Osmanisches Reich, 1299–1923

Osmanisches Reich, 1299–1923.

Das türkische oder osmanische Reich (türk. Memâlik-i Osmanije, »die osmanischen Länder«, oder Devlet-i Alije, »das hohe Reich«) umfasste die gesamte Ländermasse, die in Europa, Asien und Afrika unter der Herrschaft des Sultans (Padischah) in Konstantinopel stand, d. h. Teile der Balkanhalbinsel, den westlichsten Teil Vorderasiens (Asiatische Türkei, s. unten) sowie den Nordosten von Afrika (Tributärstaat Ägypten und als unmittelbaren Besitz Tripolitanien, Barka und Fezzan; vgl. diese Artikel). Es waren teils unmittelbare Besitzungen, teils tributäre oder unter fremder Verwaltung stehende Staaten; letztere gehörten nur äußerlich zur Türkei, waren tatsächlich selbständig (Bulgarien mit Ostrumelien, Samos, Kreta) oder von Österreich-Ungarn (Bosnien und Herzegowina) und England (Zypern, Ägypten) besetzt. Große Strecken Landes in Albanien, Kleinasien und Kurdistan waren faktisch der Türkenherrschaft gänzlich entzogen; die Grenzen des Reiches standen besonders gegen das unabhängige Arabien und Afrika hin nicht fest. Deswegen und wegen des Fehlens jeder brauchbaren offiziellen Statistik sind die Angaben über Grenzen, Areal und Bevölkerung nur annähernd richtig und unterliegen großen Schwankungen. Das ganze Türkische Reich war in 30 Provinzen oder Vilâyets, davon 7 in Europa, und 6 Mutesarrifliks, davon 1 in Europa, geteilt.

Die europäische Türkei

Die europäische Türkei umfasste etwa ein Drittel der unter türkischer Oberhoheit verbliebenen Balkanhalbinsel, wo sie den größeren westlichen Teil (Albanien, Mazedonien) und einen schmäleren Streifen der Osthälfte längs des Ägäischen Meeres (Thrakien) einnahm. Sie lag zwischen 39 und 43½° nördlicher Breite und grenzte im Norden an Bulgarien und Serbien, im Nordwesten an Bosnien und Montenegro, im Westen an das Adriatische und Ionische Meer, im Süden an Griechenland, das Ägäische und Marmarameer, im Osten an das Schwarze Meer.

Bodenbeschaffenheit

Wie die ganze Balkanhalbinsel ist auch die europäische Türkei überwiegend Gebirgsland und wird größtenteils von verschieden streichenden Gebirgssystemen erfüllt; es lassen sich drei Hauptrichtungen unterscheiden, zwischen denen sich größere und kleinere Becken ausbreiten, die aber nur einen geringen Raum des Gesamtareals einnehmen, z. B. Amselfeld (Kosovo Polje), Becken von Sofia, Janina, Flussniederungen der Maritza, Tundscha, des Wardar (Kampania) und die Küstenebenen der Flüsse. Diese Becken sind mit ihrem fruchtbaren Boden die Kultur- und Siedelungsmittelpunkte des Landes und werden durch gemeinsame Flüsse verbunden, deren Täler bequeme Verkehrsstraßen darstellen, z. B. Morava-Maritzatal mit der Eisenbahn Belgrad-Konstantinopel, Morava-Wardartal mit der Eisenbahn Belgrad-Saloniki, Beckenreihe der Dessaretischen Seen mit der Via Egnatia und der Eisenbahn Monastir-Saloniki. Durch den Wechsel von Gebirgssystemen und Ketten erhält die Balkanhalbinsel eine sogen. Gitterstruktur. Das Faltengebirgssystem des Hämos erstreckt sich vom Tal des Timok an als Hämos im engeren Sinn oder Balkan (s. d.) in westöstlicher Richtung bis zum Kap Emine am Schwarzen Meer. Es bildet die Wasserscheide zwischen Donau und Ägäischem Meer. Vom Schar Dagh (s. d., Ljuboten 2510 m) zieht sich eine zweite Hauptmasse, das serbisch-mazedonische Schollenland, auch thrakische Masse oder Rhodopemassiv genannt, durch die mittlere und östliche Balkanhalbinsel. Sie enthält als höchste Erhebung den Mussala (2930 m) im Rilogebirge des Rhodopesystems. Die dritte Hauptrichtung vertritt das illyrische oder dinarische System von Faltengebirgen, die unter verschiedenen Namen (Dinara, Albanesische Alpen, Grammos, Pindos) meist in der Richtung von Nordwesten nach Südosten, also dem Apennin parallel, laufen und die ganze Westfront der Balkanhalbinsel begleiten. Albanien (s. d.) wird in seinem östlichen Teil von zusammenhängenden, nach Süden und Südosten streichenden Hochgebirgsketten durchzogen: den nördlichen Fortsetzungen des griechischen Pindos (Smolika 2575 m) und dem Peristeri östlich vom Presbasee (2359 m) bis hinauf zu den Albanesischen Alpen (Bjeschka Nemuna, Prokletijà, 2300 m) längs der Südostgrenze Montenegros. Das Land zwischen dem Adriatischen und Ionischen Meer einerseits und jenen Gebirgen anderseits enthält an den Mündungen der Flüsse ausgedehnte, vielfach versumpfte und von Strandseen erfüllte, fieberreiche Alluvialebenen, die durch Gebirgszüge getrennt werden.

Zu Thrakien gehört die das Zentrum der europäischen Türkei bildende, auf allen Seiten von niedrigeren und höheren Gebirgszügen umgebene gewaltige Syenitmasse des Witoscha (2290 m, s. d.) südlich von Sofia auf bulgarischem Gebiet. Zwischen Mesta (dem alten Nestos) und Maritza erhebt sich das Rhodopegebirge (s. d.) mit dem Rilogebirge (s. oben) und Pirin Dagh. Es umfasst eine Reihe von Nordwesten nach Südosten verlaufender Bergzüge, zwischen denen sich Längstäler hinziehen. Zwischen Balkan und Rhodope liegen Mittelgebirgszüge, dem ersteren parallel streichend und das Tundschatal mit seinen Rosenfeldern im Süden begrenzend, wie Sredna Gora und Crnena Gora oder Karadscha-Dagh, und ausgedehnte Ebenen am Oberlauf der Maritza und an ihren Nebenflüssen, während den Ostrand der thrakischen Masse am Schwarzen Meer der Istrandža-Dagh begleitet. Mazedonien (s. d.) wird durch den dem Rhodopegebirge parallelen Pirin Dagh (2681 m) von Thrakien, durch die Pindoskette von Epirus geschieden. Ein Anhängsel bildet die Chalkidiki mit ihren drei langgestreckten Halbinseln und dem heiligen Berg Athos. Von Thessalien (s. d.) ist nur der nördlichste gebirgige Teil mit dem Olympos (2985 m) beim türkischen Reich verblieben, der fruchtbare Süden aber 1881 an Hellas abgetreten worden.

An schiffbaren Flüssen ist die europäische Türkei sehr arm; nur Maritza und Wardar sind für flache Kähne benutzbar. Die übrigen bedeutenderen Flüsse sind im Gebiet des Schwarzen Meeres: der Kamtschyk, der in Bulgarien zwischen Warna und Misiwria mündet; im Gebiet des Ägäischen Meeres: die Maritza mit Arda, Tundscha und Ergene, in den Meerbusen von Enos mündend, Karasu (Mesta), Struma (Strymon, türk. Karasu), den Tachynosee durchfließend und in den Busen von Orfani mündend, Wardar und Wistritza, in den Meerbusen von Saloniki mündend; im Gebiet des Ionischen Meeres: Arta (Arachthos), in den Meerbusen von Arta mündend, und Kalamas; im Gebiete des Adriatischen Meeres: Viosa, Semeni, Schkumbi, Mati, Drin und Narenta. Die bedeutendsten Landseen sind die von Skutari, Ochrida, Janina, der Prespa- und Ventroksee in Albanien, die Seen von Kastoria, Ostrowo, Doiran, Beschik- und Tachynosee in Mazedonien. Vgl. Cvijic, Die Seen Mazedoniens, Altserbiens und von Epirus, 10 Karten (Belgrad 1902).

Geologische Beschaffenheit

Während im Westen der europäischen Türkei die Ketten der Dinarischen Alpen ein etwa der Küste und dem orographischen Streichen paralleles Schichtenstreichen erkennen lassen und durch ganz Albanien und Epirus hindurch, zumal in der Pindoskette, eocäne Ablagerungen (Plattenkalke und Hornsteine sowie Flyschschiefer und Sandsteine, auch Nummulitenkalke mit untergeordneten Einlagerungen von Serpentin) herrschen, also ein auffallend einförmiger Bau gegenüber den Dinarischen Alpen in Bosnien und der Herzegowina sich geltend macht, besitzen in dem umfangreichen östlichen Teil des Landes die mannigfach gegliederten Schichtensysteme, häufig entgegen dem orographischen Streichen, eine im allgemeinen westöstliche Streichrichtung. Im Balkan (s. d.) bilden Gneise, Glimmerschiefer und Stöcke von Granit, Diorit und Syenit den eigentlichen Kern. An dieselben legen sich mantelartig paläozoische Schiefer und in größerer Verbreitung der Trias zugehörige Konglomerate, Sandsteine und Kalksteine, besonders aber Sandsteine der Kreide. Das Rhodopegebirge, die Witoscha und der Rilo-Dagh südlich vom Balkan bilden das eigentliche alte Festland der Balkanhalbinsel. Es sind granitische und syenitische Massen, auf die sich, das Land zwischen dem Balkan und dem Ägäischen Meer, zwischen dem Schwarzen Meer und Albanien erfüllend, Gneise und Glimmerschiefer mit Marmoreinlagerungen im Süden und lokal rote Sandsteine und triasische Kalke auflagern. Andesit und Trachyt haben sich nach der Aufrichtung des Balkans über die älteren Gesteine ergossen und bedecken weithin den Nordabhang der Witoscha und große Teile des Rhodopegebirges südlich von Philippopel und westlich und südlich von Adrianopel sowie an der Küste von Konstantinopel und Warna; auch die Inseln Imbro, Limni und Tenedo westlich vor den Dardanellen sind trachytischer Natur. Eocäne Nummulitenkalke und Flysch sind sehr verbreitet am nördlichen Abhang des Balkans in der Umgegend von Warna, dann aber auch im östlichen Rumelien, so bei Chasköi, Papasby und Tschirpan im oberen Maritzatal (zwischen der Rhodope und dem Balkan), ferner südlich von Adrianopel bis zum Ägäischen Meer, zwischen Adrianopel und Konstantinopel und an der Küste des Schwarzen Meeres zwischen Konstantinopel und Midia. Auch neogenes Tertiär, zum Teil mit Braunkohlen (bei Cirkra und Radomir in Rumelien), ist in Rumelien und in den Küstenländern entwickelt. Mediterrane Bildungen finden sich bei Plewna, sonst aber nirgends mehr im östlichen Teil der Balkanhalbinsel südlich der Donau; dafür haben die sarmatischen Schichten eine große Ausdehnung vom Balkan bis zu der Halbinsel Chalkidiki und nach Thessalien hinein. Die weiten Talbecken in Rumelien und Bulgarien sind von jüngeren diluvialen und alluvialen Schuttmassen ausgefüllt; auch lößartige Gebilde sind hier und da beobachtet. Spuren diluvialer Vereisung sind in Form von Moränen vom Schar Dagh in Albanien und vom Rilo Dagh (Rhodopegebirge) bekannt geworden.

Klima

Die europäische Türkei gehört dem mediterranen Klimagebiete mit subtropischen Regen und Dürre im Sommer an. Die Temperatur ist infolge der vorherrschend gebirgigen Beschaffenheit des Landes sehr wechselnd und wegen der rauhen Nordostwinde kälter als unter gleicher Breite Italien und Spanien. Mittlere Jahresextreme in Konstantinopel 33° und -4°, Saloniki 36° und -6°, Janina 36° und -8°, Prisren (Albanien) 35° und -14°. Der Balkan bildet eine sehr merkliche Wetterscheide, denn während in den nördlichen Gebieten bei regenreicheren Sommern die Winter ziemlich schneereich sind und außerordentlich tiefe Temperaturen vorkommen, ist im Süden der Winter mild und der Sommer trocken und oft drückend heiß. Die kalten Nordwinde bringen für die Gegenden am Bosporus Schneestürme, dagegen kennt man in den Küstenländern des Ägäischen Meeres und auf den Inseln winterliche Witterung nur auf den Gebirgshöhen. Die Niederschläge nehmen, soweit die spärlichen Beobachtungen erkennen lassen, landeinwärts rasch zu. Es fallen jährlich in Konstantinopel 73, Saloniki 40, Vlora 114, Durrës 107, Shkodra (Albanien) 157, Pljevlja 75, Skopje 52 cm. Konstantinopel hat durchschnittlich 96 Niederschlagstage, davon 18 mit Schnee.

Pflanzenwelt

Die Flora der bosnisch-herzegowinischen Gebirge und des Balkans schließt sich zunächst an die alpine Gebirgszone Siebenbürgens an. Dagegen sind die niedriger gelegenen Teile der westlichen Hämushalbinsel sowie Thrakiens und Rumeliens mit Bestandteilen der mitteleuropäischen Waldflora, mit zahlreichen mediterranen Elementen und mit Ausstrahlungen des pontischen Steppengebietes besiedelt. Der allgemeine Charakter wird durch Silberlinden (Tilia argentea), Eichenarten und Nadelhölzer, wie Pinus Omorica in Serbien, Pinus Peuce in Bosnien, Bulgarien und Mazedonien u. a., am besten bezeichnet; auch treten Ostrya carpinifolia, Rhus cotinus, Syringa und Acer tataricum häufig auf. Die Flora Bulgariens besteht zur größeren Hälfte aus Arten, die auch im südöstlichen und mittleren Deutschland vorkommen, ebenso verhält es sich mit den alpinen Pflanzen; unter den Glazialpflanzen Rumeliens scheinen jedoch charakteristische Typen, wie Dryas, Gnaphalium, Leontopodium (Edelweiß), Silene acaulis u. a., zu fehlen. Während die durch ihre Wein- und Rosenkultur berühmten Südabhänge des Ostbalkans meist bis zu den Gipfelhöhen mit Laubwald bekleidet sind, ist der Südabfall des Zentralbalkans größtenteils kahl, Nadelholzbestände finden sich auf der Südseite selten. Auf der Nordseite steht fast überall Laubwald, der in den oberen Talabschnitten in Nadelholzwald übergeht. Vom Ägäischen Meer nach dem Rhodopegebirge aufwärts durchkreuzt man zunächst eine mediterrane Zone mit lichten Wäldern von Quercus Aegilops und Hainen uralter Platanen sowie immergrünen Macchien; höher hinauf ist der Südzug des Rhodopegebirges mit einem Mischwald von Eichen-, Ahorn- und Carpinus-Arten bedeckt; über 640 m erscheint die Buche und geht bis zu den Gebirgsgipfeln hinauf; neben ihr treten Nadelholzbestände nur vereinzelt auf. Der Nordzug des Rhodopegebirges wird bis zu 640 m mit Wäldern von Eichen, Carpinus, Silberlinden u. a. bekleidet, dann folgt ein Buchengürtel mit eingesprengten Beständen von Pinus laricio und silvestris. Reine Nadelholzwälder beginnen bei 1020 m und erreichen bei 1900 m ihre obere Grenze. In dieser Region treten viele Formen der mitteleuropäischen Gebirge neben rein südöstlichen Typen auf. Der Krummholzgürtel des Rhodopegebirges geht schnell in alpine Trift- und Felsformationen über. Die Mediterranflora ist an der mazedonischen Küste weit über die Vorgebirge von Chalkidiki ausgebreitet, aber auch hier mit zahlreichen Elementen der Steppenflora durchmischt.

Entsprechend dem geringen Kulturzustand des Landes zeigt die Tierwelt noch einen recht ursprünglichen Zustand oder hat sich diesem mit dem Rückgang der Kultur wieder genähert. Die größeren Raubtiere sind noch ziemlich verbreitet; so der Bär an der Rila, Witoscha, in Albanien, im Balkan, ebenso der Wolf und der Luchs, letzterer minder häufig. Die höheren Gebirge werden von der Gemse bewohnt; die Waldgebiete beherbergen Rot- und Schwarzwild, letzteres besonders in den sumpfigen Ländereien der albanischen Küste. Die einheimische Vogelwelt hat ein ausgesprochen mittelländisches Gepräge; von den nordischen Zugvögeln überwintert ein Teil auf der Balkanhalbinsel; der Königsadler lebt noch häufig in den Gebirgen; die Beutelmeise nistet kolonieweise auf den Bäumen. Reich ist die Tierwelt an Reptilien, die zum Teil diesem Gebiet eigentümlich sind; die griechische Schildkröte ist Ausfuhrartikel, die Leopardnatter wird als Haustier zum Fangen der Mäuse gehalten. Die Amphibien treten sehr zurück und sind nur durch die auch bei uns vorkommenden häufigsten Formen vertreten. Die Gewässer sind fischreich, die uralte Thunfischerei und der Makrelenfang am Bosporus blühen noch heute, ebenso die Aalfischerei an der Küste von Albanien. Die Molluskenfauna gehört der sogen. levantinischen Provinz der mediterranen Subregion an.

Areal und Bevölkerung

Über Areal und Bevölkerungsziffern von Bosnien und Herzegowina, Bulgarien und Ostrumelien s. unter diesen Ländernamen. Die »Inseln des Weißen Meeres« werden als Insel-Vilâyet offiziell zu Asien gerechnet. Die erste teilweise Volkszählung im osmanischen Reich fand 1830–31 statt. der seitdem mehrere gefolgt sind. Auf sie ist aber aus verschiedenen Gründen wenig Gewicht zu legen. Die unmittelbaren europäischen Besitzungen des türkischen Reiches in Europa umfassen folgende Vilâyets etc.:

Vilâyet Fläche in km² Einwohner Einw./km²
Konstantinopel 3900 1.203.000 308
Tschataldscha (Mutesarriflik) 1900 60.000 32
Adrianopel (Edirne) 38.400 1.028.200 27
Saloniki (Selanik) 35.000 1.130.800 33
Monastir (mit Sandschak Sersidsche) 28.500 848.900 29
Kosovo (mit Novi Pazar) 32.900 1.038.100 31
Shkodra (Skutari) 10.800 294.100 28
Ioannina (Janina) 17.900 527.100 30
Thasos 393 12.140 31
Zusammen 169.693 6.142.340 36
I. Unmittelbarer Besitz in Europa 169.693 6.142.340 36
in Asien 1.766.800 16.898.700 10
in Afrika 1.051.000 1.000.000 1
Zusammen 2.987.493 24.041.040 8
II. Mittelbarer Besitz; Tributäre Staaten
und unter fremder Verwaltung
1.160.835 15.763.903 14
Zusammen I. und II. 4.148.328 39.804.943 9

Die türkischen Städte tragen sämtlich ein orientalisches Gepräge, und es gibt wegen der überwiegend landwirtschaftlichen Beschäftigung der Bewohner nur wenige Großstädte. Die einzige Millionenstadt ist Konstantinopel. Über 100.000 Einwohner zählen Saloniki und in der asiatischen Türkei Smyrna, Damaskus, Aleppo, Beirut und Bagdad, über 50.000 Einw. in der europäischen Türkei noch Adrianopel und Monastir.

Durch die Vielgestaltigkeit der Oberfläche ist die politische und ethnographische Zersplitterung der Balkanhalbinsel bedingt, deren Bewohner das bunteste Völkergemisch Europas bilden. Heftigster Nationalitätenstreit und rücksichtsloseste Propaganda herrschen zwischen den einzelnen unter sich und gegen die türkische Herrschaft feindlich gesinnten Nationen (orientalische Frage, mazedonische Frage), so dass die Türkei nur mühsam und durch die europäischen Mächte gedrängt ihre Herrschaft zu behaupten vermag. Aus diesen Gründen ist auch die Nationalitätenstatistik tendenziös gefärbt, und nur über die räumliche Verteilung der Nationalitäten sind wir einigermaßen unterrichtet. Der herrschende Stamm der osmanischen Türken (1 Mill.) sitzt auf der Balkanhalbinsel, von Konstantinopel abgesehen, nirgends in größerer Masse, sondern nur inselartig zerstreut, meist in der Nähe größerer Städte. Den Westen des noch unmittelbar türkischen Gebietes nehmen Albaner (2 Mill.) ein, von den Grenzen Montenegros und Serbiens an bis in den Peloponnes und vom Adriatischen Meer östlich bis etwa zum 21.° östlicher Länge. In Epirus wohnen sie mit Griechen gemischt, die den Süden von Epirus und Mazedonien, die Chalkidiki und viele Küstenpunkte und Inseln des Ägäischen und des Schwarzen Meeres innehaben. Bulgarien, Ostrumelien und das nördliche Mazedonien und westliche Thrakien bewohnen in kompakter Masse Bulgaren, den Nordwesten (Altserbien, wie die nicht mehr türkischen Länder Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro) die Serben. Muslimische Bulgaren sind die im Rhodopegebirge wohnenden Pomaken. Im Pindos (Grenze zwischen Epirus und Thessalien) sitzen Aromunen (Walachen oder Kutzowlachen), im nördlichen Mazedonien Serben. Vgl. v. Mach, Beiträge zur Ethnographie der Balkanhalbinsel in »Geographische Mitteilungen«, 1899 (mit Karten).

Türken aus Saloniki und Albaner aus Ioannina (Janina).

Die Osmanen (Osmanli), das herrschende Volk, obwohl sie keineswegs die Mehrzahl bilden, sind ein Turkvolk (s. Türken), ein schöner Menschenschlag mit edlen Gesichtszügen. Ihre hervorstechenden Nationalzüge sind: Ernst und Würde im Benehmen, Mäßigkeit, Gastfreiheit, Redlichkeit, Tapferkeit, anderseits Herrschsucht, übertriebener Nationalstolz, religiöser Fanatismus und Fatalismus. Trotz körperlicher und geistiger Befähigung sind sie in der Kultur hinter den meisten europäischen Völkern zurückgeblieben und haben nur langsam und mit Widerstreben der abendländischen Zivilisation Eingang gestattet. Die Ehe ist eine durch zahlreiche Bestimmungen geregelte Polygamie. Die Frauen der Reichen, auf die sich die Polygamie beschränkt, leben in Harems eingeschlossen. Die einfachen Osmanen haben selten mehr als eine Frau. Die Wohnungen sind unansehnlich und schmucklos, meist von Holz und einstöckig; sie haben im Innern einen viereckigen Hof, nach dem die Fenster gehen, während nach der Straße zu nur einige Gitterfenster vorhanden sind. Bei den Beamten und Vornehmeren ist die Nationaltracht durch den fränkischen schwarzen Rock verdrängt worden. Die Osmanen sind die Inhaber der Zivil- und Militärstellen oder treiben Gewerbe, Ackerbau besonders in Kleinasien.

Religionsverhältnisse

Die Hauptreligionen in der Türkei sind die islamische und die griechisch-orthodoxe. Zu jener, zum Islam, bekennen sich die Bewohner osmanischen Stammes sowie die Nachkommen derjenigen früheren Bewohner (Slawen, Griechen, Albaner), die nach ihrer Unterwerfung diesen Glauben angenommen haben, und die vereinzelten Gruppen neuerer Renegaten. Die Bekenner des Islams heißen Muslime. Ihre Heilige Schrift und ihr Gesetzbuch ist der Koran (s. d.). Die Adepten des Koranstudiums, das sowohl zu juristischen als kirchlichen Ämtern befähigt (denn einen Unterschied zwischen Staat und Kirche kennt der Islam nicht), sind die Ulama (»Gelehrte«). Der Alim tritt, wenn er, 10–12 Jahre alt, die Elementarschule verlassen hat, in eine der mit den großen Moscheen verbundenen Medressen (Seminare), in der er als Softa Unterricht in der Grammatik, Logik, Moral, Rhetorik, Philosophie, Theologie, Rechtsgelehrsamkeit, im Koran und in der Sunna erhält. Er empfängt dann vom Scheich ul Islam das Diplom als Kandidat (Mulasim) und kann, dadurch zur untersten Stufe der Ulama erhoben, Richter (Kadi) werden. Will er aber zu den höchsten Würden gelangen, so muss er noch sieben Jahre auf das Studium der Rechtsgelehrsamkeit, Dogmatik etc. verwenden, worauf er zum Grad eines Muderris befördert wird. Die Gotteshäuser, in denen am Freitag Gottesdienst abgehalten wird, heißen Moscheen (Dschami). Die Geistlichkeit teilt sich in fünf Klassen: die Scheich (»Älteste«), die ordentlichen Prediger der Moscheen, die alle Freitage nach dem Mittagsgottesdienst über moralische und dogmatische Gegenstände Vorträge halten; die Cha-tib, die alle Freitage in den großen Moscheen das Gebet für den Sultan verrichten; die Imame, denen der gewöhnliche Dienst in den Moscheen, die Trauungs- und Begräbniszeremonien obliegen; die Muezzin, die von den Minaretts die Stunden des Gebetes verkündigen; die Kaim, Wächter und Diener der Moscheen, die nebst den zwei vorhergehenden Klassen nicht zu den Ulama gehören. Wenn die Ulama gewissermaßen die Weltgeistlichkeit repräsentieren, können die Orden der Derwische als Ordensgeistlichkeit bezeichnet werden.

Die griechisch-orthodoxe Kirche der Türkei hat ihre Verfassung von 857, insoweit dies unter der Herrschaft der Muslime möglich war, treu bewahrt. Die Würden der Patriarchen zu Konstantinopel, Jerusalem und Antiochia bestehen noch. Das höchste Ansehen besitzt der Patriarch von Konstantinopel. Ihm zur Seite steht für religiöse Angelegenheiten die Heilige Synode und für Verwaltungsangelegenheiten ein Nationalrat. Die Mönche und Nonnen folgen der Regel des heil. Basilius; die berühmtesten Klöster sind die auf dem Berg Athos (s. d.) in Mazedonien. Die armenisch-christliche Kirche steht unter den vier Patriarchen zu Konstantinopel, Sis, Achtamar und Jerusalem. Die römisch-katholische Kirche zählt in der Türkei 9 Erzbischöfe, Patriarchen und Bischöfe, von denen 3 auf die europäische Türkei kommen. Die Juden haben in Konstantinopel einen Großrabbiner (Chacham Baschi). Alle nicht zum Islam sich bekennenden Bewohner der Türkei werden unter dem Namen Rajah (Volk, Herde) zusammengefasst, obwohl diese Bezeichnung durch eine Verfügung des Sultans Medschid offiziell abgeschafft worden ist. Der Islam duldet die christliche und die jüdische Religion neben sich. Man schätzt die Muslime der europäischen Türkei auf 50 Prozent, die Griechisch-Orthodoxen auf 40,4 Prozent, die Katholiken auf 4,6 Prozent und die Juden auf 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Bildung

Der nationale Wettstreit der Balkanvölker wird hauptsächlich auf dem Gebiet der Kirche und Schule ausgefochten. Das griechische Schulwesen ist das älteste und am besten eingerichtete. Ihm treten in Mazedonien und Thrakien bulgarische, daneben auch serbische und neuerdings rumänische Schulen entgegen. Dagegen stehen die türkischen, d. h. die für Muslime bestimmten Schulen auf niedriger Stufe. Sie zerfallen in: 1) Elementarschulen, deren notdürftig gelehrte Unterrichtsgegenstände Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion und Türkisch sind, und die von allen muslimischen Kindern, die das Alter von sechs Jahren erreicht haben, besucht werden; 2) die Ruschdijeschulen, eine Art Mittel- oder Realschulen für Knaben und Mädchen mit den Lehrgegenständen Türkisch, Arabisch, Persisch, Geschichte, Geographie, Arithmetik und Geometrie; 3) die höheren Schulen, wie das kaiserliche Lyzeum von Galatasaray, die Verwaltungs-, Rechts-, Kunst-, Forst- und Bergwerksschule, die kaiserliche Universität, die Kriegs- und Marine-, die Artillerie- und Ingenieurschule. zwei medizinische Schulen, die Kadettenanstalten. In den größeren Küstenplätzen finden sich auch europäische, meist von katholischen Geistlichen geleitete Schulen.

