Troja

Plan der Ausgrabungen von Troja durch Schliemann und Dörpfeld (Stand von 1906).

Troja (Ilion, Ilios), mythische Hauptstadt des Volkes der Troer in der Landschaft Troas (s. d.), war nach der Sage mit starken Mauern umgeben und wurde durch die feste, hochgelegene Burg Pergamon beschützt, in der sich sämtliche Tempel, vor allen der der Pallas gewidmete Haupttempel, befanden. Nach der gewöhnlichen Annahme wurde Troja 1184 (nach anderen 1127) v. Chr. von den Griechen zerstört (s. Trojanischer Krieg). Die Lage dieses ältesten Homerischen Troja wurde seit Le Chevalier, der 1785–86 die troische Ebene besuchte, auf dem Felsen von Bunarbaschi (144 m ü. M.) gesucht, wo einige aus Feldsteinen aufgeschüttete Hügel als »Grab des Priamos«, »Grab des Hektor« etc. bezeichnet werden. Die dort vorhandenen Mauerreste stammen jedoch nach Schliemann meist erst aus hellenistischer Zeit. Weiter unterhalb macht der Menderes (Skamandros) eine Biegung nach Westnordwest; ihm parallel zieht sich weiter nördlich der Kalafatli-Asmak (das alte Bett des Skamandros) hin. Auf dessen nordöstlichem Ufer erhebt sich eine zweite Anhöhe, die nordwärts zum Tal des Dumbrek-Tschai (des alten Simoeis) abfällt; es ist die Höhe von Hisarlik, 50 m ü. M., 35 m über der Ebene. Hier war zur Zeit, als in Lydien die Mermnaden herrschten (689–546 v. Chr.), also lange nach der Zerstörung Trojas, ein neues äolisches Ilion entstanden, das in der Römerzeit eine gewisse Bedeutung erlangte (Reste eines Athenetempels, eines Torgebäudes, eines Odeons, Plan 4), aber gegenwärtig in Trümmern liegt. Hier suchte Heinrich Schliemann in Übereinstimmung mit der antiken Tradition, der nur der Gelehrte Demetrios von Skepsis (2. Jahrh. v. Chr.) widersprochen hat, auch das Homerische Troja. Seine Hypothese fand sofort die Anerkennung englischer Forscher, die deutschen wiesen sie zunächst zurück, wie z. B. Rudolf Hercher, der noch 1876 in seiner Schrift: »Über die Homerische Ebene von Troja«, behauptete, dass Homers rein dichterische Schilderung durchaus nicht mit der wirklichen Örtlichkeit zu vereinigen sei. Später fand Schliemann auch in Deutschland fast allgemeine Zustimmung.

Durch fortgesetzte, von Heinrich Schliemann seit 1870 bis zu seinem Tode vorgenommene und dann von seiner Witwe unter Wilh. Dörpfelds Leitung bis 1894 weitergeführte Grabungen sind auf der Höhe von Hisarlik nun neun Besiedelungsschichten, die hellenistisch-römische eingeschlossen, nachgewiesen (vgl. den Plan). Der fast ganz freigelegte, etwa 100 m lange und fast ebenso breite Hügel trug in alter Zeit nur die eigentliche Herrscherburg. Bei der zweiten, von einer stattlichen Festungsmauer umgebenen Burg lassen sich mehrere Bauperioden unterscheiden. Zur älteren gehören der Torturm 3 und die noch stattlichere Anlage 6, die einen Hauptzugang zur Burg enthielt. Später wurden diese Tore vermauert, und neue Torgebäude mit doppeltem Verschluss, zu denen man auf Rampen hinaufstieg, führten in das Innere. Zwei solche Anlagen sind rechts und links vom alten Turm 6 erhalten. Auf der von der Mauer umschlossenen Terrasse sind noch zahlreiche Gebäudereste vorhanden, in denen man die einzelnen Gemächer der Herrscherwohnung erkennen darf. Ebenso wie die Ringmauer sind sie im unteren Teil aus kleinen Steinen errichtet, während der obere Teil der Wände aus an der Luft getrockneten Lehmziegeln mit eingezogenen Holzbalken bestand. Unter den Funden dieser zweiten Schicht ist neben den zahlreichen Tongefäßen mit schwarzer oder roter, glänzend polierter Oberfläche besonders der sogen. Große Schatz zu nennen, der unweit des Westtors in der oberen Lehmziegelmauer entdeckt wurde. Er enthält außer vielen Kupfergeräten eine Menge Gefäße (Becher, Schalen) und Schmuckgegenstände (Ketten, Armbänder, Diademe, Ringe) aus Gold und Silber, die eine dem Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. angehörende Kulturstufe kennzeichnen.

Die troischen Funde sind zum größten Teil in das Museum für Völkerkunde zu Berlin, wenige in das Museum zu Konstantinopel oder in Schliemanns Haus zu Athen gelangt. Die Annahme Schliemanns, in dieser Burg den von den Griechen zerstörten Herrschersitz des Priamos gefunden zu haben, musste aufgegeben werden, als man nach seinem Tod in der sechsten Schicht eine viel größere Anlage entdeckte, die durch das Vorkommen von Vasenscherben derselben Art wie in Mykene und Tiryns, der sogen. mykenischen Epoche, d. h. dem griechischen Heroenzeitalter, zugewiesen wird (etwa zweite Hälfte des 2. Jahrtausends).

Die aus gut behauenen Quadern aufgebaute, besonders im Südwesten, Süden und Osten gut erhaltene Ringmauer wird von drei Toren durchbrochen, ein viertes war jedenfalls in dem verschwundenen nördlichen Teile vorhanden. Von den Türmen ist der gewaltige Ostturm 7, der den Hauptbrunnen umschloss, besonders stattlich. Hinter der Umfassungsmauer sind Terrassenmauern und Reste von Gebäuden erhalten, die teilweise vorzügliches Quaderwerk zeigen. Das Terrain dieser Ansiedlung stieg nach der Mitte zu an. Bei der Anlage der hellenistisch-römischen Akropolis wurde der obere Teil abgetragen, und so erklärt es sich, dass die Baureste nur am Rande der Burg hinter der Mauer gefunden wurden. Dass wir in diesen Ruinen den Schauplatz der troischen Abenteuer wiedergewonnen haben, wird kaum jemand mehr bezweifeln.

Aus der reichhaltigen Literatur über Troja vgl. außer den älteren Werken von Le Chevalier (1802), Webb (1844), Forchhammer (1850), Clarke (1863) hauptsächlich die Veröffentlichungen von H. Schliemann (s. d.); Dörpfeld, Troja 1893 (das. 1894) und das abschließende Werk von Dörpfeld und seinen Mitarbeitern: »Troja und Ilion. Ergebnisse der Ausgrabungen 1870–1894« (Athen 1902); ferner »H. Schliemanns Sammlung Trojanischer Altertümer«, beschrieben von H. Schmidt (hrsg. von der Generalverwaltung der königlichen Museen, Berl. 1902, 2 Bde.).

Bibliographie

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Historische Orte