Zweiter Burenkrieg, 1899–1902

Karte des Kriegsschauplatzes in Südafrika 1899–1902.

Der Zwist zwischen der britischen Regierung und der Südafrikanischen Republik über die politischen Rechte der Uitlanders verschärfte sich im Sommer 1899 immer mehr. Während England forderte, dass die Republik die Suzeränität der britischen Krone anerkenne (Vertrag von 1881), glaubte sich die Südafrikanische Republik auf Grund des Vertrags von 1884 nur dazu verpflichtet, Verträge mit auswärtigen Mächten der britischen Regierung mitzuteilen. England verstärkte seine Streitkräfte in Südafrika beträchtlich (vgl. Richardson, With the Army Service Corps in South Africa, Lond. 1903); doch lehrten dann die ersten Kampfmonate, dass von der beabsichtigten Kriegsbereitschaft noch außerordentlich viel fehlte (Bericht der am 11. Okt. 1902 gebildeten Untersuchungskommission vom August 1903). Die Republik, die seit Jamesons Einfall (Ende 1895) ebenfalls gerüstet hatte, richtete 9. Okt. an das britische Kabinett ein Ultimatum, in dem sie verlangte, dass alle Streitpunkte schiedsrichterlich oder freundschaftlich erledigt, dass die britischen Truppen sofort von den Grenzen Transvaals und alle seit dem 1. Juni in Südafrika angelangten Streitkräfte innerhalb eines zu vereinbarenden Zeitraums zurückgezogen und die auf dem Meer unterwegs befindlichen Truppen an keiner Stelle in Südafrika gelandet würden; dagegen verpflichtete sich die Republik, keinerlei Feindseligkeiten zu beginnen. Eine zusagende Antwort wurde bis 11. Okt. nachmittags 5 Uhr erbeten. Die britische Regierung bezeichnete 10. Okt. die Forderungen der Republik als indiskutabel. Damit war der Krieg erklärt. Der Oranje-Freistaat blieb dem mit der Südafrikanischen Republik 1897 geschlossenen Bündnis getreu.

Bereits 12. Okt. begannen die Buren die Feindseligkeiten, indem sie im Westen Mafeking und Kimberley (hier Cecil Rhodes) von der Verbindung mit dem Kapland abschnitten. Gleichzeitig rückten die Buren des Freistaats in Natal ein und griffen, gegen 30.000 Mann stark, 20. Okt. die Engländer (13.000 Mann unter White) bei Glencoe und Dundee an; General Symons wurde tödlich verwundet. Bei einem Vorstoß gegen Elandslaagte 21. Okt. brachten die Generale White und French den Buren eine Niederlage bei; General Jan Kock wurde tödlich verwundet, der deutsche Freischarenoberst Schiel gefangen. General Yule zog sich von Glencoe und Dundee nach Ladysmith zurück. Am 30. Okt. verlor White bei einem Durchbruchsversuch 1200 Mann nebst 10 Geschützen bei Nicholsons Nek. Ladysmith wurde darauf von den Buren eingeschlossen und Colenso besetzt. Doch weiter drang der allzu vorsichtige Oberbefehlshaber der Buren, General Joubert, nicht in Natal ein. Die Freistaatsburen besetzten inzwischen Nauwpoort und Stormberg im Norden der Kapkolonie. Die erhoffte allgemeine Erhebung der holländischen Bevölkerung blieb aus.

Der neuernannte Oberbefehlshaber der britischen Armee in Südafrika, General Sir Redvers Buller (31. Okt. in Kapstadt gelandet), beauftragte den General Lord Methuen mit dem Entsatz von Kimberley, General Gatacre mit der Vertreibung der Buren aus dem Norden der Kapkolonie, während er selbst den Oberbefehl in Natal übernahm. Methuen erlitt, nachdem 28. Nov. ein blutiges und für die Engländer verlustreiches Gefecht am Modderfluss unentschieden geblieben war, 11. Dez. bei Magersfontein eine Niederlage. Zu gleicher Zeit wurde Gatacre 10. Dez. bei Stormberg mit einem Verlust von 680 Mann zurückgeschlagen. Eine dritte, sehr schwere Niederlage erlitt General Buller selbst 15. Dez. bei Colenso; er verlor 1100 Mann und 9 Geschütze.

