Kippregel

Messtisch und Kippregel von Breithaupt.

Kippregel, im Verein mit dem Messtisch der Hauptapparat für die topographische Aufnahme, dient als Projektionsinstrument, als Horizontal- und Vertikalwinkel- und als Entfernungsmesser. Die Kippregel besteht aus einem messingnen Lineal, über dem auf einem Träger (Säule) ein um eine Horizontalachse drehbares Fernrohr derart steht, dass bei genau horizontaler Lage des Lineals eine Kante desselben, die Ziehkante, in die durch die Fernrohrachse gelegte Vertikalebene fällt. Wird daher das Fernrohr nach einem Ziel gerichtet, so ist die an der Ziehkante gezogene Linie die Projektion der Visierlinie auf die Messtischplatte.

Bekannte Figuren

  • Preußische Pioniere mit Kippregel, 1:72 RF-Figuren SE-004

Zum Messen von Vertikalwinkeln ist am Fernrohr ein Gradbogen befestigt, der sich an einem am Träger (Säule) angeschraubten Nonius vorbeischiebt. Zum Horizontalstellen des Fernrohres ist unter oder über demselben eine Röhrenlibelle korrigierbar an ihm befestigt. Ist mit Hilfe dieses Niveaus das Fernrohr horizontal gestellt, so muss für Höhenmessungen der Winkel in Betracht gezogen werden, den nun der Index am Gradbogen zeigt (Korrektionswinkel). Zur Beseitigung dieses lästigen Korrektionswinkels ist bei neueren Kippregeln der Nonius fein verschiebbar hergestellt worden, und es kann dann jede Vertikalwinkelmessung direkt am Gradbogen und Nonius abgelesen werden.

Um rückwärtige Alignements aussuchen zu können, sind die neueren Kippregeln zum Durchschlagen eingerichtet, d. h. das Fernrohr kann um 360° gedreht werden. Zur Orientierung des Messtisches ist auf dem Lineal eine schmale Boussole mit 13–18 cm langer Magnetnadel befestigt; diese trägt an den schmalen Seiten einen Limbus von etwa 30°, dessen Nord- (Null) Linie genau parallel der Ziehkante liegt, woraus auch die selbständige Verwendbarkeit der Kippregel zum Messen von Horizontalwinkeln bis zu 15° hervorgeht. Außerdem ist auf dem Lineal noch ein Dosenniveau zum Horizontalstellen des Messtisches befestigt.

Die Vorrichtung zum Distanzmessen besteht in einem Fadenkreuz, dessen Kreuzungspunkt in der optischen Achse des Fernrohres liegt. Parallel zum horizontalen Faden sind in gleichen Abständen von diesem noch zwei Fäden ausgespannt. Breithaupt verwendet statt des Fadenkreuzes auch ein Glasplättchen mit eingeschnittenen Strichen. Die Entfernung wird an einer im Zielpunkt aufgestellten Distanzlatte abgelesen, die auf ihrer der Kippregel zugekehrten Seite in Zentimeter eingeteilt ist, und beträgt so vielmal 1 m, als Zentimeter zwischen den beiden äußeren Parallelstrichen, und so vielmal 2 m, als zwischen dem mittleren und einem der äußeren Parallelstriche Zentimeter abgelesen werden; demnach wäre bei einer 3 m langen Latte die größte messbare Länge 2.300 = 600 m. Über die Verwendung der Kippregel zur Höhenmessung s. d.

Die Kippregel hat sich aus dem von Prätorius, Professor in Altdorf bei Nürnberg, um 1590 erfundenen, von Lehmann verbesserten, jetzt nicht mehr gebräuchlichen Diopterlineal (s. Diopter) entwickelt. Besonders hat Reichenbach (gest. 1826) in München sich um Erfindung der Kippregel verdient gemacht. Zu den vorzüglichsten Konstruktionen gehört jetzt die von Breithaupt in Kassel; vgl. Aufnahme, topographische und B. Schulze, Das militärische Aufnehmen (Leipz. 1903).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe