Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen

Anton Ulrich, Herzog von Sachsen-Meiningen, geb. 1687, gest. 23. Jan. 1763 in Frankfurt a. M., Enkel Herzog Ernst’s des Frommen zu Sachsen-Gotha und jüngster Sohn Herzog Bernhards I., der nach den Verträgen vom 9. Febr. 1680 und vom 8. Juni 1681 aus der mit seinen 6 Bründern geteilten gothaischen Erbmasse das Herzogtum Sachsen-Meiningen, damals 12½, später 44,97 Quadratkilometer groß, zu seinem Anteil erhielt und die bis 1918 blühende Linie des Hauses Sachsen-Meiningen gründete. So verständig und wohltätig die Regierung des ersten Regenten dieses Fürstentums war, so traurig wurde für das Ländchen die seiner drei Söhne Ernst Ludwig, Friedrich Wilhelm und Anton Ulrich, von denen die beiden ersten aus seiner ersten, der dritte aus seiner zweiten Ehe stammten. Die erste und nicht geringste Schuld an dieser unglücklichen Periode in der Geschichte des Meininger Landes trug der älteste der drei Brüder. Nach dem Testament, welches ihr vorsichtiger Vater kurz vor seinem Tod (1706) errichtet hatte, sollte das für eine Teilung zu kleine Land von seinen Söhnen in friedlicher Gemeinschaft regiert werden, jedoch diese väterliche Bestimmung entsprach nicht den Wünschen und Zielen des ältesten Sohnes.

Die unbeschränkte Alleinregierung für sich und seine Nachkommen im Auge, schließt derselbe sofort nach dem Tode seines Vaters mit seinen Brüdern einen für ihn günstigen Rezess, worin sie ihm die Regierung in ihrem Namen überlassen. Dies der erste Schritt zu dem, was er anstrebt. Der zweite hat zum Ziel die Einführung der Primogenitur für sich und seine leiblichen Nachkommen und die Ausschließung seines Stiefbruders von jeglichen Regierungsansprüchen. Zur Erreichung seiner Ziele reizen und unterstützen ihn außerdem seine zweite, an hochfürstliche Pracht und Macht gewöhnte Gemahlin, die Willenlosigkeit seines zweiten, die sog. Missheirat seines dritten Bruders und eine gewinnsüchtige Clique von Räten und Hofleuten. Gegen diese Bestrebungen tritt nun Herzog Anton Ulrich auf den Kampfplatz, seine Gerechtsamen mit Geist und Nachdruck verteidigend. Am Schluss der langen Kämpfe ist sein der Sieg, indem eine höhere Fügung seine Brüder und Neffen und all ihr Geplantes vom Schauplatz verdrängt und ihn zum glücklichen Fortpflanzer des Hauses Sachsen-Meiningen macht.

„Mein Ulrich wird die Säule meines Hauses werden“, hatte Herzog Bernhard I. auf seinem Totenbett ausgerufen. In dieser Prophezeihung des frommen Vaters liegt Zeugnis und Freude über die gediegene Entwicklung seines jüngsten Sohnes, der damals 18 Jahre zählt, eine glückliche Jugend verlebt und unter der Leitung charakterfester Männer gründliche Bildung und ernsthafe Gesinnung gewonnen hat. Kurz vor dem Todes seines Vaters hat Anton Ulrich Holland und England besucht, bald darauf unternimmt er eine Reise nach der Schweiz und nach Italien, tritt Ende 1707 in Kriegsdienste und kämpft im Spanischen Erbfolgekrieg als pfalz-neuburgischer Offizier in den Niederlanden, gibt indes bereits 1711 als Generalmajor die kriegerische Laufbahn auf, um sich in Holland mit Philippine Elisabeth Cäsar, der jünsten Tochter des katholischen, hessen-kasselschen Hauptmanns David Cäsar, zu verbinden.