Erwerbszweige

Den Vorschriften des Korans gemäß beansprucht in der Türkei der Staatsschatz das Obereigentumsrecht alles Grundes und Bodens. Bei der Eroberung eines Territoriums teilte der Sultan letzteres in drei Teile, von denen einer dem Staat, einer den Moscheen und religiösen Stiftungen (Wakuf) und ein dritter der Benutzung der Privaten überlassen ward. Zu den Staatsdomänen gehören: 1) Miri, d. h. Güter, deren Einkünfte in den Staatsschatz fließen; 2) unbewohnte oder unbebaute Landstriche; 3) die Privatdomänen des Sultans und seiner Familie; 4) verwirkte oder verfallene Ländereien; 5) Länder, die den Wesirämtern, Paschas zweiten Ranges, Ministern und Palastbeamten zugewiesen sind. Die Wakufgüter gehören Moscheen, religiösen Instituten und wohltätigen Stiftungen, die von einem besonderen Ministerium (Evkaf) verwaltet werden; es sind teils Grund und Boden oder dessen Ertrag, teils Privatpersonen gehöriges, aber mit einer Abgabe belastetes Land. Erst seit 18. Juni 1867 können Fremde Grund und Boden in der Türkei erwerben.

Wirtschaftlich ist die gesamte Balkanhalbinsel ein Gebiet landwirtschaftlicher Rohproduktion, die aber noch sehr unvollkommen ausgeübt und wegen der herrschenden Misswirtschaft und mangelnden Verkehrswege noch verhältnismäßig wenig bedeutend ist. Die Landwirtschaft, insbes. der Ackerbau, steht noch auf tiefer Stufe, obwohl sie die Hauptbeschäftigung ist. Man baut wegen der unredlich gehandhabten, drückenden Besteuerung meist nur das Notwendigste an, so dass ein großer Teil des kulturfähigen Bodens brach liegt. Die Ländereien bleiben in der Regel ein Jahr in der Brache und werden höchstens durch darauf getriebenes Vieh gedüngt. Die Hauptgetreidearten sind: Weizen, Gerste, Roggen, Hafer und Mais, welch letzterer die hauptsächlichste Brotfrucht ist. In dem guten Erntejahr 1905 wurde die Getreideproduktion in der europäischen Türkei geschätzt auf: 800.000 t Weizen, 600.000 t Mais, 350.000 t Gerste, 350.000 t Roggen und 250.000 t Hafer (in der asiatischen Türkei auf 1 Mill. t Weizen, 650.000 t Mais, 600.000 t Gerste, 200.000 t Roggen und 300.000 t Hafer). Die Kornkammern der europäischen Türkei sind die Ebenen Thrakiens und Mazedoniens. Von Hülsenfrüchten werden vornehmlich Bohnen, Erbsen und Linsen gebaut; die verbreitetsten Gemüse sind: Zwiebeln, Knoblauch, Kohl und Gurken. Als sonstige Gartengewächse sind zu nennen: spanischer Pfeffer, die Eierpflanze, Melonen, Kürbisse etc. Nicht unbedeutend ist der Obstbau. Besonders werden Pflaumenbäume gezogen, deren Früchte gedörrt ein bedeutender Ausfuhrartikel sind oder zur Branntweinfabrikation (s. Sliwowitz) dienen. Außerdem finden sich Kirsch-, Apfel-, Birn-, Aprikosen-, Quitten-, Nuss- und Mandelbäume an den Küsten. Das Mittelmeerklima begünstigt den Anbau subtropischer Gewächse, wie Oliven, Feigen, Agrumen, Baumwolle, Reis (dieser besonders im Maritza- und Wardarbecken). Sesam wird als Ölpflanze in den Ebenen Thrakiens, im südlichen Mazedonien sowie in einzelnen Gegenden von Epirus gebaut und besonders aus Saloniki ausgeführt. Die Kultur des Weinstocks ist überall verbreitet und hat wie die Weinausfuhr seit der Verwüstung der französischen Weinberge durch die Reblaus bedeutende Fortschritte gemacht. Von Gespinstpflanzen sind Hanf, Lein und Baumwolle, letztere besonders in Mazedonien, hervorzuheben. Tabak wird in Menge gebaut (jährlich 15–18 Mill. kg), der beste in Mazedonien; 1883 wurde die Tabaksregie eingeführt und einem Bankkonsortium auf 30 Jahre übertragen. Ein Teil wird im Inland verbraucht, der bei weitem größere nach Russland, England, Österreich ausgeführt. Von Farbepflanzen ist Krapp die verbreitetste.

Die Forstwirtschaft steht noch auf sehr niedriger Stufe; die Waldverwüstung ist ungeheuer. Einzelne Provinzen sind stellenweise noch mit dichten Waldungen bedeckt, während es in anderen an Holz fast gänzlich mangelt. Die Eichenwaldungen liefern zur Ausfuhr große Mengen von Knoppern (Valonen). Eine Haupterwerbsquelle der Landbewohner der europäischen Türkei ist die Viehzucht. Die türkischen Pferde, klein, aber ausdauernd, dienen hauptsächlich zum Reiten und Lasttragen; die Esel und Maulesel der Türkei wetteifern an Schönheit mit denen Italiens. Die Stelle des Kamels, das nur in Konstantinopel vorkommt, vertritt der Büffel, der die schwersten Fuhren bewältigt und zugleich als Milchtier dient. Das Rindvieh ist klein und gut gebaut. Sehr erheblich ist die Zucht des Kleinviehs, die besonders auf Kosten der immer mehr zerstörten Wälder betrieben wird. Schafe und Ziegen sind die Hauptmilch-, Woll- und Fleischtiere. Die Kleinviehzucht hat noch einen halbnomadischen Charakter. Aus Albanien werden im Frühjahr große Schafherden nach Mazedonien und Thessalien zum Weiden getrieben. Die Wollausfuhr (Produktion jährlich im Durchschnitt 3 Mill. kg) geht aus der europäischen Türkei besonders nach Frankreich; feinere Wolle produziert die Gegend von Adrianopel. Von Wichtigkeit ist auch die Bienen- und Seidenraupenzucht, welch letztere in der europäischen Türkei jährlich 475.000 kg Kokons und erhebliche Mengen Rohseide für die Ausfuhr liefert (besonders in Thrakien). Der Fischfang wird vornehmlich an den Küsten und in den großen Binnenseen betrieben. Hierher gehört auch das Einsammeln von Badeschwämmen an den Küsten des Ägäischen Meeres, während der Blutegelfang in Mazedonien von der Regierung als Monopol betrieben wird. Der Bergbau liegt noch ganz danieder, wiewohl reiche Erzlager vorhanden sind und die Balkanhalbinsel ein altes Bergbaugebiet ist. Groß ist die Zahl heilkräftiger warmer Mineralquellen, besonders längs des Südrandes des Balkans.

