Angriffspunkt

Angriffspunkt, Ort und Stelle, welche der angreifende Teil zum Angriff wählt, oder welchen er nach Beschaffenheit der Umstände zu wählen gezwungen ist, dasselbe, was bei Festungen die Angriffsfront ist. Es ist wohl kein Land, und keine Truppenstellung so beschaffen, dass gar kein Angriffspunkt vorhanden sein sollte. Welcher unter mehreren Angriffspunkten aber für den jedesmaligen Angriff der vorteilhafteste ist, lässt sich nur durch Kombination aller Umstände bestimmen. Die Staatspolitik und die Kriegskunst müssen auf Seiten der Defensive die möglichen Angriffspunkte unangreifbar zu machen suchen, und wo die Natur nicht ausreicht, die Kunst zu Hilfe nehmen; auf Seiten der Offensive aber muss die Gewalt der Waffen, unterstützt von dem Genie und Talent, sich da Angriffspunkte möglich zu machen suchen, wo, nach der gemeinen Beurteilung, keine vorhanden sind etc. –

Daher gibt es einen strategischen und einen taktischen Angriffspunkt. Auf alle Fälle ist der letztere durch den ersteren zu bestimmen, weil die Taktik der Strategie überhaupt untergeordnet ist.

Der taktische Angriffspunkt ist allemal da, wo der Angreifer mehr Leute auf einmal ins Feuer bringen kann, als sein Gegner; das Terrain, und die feindliche Stellung auf demselben sind Gegenstände, welche allein auf die Bestimmung des taktischen Angriffspunktes Einfluss haben. Sanft aufwärts laufendes Terrain ist dem Angreifer nachteilig, weil es ihn dem rasierenden Feuer des Feindes aussetzt, seinen Chok schwächt, und ihn der nötigen Unterstützung seiner Kavallerie beraubt. –

Der strategische Angriffspunkt ist da, wo man auf dem kürzesten Wege hoffen kann, den Feind von den Operationsobjekten, welche er verteidigt, abzudrängen, und sich selbst in ihren Besitz zu setzen, und wird nur durch das Genie und Talent aufgefunden. Da nun der Ausgang einer Schlacht einzig und allein von der richtigen Bestimmung des taktischen Angriffspunktes abhängt; da ferner die gehörige Benutzung des Sieges von vorhergegangenen richtigen strategischen Operationen vorbereitet wird; so folgt aus beiden Sätzen, dass diejenige Schlacht die vorteilhafteste sein wird, wo entweder der taktische oder strategische Angriffspunkt zusammentreffen, oder wo die Strategie der Taktik ganz frei Hand lässt. –

Weil fener die Benutzung des Sieges weit mehr wert ist, als der Sieg selbst, oder mit anderen Worten, weil ein Sieg ohne Folgen eigentlich gar keine Sieg ist, so folgt daraus, dass da, wo Taktik und Strategie nicht mit einander harmonieren, entweder gar nicht geschlagen werden, oder die Strategie den Vorzug haben soll. – Für die Defensive geht hieraus die Regel hervor, dass man diejenigen Punkte, welche man entweder als den strategischen oder taktischen Angriffspunkt erkennt, am stärksten verwahren muss. Da die Entscheidung der ganzen Schlacht gewöhnlich von dem Besitz der das Schlachtfeld dominierenden Höhen abhängt, so muss man solche Stellungen vermeiden, wo der Feind seinen taktischen Angriffspunkt in der Nähe dieses Schlüssels der Position findet.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Glossar militärischer Begriffe