Das einige Jahre bewahrte Geheimnis dieser Ehe bricht er notgedrungen, sobald ihm mehrere Kinder geboren. Er fordert nun von Holland aus seinen vollen gesetzlichen, seither beschnittenen Anteil an den Einkünften des Landes und ungehinderte Rückkehr mit seiner Familie nach Meiningen. Indes nach keiner Seite findet er Erhörung, muss vielmehr vernehmen, dass man seine Rechte antastet und die Kinder seiner Ehe von Hof, Land und Rang ausschließt. Dies zwingt ihn, persönlich in Meiningen für seine Gerechtsamen und für die Ehre seiner Familie einzutreten. Hier aber wird er von seinen Brüdern und deren Räten nicht allein in seinem fürstlichen Rang und Recht beschränkt und geschädigt, sondern auch den empörendsten Kränkungen ausgesetzt. Zugleich muss er erfahren, dass man die ihm ergebenen Beamten zurücksetzt und deren Frauen am Hof degradiert und dass selbst seine Mutter Elisabeth Eleonore, aus dem Hause Braunschweig- Wolfenbüttel, als Dichterin geistlicher Lieder bekannt, sich aus Hass gegen seine Heirat auf die Seite seiner Gegner stellt.

Als er sich hierdurch gleichsam am eigenen Leben angegriffen sieht, wächst seine Entschlossenheit der Selbstverteidigung zur unbeugsamen Stärke. In diesem Kampf steht treu und fest zu ihm mit Rat, Geld und Fürsprache seine älteste Schwester Elisabeth Ernest. Antoinette, Äbtissin von Gandersheim, die in ihrer Jugend als die herrlichste aller Fürstentöchter Deutschlands galt und für Kaiser- und Königskronen ausersehen war. Ihrem Einfluss und seinen beharrlichen energischen Bemühungen gelingt es, dass die von seinem ältesten Bruder (gest. 1724) eingeführte Primogenitur auf dessen Söhne beschränkt, dass seine bürgerliche Gemahlin samt ihren Kindern im Jahre 1727 in den Fürstenstand erhoben, dass ihm die von Sachsen-Gotha angemaßte Mitvormundschaft über seine Neffen zuerkannt und dass seine Mitregierung des Landes sanktioniert wird; dagegen gelingt ihm weder die feindselige Stimmung seiner Mitregenten und deren ungerechte Verwaltung zu beseitigen noch ein friedliches Asyl in seinem Fürstentum zu gewinnen.

Tief schmerzt ihn seine Verdrängung aus seinem Erblande und tief dessen jammervoller Zustand, am tiefsten jedoch kränkt ihn beim Tod seiner Gemahlin die ihrem Leichnam verweigerte Beisetzung im fürstlichen Erbbegräbnis zu Meiningen, selbst tiefer noch als die unmittelbar darauf folgende, durch seine Agnaten bewirkte kaiserliche Entscheidung, welche die Standeserhöhung der Verstorbenen und ihrer Kinder für nichtig erklärt. In diesem bitteren Gefühl behandelt er nach dem Tode seines Bruders Friedrich Wilhelm dessen Leichnam in gleicher Weise, wie dem seiner schuldlosen Gemahling geschehen war.

Im Jahr 1744 wird Anton Ulrich Witwer und 1746 Alleinregent. Durch den Tod seiner Brüder, Neffen und Gattin sind die Familiengegensätze beseitigt. Darum hofft das Land jetzt, wo sein Liebling das alleinige Haupt des Fürstenhauses geworden, auf bessere Tage. Indes Schuttmassen der seitherigen Unordnung, ererbte Prozesse und neue Streitigkeiten, darunter auch der sogenannte Wasunger Krieg, in welchem das Recht auf seiner Seite ist, lähmen vielfach seine edlen Absichten. In der bald folgenden, 1753 durch Vergleich beendeten Fehde mit Sachsen-Saalfeld besetzen 1752 kurfürstlich sächsische und brandenburg-ansbachische Exekutionstruppen das Land. Trotzdem schafft er Ordnung in seinem Land, begründet in ihm bleibende Anstalten und behütet es nach Kräften im Siebenjährigen Krieg.