Während das Abendland früher eine Menge kostbarer Stoffe (Seidenstoffe, Teppiche, Fayencearbeiten etc.) aus der Türkei bezog, werden sie jetzt, und zwar von besserer Qualität und um wohlfeileren Preis, aus dem Ausland eingeführt. Die industrielle Tätigkeit beschränkt sich, von einigen großen Städten abgesehen, auf Herstellung der notwendigen Verbrauchsartikel durch die bäuerliche Bevölkerung selbst und wird in einigen Gegenden nach ererbten Mustern handwerksmäßig oder als Hausindustrie, selten fabrikmäßig betrieben. besonders die Wollweberei, Waffen-, Metall- und Filigranindustrie, und geht unter der erdrückenden europäischen Konkurrenz immer mehr zurück. Großen Aufschwung zeigen nur die Lederindustrie und Schuhwarenfabrikation. Konstantinopel ist der Hauptsitz der fabrikmäßig betriebenen Gewerbtätigkeit. Adrianopel hat 2 Seidenspinnereien, eine Leinwandfabrik, 6 Dampfmahlmühlen, Saloniki 2 Wollspinnereien, eine Dampfziegelei, eine Dampfgerberei, eine Strumpf- und eine Seifenfabrik, eine Bierbrauerei, 7 Dampfmühlen. In den übrigen Landesteilen ist die Industrie ganz unbedeutend oder gleich Null.

Handel und Verkehr

Haupthindernis des für die Türkei sehr wichtigen Land- und Seehandels sind die immer noch mangelhaften Verkehrsmittel, die Zollplackereien und die im Münz-, Maß- und Gewichtswesen herrschende Verwirrung. Kunststraßen besitzt die Türkei, von den Eisenbahnen abgesehen, nur wenig, und die Landwege sind schlecht. Für den noch verhältnismäßig geringen Binnenhandel sehr förderlich sind, wie in allen Ländern mit noch nicht recht entwickeltem Großverkehr, die Messen und Märkte, die in verschiedenen Orten abgehalten werden, und deren wichtigste vom 23. Sept. bis 2. Okt. in Usundscha Owa, nordwestlich von Adrianopel, stattfindet. Der Außenhandel, der in erster Linie durch Konstantinopel, Dede Aghatsch und Saloniki vermittelt wird, ist bedeutend, befindet sich aber vorwiegend in den Händen Fremder; im Levante- und Küstenhandel sind dagegen auch viele türkische Untertanen beschäftigt. Bankier- und Wechselgeschäfte werden fast nur von Armeniern und Griechen betrieben, in deren Händen sich auch fast ausschließlich der Binnenhandel befindet. 1882 wurden sämtliche Handelsverträge gekündigt und erst seit 1888 neue abgeschlossen. – Die Hauptartikel des auswärtigen Handels des türkischen Reiches waren 1905/06 in Millionen Piaster (à 0,179 Mark):

Einfuhr Mill. Piaster Ausfuhr Mill. Piaster
Wolle, Baumwollstoffe 409 Rohseide und Kokons 293
Getreide und Mehl 156 Weintrauben 235
Leinwand 150 Mohair 91
Petroleum 104 Valonen 62
Garne 147 Baumwolle 51
Eisenwaren, Maschinen 104 Feigen 90
Reis 108 Häute und Felle 73
Häute, Felle, Leder 67 Erze 55
Zucker 264 Getreide und Mehl 188
Kaffee 95    

Die Ausfuhr besteht hauptsächlich aus Rohprodukten der Landwirtschaft, die Einfuhr aus Fabrikaten aller Art, Kolonialwaren, Petroleum; jene betrug 1.967.236, diese 3.136.602 Piaster. Die Hauptländer für den Handel mit der Türkei sind: England, Österreich-Ungarn, Frankreich, Russland, Italien, Deutschland, Bulgarien und Persien. Auf England entfällt ein Drittel des gesamten türkischen Außenhandels (1732 Mill. Piaster). Deutschland führte 1905/06 in die Türkei ein für 132.529.000, aus für 122.769.000 Piaster, ungerechnet die über französische und österreichische Häfen gehenden Sendungen. Die meist in griechischen Händen befindliche Handelsflotte des türkischen Reiches bestand 1905 aus 104 Dampfern mit 63.210 und 879 Seglern (über 50 t) mit 178.262 t. Die Schiffsbewegung der türkischen Häfen 1904/05 belief sich auf 182.941 Schiffe (davon 49.235 Dampfer) mit 46.685.621 Reg.-Ton. Konstantinopel allein hatte 1904 einen Seeverkehr von 16.450 Schiffen mit 15.633.534 t. Regelmäßige Dampfschiffsverbindungen werden mit den Hauptseeplätzen der Türkei und den Häfen des Schwarzen, Ägäischen und Adriatischen Meeres durch die deutsche Levantelinie, die Amerika-Levantelinie, die Aktiengesellschaft Atlantic (Bremen), die deutsch-russische Naphtha-Importgesellschaft, den österreichischen Lloyd, die ungarische Levantelinie, die Messageries maritimes, Fraissinet & Comp., Paquet & Comp, Navigazione Generale Italiana, durch 6 englische, eine niederländische, eine russische, eine ägyptische, mehrere kleinere griechische und türkische Linien unterhalten.

Münzeinheit ist amtlich seit 1844 der Piaster Gold (gûrusch, Grusch zu 40 Para), deren 100 auf das türkische Pfund (osmanli lira) von 18,452 Mark Sollwert gehen. Die Münzanstalt in Konstantinopel prägt Goldstücke zu 500, 250, 100, 50 und 25 Piaster; Noten der Ottomanischen Bank sowie fremdes, besonders französisches und englisches Gold (fransiz und ingliz lira) helfen aus. Im Kleinverkehr kursiert neueres Silbergeld zu 20 (Medschidië), 10, 5, 2, 1 und ½ Piaster nebst Kupfermünzen zu 10 und 5 Para; fremdes Silber- und Kupfergeld ward 1887 verboten. Schlechte Prägung und der aus dem alten Metalikgeld (vgl. Altilik und Beschlik) entstandene Wirrwarr haben beigetragen, dass in den Provinzen das Aufgeld des Goldes ungleich wechselt; den Medschidië aus Silber setzte die Regierung selbst 1880 auf 19 Goldpiaster herab. Vgl. Tafel »Münzen V«, Fig. 9 und 18, und Tafel VI, Fig. 15, nebst Übersicht. In Bezug auf Maß und Gewicht gilt das metrische System. Frühere Gewichtseinheit war die Okka = 1284 g, Getreidemaß das Kilé = 25–37 l, Längenmaß der Pik Hâlebi (»Elle von Aleppo«) = 0,686 m. Diese Maße sind noch im Gebrauch.

