Cherson

Cherson (russ. Kherson), [ehem.] Gouvernement im südlichen Russland, bis 1803 Gouvernement Nikolajew genannt, heute ukrainischer Oblast, grenzt gegen Norden an die Gouvernement Podolien, Kiew und Poltawa, gegen Osten an Jekaterinoslaw und Taurien (die westliche Nogaier Steppe), gegen Süden an das Schwarze Meer und gegen Westen an Bessarabien und umfasst 71.284 km² (1294,6 mi²). Das Land ist großenteils Steppenland, das von den Flüssen Dnepr und Dnister, welche die Grenze im Osten und Westen bilden, dem Bug mit dem Ingul und dem Inguletz durchströmt wird. An ihrer Mündung bilden diese Flüsse Binnenseen oder Limane, die salziges Wasser haben, für die Schiffahrt jedoch von zu geringer Tiefe sind. Das Klima ist wechselvoll, im Sommer trocken und heiß, im Winter kühl und stürmisch. Die mittlere Jahrestemperatur ist 7,5 bis 10°. Die Bevölkerung beträgt (1897) 2.728.508 Seelen (39 auf 1 km²), wovon 28,8 Prozent auf die Städte entfallen, und gehört größtenteils (ca. 84 Proz.) zur griechisch-orthodoxen Kirche; außer dieser gibt es zahlreiche Juden und Sektierer (Stundisten-Chlisty), daneben auch Protestanten und Römisch-Katholische. Cherson bildet in Bezug auf die herrschende Kirche eine eigene Eparchie, an deren Spitze ein Erzbischof steht, während die römischen Katholiken einen Bischof in Tiraspol haben. Der Nationalität nach zerfällt die Bevölkerung in Ukrainer und Großrussen, die das Gros bilden, in Romanen (Moldo-Walachen), Bulgaren, Serben, Polen, Griechen, Armenier, Deutsche, talmudische und karaitische Juden und Zigeuner. In Cherson befindet sich nächst Taurien der größte Teil der deutschen Ansiedelungen Südrusslands, ca. 70 an der Zahl, mit ca. 50.000 Kolonisten. Haupterwerbszweig ist der Ackerbau; vom Gesamtareal kommen 49 Prozent auf Ackerland, 45,1 auf Wiesen und Weiden, nur 1,9 auf Waldungen und 4 Prozent auf unproduktives Land. Gebaut werden sämtliche Getreidearten, insbes. Weizen, Mais, Hirse, auch Zuckerrüben (1901: 197.420 Tons) und Tabak (jährlich ca. 20.000 Pud). Die Gartenkultur ist recht ansehnlich. An Fruchtbäumen gibt es Pfirsich-, Aprikosen-, Kirsch-, Pflaumen- und Maulbeerbäume, auch wird viel Wein gezogen. Sehr beträchtlich ist die Viehzucht in Cherson; man zählte 1891: 493.000 Pferde, 794.000 Rinder, 1.324.000 Schafe und 254.000 Schweine. Besonders in Beziehung auf veredelte Schafe ist das Gouvernement die Pflanzschule für das russische Reich. Der Fischfang im Schwarzen Meer und in den Limanen sowie in den großen Strömen des Landes ist recht bedeutend (allein gegen 10 Mill. Heringe). An Mineralien wird etwas Eisen (1897: 446.238 metr. Ztr.), Salz (481.373 metr. Ztr.) und Kaolin (24.404 metr. Ztr.) gewonnen. Die Industrie macht in dem durch die Nähe des Meeres, gute Wasserstraßen und Eisenbahnen begünstigten Lande schnelle Fortschritte, ist jedoch im wesentlichen auf die großen Städte (Odessa, Nikolajew) beschränkt. Außerhalb derselben konzentriert sich die gewerbliche Tätigkeit auf Branntweinbrennerei, Mehlproduktion und Zuckersiederei. Der Handel ist lebhaft. Große Geschäfte werden besonders in Wolle, Fellen, Getreide, Mehl und Vieh gemacht. An Hafen- und Handelsstädten besitzt das Gouvernement vornehmlich drei: Cherson, Nikolajew, Odessa; der Binnenhandel konzentriert sich in den Städten Berislaw, Alexandrija, Jelisawetgrad, Wosnessensk, Olwiopol und Tiraspol. Cherson zerfällt in sechs Kreise: Alexandrija, Ananjew, Cherson, Jelisawetgrad, Odessa und Tiraspol. Das Land, das ehemals zum Krimschen Chanal gehörte, verdankt sein Emporkommen der Kolonisationstätigkeit der Kaiserin Katharina II., welche die Städte Cherson (1778), Nikolajew (1786), Odessa (1792) u. a. gründete.

Militär

  • Kherson Grenadier-Regiment
  • Kherson Garnisonregiment (2 Bataillone)
  • Bug-Kosaken
Cherson.

Cherson, Hauptstadt des gleichnamigen russ. Gouvernements (s. oben), Hafenstadt am Dnepr, 30 km vor seiner Mündung, ist malerisch an einem Hügel aut rechten Ufer des Stroms gelegen, der hier etwa 7 km breit ist. Die den Kais zunächst liegenden Straßen und Plätze sind durch Dämme und Brustwehren gegen die früher verheerenden Überschwemmungen des Flusses geschützt. Die Stadt ist regelmäßig gebaut, hat zwölf griechisch-katholische, eine römisch-katholische und eine lutherische Kirche, eine Synagogen und zehn jüdische Betstuben. Die Bevölkerung belief sich 1897 auf 69.219 Seelen. An Lehranstalten bestehen zwei Gymnasien, zwei höhere Mädchenschulen, eine landwirtschaftliche Schule, ein griechisch-orthodoxes Seminar, eine israelitische Schule und mehrere städtische Volksschulen. Die Industrie erstreckt sich hauptsächlich auf Talg- und Seifensiederei, Wollwäscherei, Bierbrauerei, Tabakfabrikation und Dampfmühlenbetrieb. Der Handel Chersons entwickelt sich, trotz der günstigen Lage an der Mündung des Dnepr, wegen der noch fehlenden Eisenbahnverbindung und der übermächtigen Konkurrenz von Odessa und Nikolajew nur langsam. Die früheren Befestigungen (0,5 km von Cherson), von denen nur noch zwei Tore und einige Wälle leidlich erhalten sind, umschließen große Kasernen und Magazine nebst einer Kirche mit dem Grabmal Potemkins, dem in der Stadt auch ein Denkmal gesetzt worden ist. Den städtischen Garten schmückt ein Denkmal des in Cherson verstorbenen englischen Philanthropen John Hobsard. Die Stadt ist Sitz der meisten Gouvernementsbehörden sowie eines Kriminal- und Waisengerichts. – Cherson ist 1778 vom Fürsten Potemkin angelegt. 1787 kamen in Cherson der Kaiser Joseph II. und die Kaiserin Katharina II. zusammen.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Historische Orte