Daraufhin wurden von der britischen Regierung neue Divisionen mobil gemacht und die von Kanada und Australien angebotenen Hilfstruppen angenommen; am 20. Dez. wurde Feldmarschall Lord Roberts (s. d.) zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte in Südafrika und Lord Kitchener (s. d.) zu seinem Generalstabschef ernannt. Ehe beide Generale eintrafen, erlitt Buller, dessen Streitmacht durch Verstärkungen auf 30.000 Mann und 48 Geschütze gebracht worden war, 24. Jan. 1900 am Spionskop eine schwere Niederlage (2300 Mann tot oder verwundet). Inzwischen waren die britischen Streitkräfte in Südafrika durch Aufgebot der Miliz und Yeomanry auf 150.000 Mann vermehrt worden. Im Februar begann Roberts den sorgfältig vorbereiteten Vormarsch zunächst zum Entsatz Kimberleys. Er umging die Buren am Modderfluss (15. Febr. Entsatz von Kimberley durch die englische Reiterei unter General French) und nahm 27. Febr. das Korps des Burenkommandanten Cronje (4000 Mann) bei Paardeberg gefangen. Der Entsatz von Ladysmith (1. März) war die unmittelbare Folge davon. Bereits 13. März zog Roberts in Bloemfontein ein, worauf der Oranje-Freistaat für eine englische Kolonie (Orange River Colony) erklärt wurde. Die beiden Republiken wandten sich an die britische Regierung mit Friedensanerbietungen, wurden aber schroff abgewiesen; ihre Bitte um Vermittelung bei den anderen Mächten musste abgelehnt werden, da England jede Vermittlung für ausgeschlossen erklärte. Doch sandten die Republiken eine Friedensdeputation nach Europa, dann nach Amerika, jedoch ohne Erfolg.

Nach dem Tod Jouberts (27. März 1900) trat Louis Botha (s. d.) an die Spitze der Transvaalstreitkräfte, die allerdings durch die Kriegsmüdigkeit vieler Buren zusammenschmolzen. Urlaub und Disziplinlosigkeit verminderten die offizielle Kämpferliste der beiden Burenstaaten (gegen 73.000 Mann) ständig immer mehr, so dass selbst in den erfolgreichsten Kriegsmonaten schwerlich mehr als 50.000 Mann (rund 30.000 aus Transvaal und 20.000 aus Oranje) gleichzeitig unter Waffen standen, bis sich Anfang 1902 auch diese Zahl auf 17–20.000 verringerte.

Im Mai drang Roberts von Bloemfontein vor und besetzte 12. Mai Kroonstad; am 17. Mai wurde Mafeking entsetzt und 28. Mai die Annexion des Oranje-Freistaats feierlich wiederholt. Als 31. Mai auch Johannesburg und 5. Juni sogar die Hauptstadt Pretoria von den Engländern ohne Widerstand besetzt wurden, erlahmte der Kampfeseifer der meisten Buren. Krüger und Steijn beharrten aber auf der Fortsetzung des Krieges und zogen sich nach dem Distrikt von Lydenburg zurück. Botha und Christian de Wet (s. d.) brachten den Engländern im kleinen Krieg noch manche Verluste bei. Selbst im Osten des Oranje-Freistaats behaupteten sich Burenscharen und bedrohten dort die Verbindungen der Engländer. Roberts ordnete daraufhin das Niederbrennnen der Farmen an: ein Strafmittel, das wieder nur die Erbitterung der Buren steigerte. Deshalb plante die englische Heeresleitung ein methodisches Einkreisen de Wets; doch durchbrach dieser die ihn einschließenden Divisionen 16. Juli zwischen Bethlehem und Ficksburg und nahm 21. Juli bei Honing-Spruit 100 Royal-Welsh-Füsiliere gefangen. Am 29. Juli ergab sich dagegen Prinsloo mit 4140 Mann und 3 Geschützen bei Fouriesburg, während Kommandant Olivier, der seit Ende März den Widerstand der Oranje-Freistaatler organisiert hatte, 26. Aug. bei Winburg gefangen wurde. Am 17. Aug. entschlüpfte de Wet über den Olifantsnek in die Magaliesberge. Gleichzeitig beunruhigten De La Rey und Lemmer (gefallen 14. Dez. 1901 bei Lichtenburg) erfolgreich die Umgebung von Rustenburg (Fang von 5 Kompanien, 2 Geschützen und einer Schwadron bei Nitralsnek 11. Juli 1900).

Unterdessen ergänzte Roberts in Pretoria seine Truppen und Vorräte; Transport und Verpflegung erforderten andauernd große Umsicht und Mühe. Botha wurde durch die hartnäckige Schlacht bei Dalmanutha (23.–28. Aug.) von einer zehnfachen Übermacht nordwärts gedrängt, organisierte aber bald den Widerstand von neuem (durch die Assistentgenerale De La Rey im Südwesten, Beijers im Nordwesten, Ben Viljoen im Nordosten und Chr. Botha im Südosten Transvaals). Doch 1. Sept. verkündete der englische Oberbefehlshaber auch die Einverleibung der Südafrikanischen Republik (25. Okt. in Pretoria feierlich wiederholt). Am 10. Sept. begab sich Präsident Krüger nach Lourenço Marquez und schiffte sich 20. Okt. auf dem von Königin Wilhelmina zur Verfügung gestellten Kriegsschiff Gelderland nach Europa ein (Ankunft in Marseille 22. Nov.; gest. 14. Juli 1904 zu Clarens in der Schweiz).