Seine folgenreichste Tat ist aber, dass er 1750, zwar 63jährig, doch noch vollkräftig, wider Erwarten seiner Agnaten, welche bereits die Teilung seines Erbeigens geplant haben, sich mit Charlotte Amalie von Hessen-Philippstal vermählt und mit ihr acht Kinder zeugt, deren Geburten er auf Pergament seinen Agnaten vermeldet. Mit den Kindern seiner bürgerlichen Gattin ist er gleich seinem Großvater Vater von 18 Kindern, von denen neun ihn überleben, vier aus der ersten Ehe, die unvermählt sterben, und fünf aus der zweiten, darunter zwei Prinzen. Im Januar 1763, kurz vor dem Ende des Siebenjährigen Krieges, stirbt er zu Frankfurt a. M., wo er seit 21 Jahren seine einfache Haushaltung geführt hat. In Meiningen, wohin die fürstliche Witwe als Obervormünderin ihrer noch unmündigen Kinder ihren Sitz verlegt, findet er seine endliche Ruhe neben dem Sarg seiner ersten innig geliebten Gattin.

Anton Ulrich, dessen Charakterbild vielfach von Unkenntnis aber Parteilichkeit verdunkelt und verzerrt worden ist, war Mensch und Fürst aus einem Guss. Durch glückliche Anlagen, gründliche Bildung, sittliche Erziehung, mehrfache Reisen und durch Not und Kampf hatte er sich zu einem selbständigen Charakter herausgearbeitet und die vielseitigen Kenntnisse, selbst in mehreren Gebieten, namentlich außer dem Latein und Altertumskunde in der Geschichte und im Staatsrecht ein tiefes Wissen erworben, so dass er schon in seinem 16. Jahr ein historisches Handbuch ausarbeitete und in seinen späteren Rechtsstreitigkeiten meist selbst die Feder ebenso sachgründlich als formgewandt führte. Wie in geistiger Kultur, sittlichem Feingehalt und festem Rechtssinn, so überragte er auch seine Brüder bei weitem in physischer Kraft, die er bis ins hohe Alter gleich elastisch bewahrte. Auf diesen Grundlagen ruhte auch sein Lebensmut und die Energie seines Ringens um sein Fürstenrecht, zugleich aber auch seine Existenzwürdigkeit.

Für sich war er höchst sparsam und bürgerlich einfach, dagegen für Kunst und Wissenschaft und für die Ehre seiner Familie fürstlich freigiebig; im Umgang Achtung gebietend und über Standesvorurteile erhaben, als Christ zwar freisinnig, doch dem evangelischen Glauben treu und als deutscher Fürst echt patriotisch. All diese trefflichen Eigenschaften wurden indes dadurch getrübt, dass sein fester Wille öfters in eiserne Unabhängigkeit überging, wodurch er sich mehrfache Verlegenheiten und seinem Lande manche Unruhen und Unkosten verursachte. Trotzdem hing das Volk an ihm mit warmer Liebe. Anton begünstigte die Entfaltung der Industrie im Land und wurde so dessen Wohltäter dadurch, dass er viele gewerbliche Keime im Land pflanzte, die später Tausende von Händen beschäftigten.

Was Anton Ulrich zum Besten seines Landes anstrebte, aber unausgeführt lassen musste, vollbrachten seine Nachkommen. Von seinen beiden hinterlassenen Söhnen starb der edle Herzog Karl nach kurzer Regierung, dagegen verewigte sich Herzog Georg I. (gest. 1803) durch sein kräftiges Wirken für die materielle Wohlfahrt des Volkes. Und gleich dauernde Denkmale bauten sich Herzog Bernhard II., der Sohn, und der spätere regierende Herzog Georg II., der Enkel Georgs I., jener in 45jähriger reichsgesegneter Regierung durch Gesetzgebung und durch Hebung der geistigen Kultur, dieser durch edles Walten, hohe Kunstsinnigkeit, kriegerischen Geist und deutschen Patriotismus.

Bibliographie

Quelle: Georg Brückner

Figuren des Wasunger Krieges