Braunschweig-lüneburgischer Feldmarschall Heinrich Wilhelm v. Freytag

Heinrich Wilhelm v. Freytag, kurfürstlich braunschweig-lüneburgischer Feldmarschall, am 17. März 1720 zu Estorf, Amt Stolzenau, in der Grafschaft Hoya geboren, wurde zu Hannover als Page erzogen und trat 1737 als Fähnrich beim v. Campeschen Regiment zu Nienburg a. d. Weser in die Infanterie. Nach einer Zeit einförmigen Garnisonaufenthalts brachte der Österreichische Erbfolgekrieg sechs Jahre wechselvollen Kriegslebens: die Schlachten bei Dettingen, bei Fontenoy, bei Raucourt und bei Laffeld, bildeten die Hauptetappen desselben; Fontenoy brachte die Beförderung vom sechsten Lieutenant des Regiments zum Capitänlieutenant „wegen des guten Verhaltens meiner Grenadiere, von denen aber nur vier Gesunde übrig blieben“, Lafeld einen Schuss durch die Hand. Als vor Beginn des Siebenjährigen Krieges die Befürchtung einer französischen Landung die großbritannische Regierung veranlasste, deutsche Truppen in Sold zu nehmen, befand sich Freytag bei dem nach England entsandten Hilfscorps, doch ging die bis zum März 1757 währende Expedition ohne kriegerische Ereignisse vorüber. Der anderwärts bereits entbrannte Kampf sollte deren bald in Fülle bieten. Das allgemein sich kundgebende Verlangen nach „leichten“, besonders für den kleinen Krieg bestimmten Truppen führte auch in Hannover zu dergleichen Formationen. Der Generalmajor und Vizeoberjägermeister Graf von der Schulenburg erhielt den Auftrag, ein Jägercorps zu errichten, zu welchem auserwählte Offiziere aus der Armee versetzt wurden. Unter diesen war Freytag. Er entsprach anfangs nur ungern dem ihm gemachten Antrag; als er aber eingewilligt hatte und zum Major und zweiten Stabsoffizier des Corps ernannt war, unterzog er sich zunächst mit großem Eifer den Organisationsgeschäften, welche ihm, da der Chef sich schon bei der Armee befand, ausschließlich oblagen; ebenso fiel ihm später, wo Schulenburg stets anderweit verwendet wurde, die Führung des Corps allein zu, bis er im Februar 1760 zum Chef förmlich ernannt wurde. Wachsamkeit, Unternehmungsgeist, Unerschrockenheit, militärischer Überblick und nie ermüdende Ausdauer trotz aller Anstrengungen eines auch während der Winterquartiere kaum unterbrochenen sechsjährigen Feldlebens kennzeichneten Freytags und seiner Jäger Wirksamkeit, deren Tagen jedes Blatt der Geschichte der Kriegsschauplätze in Westfalen, Hessen und Hannover, wo sie unter Herzog Ferdinand von Braunschweig fochten, erzählt und über welche er selbst u. a. sagt: „Der Feldzug von 1759 ist für mich der längste und fatiganteste, aber auch der glücklichste des ganzen Krieges gewesen, indem ich über 600 deusche Meilen marschiert war und mehr als 130 Officiere und 1700 Mann unter meinem Commando und in meinem Beisein zu Gefangenen gemacht sind“, und weiter: „Uebrigens waren dies (1761–62) die ersten Winterquartiere, die ich hatte, wo ich nicht auf den äußersten Vorposten stand und zu Winterexpeditionen gebraucht wurde“. Rasche Beförderung und Gratifikationen waren der äußere Lohn dieser Leistungen; die glänzendste Anerkennung aber fanden sie durch die stete Vermehrung des Corps, welches mit vier schwachen Kompanien, zwei zu Pferde und zwei zu Fuß errichtet, auf deren acht von jeder Gattung und auf 2497 Mann anwuchs, nach allen Richtungen eine Mustertruppe. „Die von Freytag bei seinem Jägercorps eingerichteten Büchsen sind von allen bekannten die vollkommensten“, sagt Scharnhorsts „Handbuch für Officiere“ (neue Aufl., Hannover 1820, III. § 36).

Nach Beendigung des Krieges wurde stark reduziert; es lag nah, die außerordentlichen Formationen zuerst aufzulösen; das Ansehen aber, in welchem sie standen, veranlasste, dass aus ihnen – dem Jägercorps, den Lucknerhusaren und dem Scheitherschen Corps – zwei leichte Dragonerregimenter gebildet wurden, deren Kommando, nachdem Luckner, aus Verdruss über die ganze Maßregel und vielfach angefeindet, den Abschied genommen, Freytag übertragen wurde. Doch wurde sein Wirkungskreis bald ein weiterer. Er ward vielfach mit organisatorischen Geschäften und mit Arbeiten im Bereich der Ausbildung der Truppen beschäftigt; die eigentümliche Lage, in welcher der Höchstkommandierende in Hannover sich befand, der seine Weisungen und Befehle von einem ohne jeglichen militärischen Beirat in London residierenden, den Verhältnissen ganz fern stehenden Kriegsherrn erhielt, erheischte häufig mündliche Vermittlung und diese lag in der Regel Freytag ob, welcher 1765 „General-Adjutant“ geworden war und in verschiedenen Sendungen von 1764 bis 1783 zwölf Jahre in England zubrachte.

