Mauerbogen
Mauerbogen, Gewölbe von geringer Tiefe oder Länge, die entweder zur Überdeckung von Maueröffnungen oder als Gurtbogen (s. d.) oder Strebebogen anderen Gewölben zum Widerlager dienen und in beiden Fällen die auf ihnen ruhende Last auf ihre Widerlager übertragen.
Die Benennung der einzelnen Teile sowie die Art der Einwölbung ist dieselbe wie bei den Gewölben. Je nach der Form der Bogen- oder Wölblinie unterscheidet man: Halbkreisbogen, auch Rundbogen und volle Bogen genannt, Segment-, Stich- oder Flachbogen, deren Bogenlinie kleiner als ein Halbkreis ist, scheitrechte Bogen, deren Bogenlinie aus einer waagerechten Geraden besteht, Korbbogen, elliptische und parabelförmige Bogen, Kernbogen (s. d.), gedrückte Bogen, deren Pfeilhöhe im Verhältnis zur Spannweite gering ist, anzeigende Bogen und endlich Spitzbogen oder gotische Bogen, die sich stets und zwar mindestens aus zwei Kreisbogen zusammensetzen und die im gotischen Baustil (s. d.) die verschiedenartigste Ausbildung erfahren haben. Bei Bogen aus Hausteinen reichen die Wölbsteine in der Regel von Stirn- zu Stirnfläche durch. Bei Backsteinbogen hängt die Anzahl der in einer Schar vorkommenden Stoßflächen von der Stärke der Mauer, ausgedrückt in halben Backsteinlängen ab (s. Bogenverband). Die Ausführung der Bogen geschieht stets auf Lehrbogen oder Lehrgerüsten. Die Bogenlaibung sowie die seitlichen Geläufflächen werden, außer bei Gurt- und Strebebogen, in den seltensten Fällen glatt durch die Mauer hindurchgeführt, sondern meist mit einem Anschlag versehen, der zum Anbringen des Rahmens für den Verschluss der Öffnung dient. Der scheitrechte Bogen wird namentlich als Abschluss von Fenster- oder Türöffnungen verwendet. Der Stellung der Lagerfläche liegt hier ein ideeller Bogen (in Fig. 1 punktiert angegeben) zugrunde, dessen Mittelpunkt sich im Schnittpunkt der Wiederlagerfugen befindet. Im Grunde genommen wirkt der schraffierte Teil (Fig. 1) nur als Belastung und bewirkt für die Gewölbesteine im Schnitt der Lagerflächen mit der Bogenlaibung sehr spitzwinklige Kanten, die leicht abbrechen oder beim Setzen des Bogens abgedrückt werden, weshalb häufig die Lagerflächen in der in Fig. 2 angegebenen Weise gebrochen angeordnet werden. Scheitrechte Bogen aus Backsteinen erhalten entweder in der Mitte einen »Stich« oder man verwendet bei größerer Stärke einen eisernen Anker (Fig. 3), durch den der scheitrechte Bogen an einem darüber gespannten Entlastungsbogen angehängt wird. Der Spitzbogen ergibt bei Ausführung in Backsteinen für die Stellung der Lagerfugen an der Spitze eine gewisse Schwierigkeit, über die man hinwegkommt, wenn der Schlussstein aus Häuflein hergestellt wird (Fig. 4 rechte Seite). Im Mittelalter wurde nach Fig. 4 (linke Hälfte) gewölbt, wodurch eine lotrechte Fuge in der Spitze entstand. Zweckmäßig erscheint es, von einem etwas unterhalb der Spitze gelegenen Punkt (Fig. 5) die Fugen nicht mehr zentral, sondern nach den Teilpunkten 1, 2 ... zu richten. Der Spätgotik gehört der sogenannte »Eselsrücken« (Fig. 6) an, der dem in der muslimischen Baukunst vielfach verwendeten Kielbogen ähnlich ist, während in der englischen Gotik der aus zwei sich schneidenden Korbbogenhälften bestehende Tudorbogen (Fig. 7) sich ausbildete. Ansteigende, auch einhüftige Bogen genannt, sind solche, bei denen die Kämpferpunkte bzw. Kämpferlinien nicht in einer waagerechten Ebene, sondern ungleich hoch liegen, wie sich dies für Bogen unter Treppenläufen, unter geschleiften Schornsteinen und für Strebebogen ergibt (Fig. 8); siehe auch Wölbungslinie und Korbbogen.
Quelle: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften (Stuttg., Leipz. 1907)