Seitdem artete der Südafrikanische Krieg je länger desto mehr in einen hartnäckig geführten Kleinkrieg aus. De Wet, der am 5./6. Nov. 1900 bei Bothaville acht Geschütze in den Händen der Gegner lassen musste, wetzte diese Schlappe zwei Wochen später durch die Überrumpelung von Dewetsdorp wieder aus, versuchte Anfang Dezember vergeblich einen Einbruch in die Kapkolonie und vereinigte, wieder nach Norden durchbrechend, 14. Dez. seine Schar (3000 Mann) bei Senekal mit den noch kämpfenden Oranje-Freistaatlern. Unterdes hatte Lord Roberts den Kriegsschauplatz verlassen und seinem bisherigen Generalstabschef, nunmehrigem Generalleutnant Lord Kitchener, den Oberbefehl übergeben (30. Nov.). Mitte Dezember machten sich nördlich vom Vaal (Sieg des Assistentgenerals De La Rey über Clements 13. Dez. bei Nooitgedacht) und südlich vom Oranje (17.–22. Dez. Einfall von fünf Haufen in die Kapkolonie) neue Bewegungen der Buren bemerkbar. Doch verlief auch dieser zweite Einfall in die Kapkolonie schon im Februar 1901 ebenso nahezu wirkungslos, wie der an sich glänzende Vorstoß Bothas nach Natal im September bis November und das dritte Vordringen von Buren im Oktober bis Dezember in die Kapkolonie. Kleine burische Erfolge konnten daran nicht viel ändern; während Scheepers (kriegsrechtlich erschossen 18. Jan. 1902 in Graaf-Reynet) und Malan in der Nähe von Graaf-Reynet und Maraisburg, Murraysburg und Calvinia die Engländer in Atem hielten, nahm 2. Juni 1901 Kruitzinger die Stadt Jamestown, wurde jedoch 15. Dez. südlich von Colesberg gefangen. Vom 26. Febr. 1901 an befand sich der Sitz der Transvaalregierung in Bothas Hauptquartier zwischen Roos-Senekal und Lydenburg. Hier kam es wegen der schwebenden Friedensverhandlungen, die am 20. Febr. durch eine persönliche Zusammenkunft Kitcheners mit Botha zu Middelburg eingeleitet worden waren, zu Kämpfen erst, als die von England 7. März vorgeschlagenen Bedingungen durch die Burenführer abgelehnt worden waren (22. März). Als dann Anfang April auch Pietersburg, der neue Aufenthaltsort des Vizepräsidenten Schalk Burger, in die Hände der Engländer gefallen war, wurde Leydsdorp im Zoutpansbergbezirk Sitz der Burenregierung. Im Westen verlor De La Rey 22. März durch Babington bei Hartebeestfontein nordöstlich von Ventersdorp 200 Mann und 9 Geschütze, brachte jedoch mit reichlich 4000 Mann 29. Mai dem General Dixon bei Vlakfontein eine schwere Schlappe bei.

Doch der Ring der um vieles überlegenen britischen Heeresmacht (die Gesamtzahl der nach Südafrika geschickten und dort eingestellten Truppen betrug, mit Einschluss der Garnison vom 1. Aug. 1899, bis 31. Mai 1902: 17.559 Offiziere und 430.876 Mann) schloss sich enger und enger um die zerstreut weiterkämpfenden Burenhaufen zusammen. Nachdrücklich unterstützt wurde dieser Druck der Übermacht durch Blockhäuser, die in Zwischenräumen von 600 bis 3000 m die wichtigsten Linien sicherten und durch Stacheldrähte verbanden; selbst die glücklichsten Durchbrüche de Wets, De La Reys, dem noch 7. März 1902 die Gefangennahme Lord Methuens bei Tweebosch glückte, und anderer Eingekreisten kostete stets große Opfer an Pferden, Rindern und Vorräten. So wurde der burische Widerstand müder und mürbe. Am 24. März 1902 trafen Schalk Burger, Vizepräsident von Transvaal, der Staatssekretär Reitz und General Luk. Meyer mit Gefolge in Pretoria ein, um mit Kitchener zu verhandeln; vom 9.–11. April 1902 berieten die verbündeten Regierungen zu Klerksdorp; vom 12.–18. April stimmten die Kommandos zu Pretoria ab, und 15.–31. Mai fassten 60 Volksvertreter zu Vereeniging Beschluss über die von England vorgeschlagenen Friedensbedingungen. Davon war die hauptsächlichste die Unterwerfung der beiden Republiken und ihrer burischen Bevölkerung unter die britische Herrschaft; man beugte sich 31. Mai den Forderungen, da Botha selbst und Vizepräsident Burger dafür eintraten.

Die Kosten des Südafrikanischen Krieges waren namentlich für England (mehr als 4000 Mill. Mk.) außerordentlich hoch. Doch das englische Volk billigte 18. April 1901 und dann wiederholt die Deckungsvorschläge der Regierung (Erhöhung der Einkommensteuer, Anleihe von 1200 Mill. Mk., Einführung eines Zucker- und eines Kohlenausfuhrzolls etc.; vgl. Großbritannien, S. 415). Die englischen Verluste an Toten wurden Anfang 1902, wohl etwas zu hoch, auf 29.536 Offiziere und Mannschaften beziffert; Gefallene und Verstorbene, Verwundete, Kranke und Invaliden betrugen nach einer anderen Statistik insgesamt 61.169 Köpfe, also mehr als ein Siebentel der im ganzen verwendeten Streitkräfte Englands.

Bibliographie

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Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Figuren der Kolonialkriege