Im Herbst des Jahres 1792 folgte er dem Feldmarschall v. Reden im Kommando der hannoverschen Truppen und schon der Frühling des nächsten Jahres berief den nunmehrigen Feldmarschall nochmals zu kriegerischer Tätigkeit. Das republikanische Frankreich hatte England den Krieg erklärt und dieses nahm 13.000 Hannoveraner in Sold, welche bestimmt wurden, in den Niederlanden zu fechten. Mit 15 Bataillonen, 16 Schwadronen, 68 Geschützen und einem Pionierdetachement rückt das „Auxiliar-Corps“ unter Freytag nach Flandern und trat dort unter den Oberbefehl des Herzogs von York, eines Sohnes König Georg III. Das Verhältnis zwischen beiden Befehlshabern gestaltete sich von vornherein zu einem wenig erfreulichen: der Feldmarschall, freilich ein bejahrter Herr, dessen Kriegserfahrungen weit rückwärts lagen, dessen frühere Leistungen aber über die eines einfachen Parteigängers weit hinausgegangen waren, und welcher ursprünglich für die Stellung des Adlatus oder gar für das Oberkommando in Aussicht genommen war, ordnete sich dem 28jährigen, ganz unerfahrenen Herzog, der in seiner Umgebung nur wenig fachliche Unterstützung fand und welchem die Geschäftsführung des englischen Commissariats die ohnehin schon nicht leichte Kriegführung sehr erschwerte, nur widerwillig unter, und so kam es zu mancherlei Misshelligkeiten und Weiterungen, welche dem Gang der Ereignisse naturgemäß wenig förderlich waren. Kaum eingetroffen, befand sich Freytag samt den Seinen mitten im Kriegstrubel. Am 23. Mai nahmen sie an dem Angriff auf das verschanzte Lager von Famars teil, diesem folgte unmittelbar die Eroberung, und am 28. Juli die Einnahme von Valenciennes, sowie die Vertreibung der Franzosen aus dem Cäsarlager am 7. August, bei welchen Gelegenheiten Freytag unter dem Herzog befehligte. Als letzterem darauf die Belagerung von Dünkirchen aufgetragen wurde, hatte Freytag diese mit einem „Observationscorps“ von 19 Bataillonen, 33 Schwadronen und 4 Divisionen Artillerie – Hannoveraner, Engländer, Österreicher und Hessen – zu decken. Durch eine Reihe glücklicher Gefechte, in welchen seine Truppen u. a. 16 Geschütze, 17 Fahnen und drei Standarten nahmen, erkämpfte er sich das erforderliche Terrain, verkannte aber dabei das Missliche seiner Lage so wenig, dass er seinen Generaladjutanten v. Spörcken zur Berichterstattung nach England sandte und dass er eine Position aussuchen ließ, in die er sich zurückziehen könne. Er hatte richtig vorausgesehen. Houchard, welcher gemessenen Befehls zur Rettung Flanderns erhalten hatte, brach gegen ihn vor, zwang das Observationscorps durch harte Kämpfe (5.–8. September), namentlich bei Arneke, Rexpoede und Hondschoote, zum Rückzug und bewirkte dadurch gleichzeitig das Aufgeben der Belagerung von Dünkirchen. Beim nächtlichen Rückzug durch das Dorf Rexpoede (6./7. September) ward der Feldmarschall verwundet und geriet sogar für kurze Zeit in Gefangenschaft, aus welcher er indes durch die heldenmütige Hingebung seiner Truppen unter dem Generallieutenant von dem Busche bald wieder befreit wurde. Seine Wunde nötigte ihn aber, das Kommando dem General Johann Ludwig Graf Wallmoden zu übergeben und, obgleich er im Laufe des nächsten Winters noch einmal zur Armee zurückkehrte, machte doch seine Gesundheit ihm die fernere Teilnahme am Krieg unmöglich. Er übernahm daher das Kommando der Truppen im Lande, welches er bis zu seinem am 2. Januar 1798 in Hannover erfolgten Tode führte. In der Erbbegräbnis zu Landsbergen an der Weser ward er beigesetzt.

„Das Merkwürdigste, was mir in meinem ganzen Leben begegnet ist“, in der Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges, Berlin 1853, 1. und 2. Heft. – v. Sichart, Geschichte der hannoverschen Armee, Hannover, 3. und 4. Band, 1870. 1871.

Poten, Bernhard von, „Freytag, Wilhelm von“ in: Allgemeine Deutsche Biographie 7 (1878), S. 374-376

Figuren des Siebenjährigen Krieges