An Eisenbahnen standen 1906 in Betrieb 5589 km (Europa 1994, Kleinasien 2086, Syrien 1509 km). Die Hauptlinien der europäischen Türkei sind: (Belgrad-Sofia-Philippopel–) Mustafa Pascha–Adrianopel–Konstantinopel (354 km), (Belgrad–) Zibeftsche–Üsküb–Saloniki (243 km), Üsküb–Mitrowitza (119 km, Verlängerung nach Bosnien in Aussicht), Saloniki–Monastir, Konstantinopel–Dede-Aghatsch–Saloniki. Das Telegraphennetz ist ziemlich ausgedehnt, selbst über abgelegene und schwach bevölkerte Gegenden; es gab im türkischen Reich 1904/05: 42.924 km Linien mit 68.764 km Drahtlänge und 927 Ämtern. Die Post ist seit 1888 dem Weltpostverein angeschlossen; es gab 1904/05: 1279 Ämter. Befördert wurden 24 Mill. Briefe, 1.132.000 Postkarten, 5,3 Mill. Drucksachen und Warenproben, endlich Wertsendungen im Wert von 50,5 Mill. Frank. Wegen der Unzuverlässigkeit der türkischen Post haben das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Frankreich, Großbritannien etc. ihre Postämter in den größeren Hafenstädten beibehalten.

Staatsverfassung und -Verwaltung

Das osmanische Reich war eine absolute Monarchie, deren Herrscher, Sultan oder Padischah (»Großherr«), die höchste weltliche Gewalt mit dem Kalifat, der höchsten geistlichen Würde, verband. Der Sultan galt bei seinen Untertanen als Nachfolger des Propheten und hatte seine Autorität von Gott. Als oberster Kalif war er gleichzeitig geistliches Oberhaupt aller Muslime. Der Thron war erblich im Mannesstamm des Hauses Osman und ging in der Regel auf das älteste Mitglied desselben über. Der Padischah wurde in der Moschee Ejub zu Konstantinopel vom Scheich ul Islam mit dem Säbel Osmans, des ersten Sultans der Osmanen (1299), umgürtet, wobei er die Aufrechterhaltung des Islams versprach und einen Schwur auf den Koran ablegte. Der letzte Sultan war Mehmed VI. Vahdettin. Die Würdenträger des Hofes zerfielen in zwei Klassen: die einen, die Agas des Äußeren, wohnten außerhalb des Palastes oder Serails; die anderen, die Agas des Inneren, bewohnten den Mabeyn, einen Teil des Serails, und waren fast lauter Eunuchen, die zu ihrem Namen den Titel »Aga« setzen. Der erste an Rang mit dem Titel »Hoheit« und nur dem Großwesir nachstehend war der Kislar-Aga (»Hauptmann der Mädchen«), der Chef der schwarzen Eunuchen. Der Harem (s. d.), der als Staatseinrichtung galt, unterschied mehrere Klassen und enthielt 300–400 Frauen. Den Titel Sultanin führten nur die Prinzessinnen kaiserlichen Geblüts. Des Sultans Mutter (Sultan-Walide) hatte nach ihm den ersten Rang im Reich. Zum Hof gehörten ferner der Palaismarschall und zahlreiche Zivilbeamte und Offiziere.

Die osmanische Gesetzgebung bestand aus dem theokratischen (religiös-bürgerlichen) Gesetz (Scheriat) und dem politischen Gesetz (Kanun). Ersteres beruhte auf dem Koran, der Sunna (Überlieferung), dem Idschma-i Ümmet (die Auslegungen und Entscheidungen der vier ersten Kalifen enthaltend) und dem Kyas oder der Sammlung gerichtlicher, durch die vier großen Imame (Ibn Hanifé, Maliki, Schafi’i und Hambali) gegebener Entscheidungen in den ersten drei Jahrhunderten der Hedschra bis zu den Sammlungen der Fetwas (s. d.). Die türkische Gesetzgebung war das Werk von 200 Rechtsgelehrten, aus deren Arbeiten man umfassende Sammlungen bildete, welche die Stelle der Gesetzgebung vertraten. Die erste (»Dürrer«, »Perlen«) reichte bis 1470 (848 der Hedschra); die zweite (»Mülteka ül Buhur«, »Verbindung der Meere«), das Werk des gelehrten Scheichs Ibrahim Halebi (gest. 1549) und 1824 gänzlich umgearbeitet, war religiöses, politisches, militärisches, bürgerliches, Zivil- und Kriminalgesetzbuch; das Handelsgesetzbuch war im Wesentlichen eine ungeschickte Kopie des französischen Code de commerce von 1807. Der Theorie nach galt die am 23. Dez. 1876 erlassene Verfassung, obwohl die Regierung sich um sie nicht kümmert; seit 1877 war die Reichsversammlung nicht mehr berufen worden.

Innere Verwaltung

Der Sultan übte seine gesetzgebende und vollziehende Gewalt durch den Großwesir und den Scheich ul Islam aus. Der Großwesir war der Repräsentant des Sultans, führte im Ministerrat den Vorsitz und war als Leiter der obersten Staatsverwaltung tatsächlich der Inhaber der Exekutivgewalt. Dem Mufti oder Scheich ul Islam (eingesetzt 1543 durch Mohammed II.) oblag die Auslegung des Gesetzes. Er war der unmittelbare Vertreter der geistlichen Gewalt des Kalifats, oberster Chef der muslimischen Geistlichkeit und Richterschaft, selbst aber weder Priester noch Gerichtsperson. Seine Zustimmung war notwendig zur Gültigkeit jeder Verordnung, jedes von der höchsten Behörde ausgehenden Aktes. Außerdem standen an der Spitze der Staatsverwaltung die für die einzelnen Zweige derselben bestimmten Staatsminister, nämlich: der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der Kriegsminister, der Großmeister der Artillerie, der Finanzminister, der Marineminister (Kapudan-Pascha), der Minister des Innern, der Minister des Handels und der öffentlichen Arbeiten, der Minister des öffentlichen Unterrichts, der Minister für Justiz und Kultus und der Intendant des Evkaf (d. h. der den Moscheen und frommen Stiftungen gehörigen Güter). Der Geheime Rat oder Diwan bestand aus dem Scheich ul Islam, den oben genannten Ministern und dem Präsidenten des Staatsrats. Dann folgten die beiden Reichsräte, der für Ausführung der Reformen und der 1868 gegründete Staatsrat (nach dem Muster des französischen Conseil d’État).

