- und Sandsteine in mächtigen Lagern, Torf, jedoch noch unbenutzt, auf den Seefeldern. Die Industrie erstreckt sich auf Fabrikation von Papier, Tuch, Zucker, Zündhölzern und Glas sowie die Weberei.

Die Grafschaft Glatz war der Gegenstand vielfacher Streitigkeiten zwischen Böhmen und Polen, kam 1278 von Böhmen an das Herzogtum Breslau, 1290 an Schweidnitz, 1301 an Münsterberg, dessen Herzog Boleslaw II. sie 1322 wieder an Böhmen verkaufte. Georg Podiebrad von Böhmen verlieh sie 1462 seinem Sohn Heinrich von Münsterberg, dessen Sohn Karl I. die Grafschaft 1500 seinem Schwager Ulrich, Grafen von Hardegg, verkaufte. Dessen Neffe Christoph verkaufte sie 1534 an Österreich. Nachdem sie Ferdinand I. an den Freiherrn v. Bernstein versetzt, erwarb sie Ernst, Erzbischof von Salzburg, nach dessen Tode (1554) sie von Ferdinand wieder eingezogen und 1578 mit Böhmen vereinigt wurde. 1623 machte Kaiser Ferdinand II. die Grafschaft Glatz seinem Bruder, dem Bischof Karl von Breslau, zum Geschenk, nach dessen Tod sie der Kaiser zu einer besonderen Landschaft erhob und von einem Landeshauptmann verwalten ließ, bis sie 1742 Maria Theresia mit Schlesien an Preußen abtrat.

Bibliographie

  • »Geschichtsquellen der Grafschaft Glatz« (hrsg. von Volkmer und Hohaus, Habelschwerdt 1883–91, 5 Bde.)
  • »Vierteljahrsschrift für Geschichte und Heimatkunde der Grafschaft Glatz« (hrsg. von Scholz, Glatz 1881–91)
  • Bach: Die Grafschaft Glatz unter dem Gouvernement des Generals H. A. Freih. de la Motte Fouqué 1742–1760 (Glatz 1885)
  • Kutzen: Die Grafschaft Glatz (Glogau 1873)
  • Ludwig: Die Grafschaft Glatz in Wort und Bild (Bresl. 1897)
  • Wedekind: Geschichte der Grafschaft Glatz (Neurode 1857)
  • Reisehandbücher von Matzig (Reinerz 1889) und Patschovsky (3. Aufl., Schweidn. 1902)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

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