Die Minister führten den Titel »Muschir« (und »Wesir«), die anderen hohen Staatsbeamten der Pforte und die Generale den Titel »Pascha«, die Beamten der Magistratur und der Kanzleien den Titel »Efendi«, die Söhne der Paschas und die oberen Offiziere den Titel »Bey«, alle niederen Offiziere und Beamten den Titel »Aga«. Behufs der Verwaltung war das türkische Reich in Vilâyets oder Generalgouvernements eingeteilt. Die Vilâyets zerfielen in Liwas oder Sandschaks (Provinzen), diese wiederum in Kasas (Kreise) und Nahije (Amtsbezirke). An der Spitze jedes Vilâyets stand ein Wali oder Generalgouverneur. Jedes Liwa wurde von einem Mutesarrif verwaltet, jedes Kasa von einem Kaimakam; an der Spitze der Nahijes stand ein Mudir. In jedem Vilâyet und in den größeren Städten stand dem betreffenden Verwaltungsbeamten ein Medschlis (Verwaltungsrat, Gemeindevertretung) zur Seite, in dem die richterlichen, finanziellen; religiösen Spitzen und 3–4 von der Einwohnerschaft gewählte Personen saßen. Die meisten der durch das Irade vom 22. April 1896 veröffentlichten Reformen für die Provinzialverwaltung, die den Christen eine geringe Mitwirkung einräumten, ihnen den Kirchenbau erleichterten und bestimmten, dass 10 Proz. der Gendarmen Christen sein sollten, sollten wohl ebenso auf dem Papiere stehen bleiben wie die von 1878.

Rechtspflege

Die türkischen Justizbehörden zerfielen in die ganz muslimische Scher’ije, an deren Spitze der Scheich ul Islam stand, und in die weltlichen Nisâmije, die aus Christen und Muslimen zusammengesetzt waren. Die höchste Gerichtsbarkeit wurde ausgeübt von dem Appellationshof, dem höchsten Kassationshof und dem Komitee für Kompetenzstreitigkeiten, alle in Konstantinopel. In jedem Vilâyet befand sich ein Scher’ijegericht unter dem Vorsitz eines Mollas mit dem Titel Nâib, der zugleich dem Diwan-Temjisi (Appellationsgericht des Vilâyets) präsidierte. Ebenso hatte jedes Liwa und Kasa sein Scher’ijegericht, das häufig der Bestechung sehr zugänglich war, wie überhaupt in allen Zweigen der Staatsverwaltung Zerfahrenheit, Unbildung und Korruption der ungebildeten, schlecht und unregelmäßig bezahlten Beamten herrschte. Für Streitigkeiten zwischen Bekennern verschiedener Religionen, zugleich auch für Kriminalfälle dienten die Nisâmijes. Außerdem bestanden Handels-(Tidscharet-)Gerichte seit 1887 in den größeren See- und Handelsstädten (Konstantinopel, Saloniki, Smyrna, Beirut, Bagdad). Sie waren gewöhnlich mit drei türkischen Richtern besetzt; bei Prozessen zwischen türkischen und fremden Staatsangehörigen wurden sie durch zwei von den Konsulaten delegierte fremde Kaufleute, die als beisitzende Richter fungierten, verstärkt. Bei Prozessen zwischen fremden und türkischen Staatsangehörigen waren die Tidscharetgerichte nicht bloß für Handelssachen, sondern auch für alle sonstigen Zivilstreitigkeiten, wenn der Wert des Streitgegenstandes 1000 Piaster (ungefähr 180 Mk.) überstieg und es sich um keine Immobiliarklage handelte, kompetent. Die ottomanischen Gerichte waren in allen Streitfällen zwischen fremden und türkischen Staatsangehörigen zuständig. Doch konnte nach den Kapitulationen, d. h. den Verträgen zwischen der Pforte und den Fremdmächten, die gerichtliche Verhandlung nur im Beisein eines Vertreters des zugehörigen Konsulats stattfinden. In Prozessen dagegen, bei denen beide Parteien Fremde waren, entschieden die Konsulargerichte.

Finanzen

Die Finanzen der Türkei hatten sich nach dem Bankrott vom 13. April 1876 nur wenig gebessert und 1881 zur Einsetzung einer internationalen Finanzkontrolle (s. d.) geführt, wie sie überhaupt wegen des ständigen Defizits eine Quelle unaufhörlicher Einmischung der Fremdmächte in die inneren Angelegenheiten des türkischen Reiches waren. Die schweren Lasten, welche die häufigen Kriege und Aufstände und das zahlreiche Heer dem Staat auferlegten, machten die Finanzverhältnisse sehr traurig, weshalb auch die Gehälter sehr unregelmäßig gezahlt wurden und Rückstände für mehrere Monate gewöhnlich waren. Die Hauptposten der Einnahmen. soweit sie nicht an die Staatsgläubiger verpfändet waren, waren: Grundsteuer, Einkommensteuer von einzelnen Gewerben, der Zehnte von den Bodenerzeugnissen, der aber in der Höhe von 12½ Proz. erhoben wurde, die Hammelsteuer, die auf den Nichtmuslimen lastende Steuer für Befreiung vom Militärdienst, der 8prozentige Einfuhr- und der 1prozentige Ausfuhrzoll. 1897/98 betrugen in türkischen Pfund (zu 18,44 Mark) die Staatseinnahmen 18.511.322, die Ausgaben 18.429.411 Pfd., wovon allein 6,5 Mill. Pfd., trotz stark reduzierter Zinszahlung, auf die Verzinsung der Staatsschuld entfielen. Letztere betrug 1906 einschließlich der Rückstände der russischen Kriegsschuld 129,1 Mill. Pfd. Vor dem Staatsbankrott betrug die öffentliche Schuld 4,5 Milliarden Mk.; sie wurde 1881 auf die Hälfte reduziert.

Heerwesen und Kriegsmarine

Das Wehrgesetz von 1880 (letzte Ergänzung 1904) befahl für Muslime allgemeine Wehrpflicht vom 21. bis 40. (in Glaubenskriegen bis 70.) Lebensjahr; 3 Jahre aktiv (Nizam), 6 Reserve (Ichtiat), 9 Landwehr (Redif) erster Kategorie, 2 Landsturm (Mustafiz). Berücksichtigungswürdige entfielen in die Redif zweiter Kategorie mit höchstens 9 Monaten präsenter Dienstzeit. Andersgläubige waren gegen eine Wehrsteuer (900 Mk.) vom Militärdienst befreit, desgleichen die Muslime von Konstantinopel, Skutari, Mekka, Medina. Jeder Eingereihte konnte sich nach 3 Monaten Aktivdienst mit 50 türk. Pfd. von der weiteren Präsenzpflicht loskaufen. Friedensstärke 1905: 20.000 Offiziere, 250.000 Mann, 22.000 Pferde und Tragtiere, 1300 bespannte Geschütze, ohne Gendarmerie und Kaders (10.000 Mann) der Redif. Nizamarmee mit 337 Bataillonen Infanterie zu 300–600 Mann, 208 Eskadrons zu 138 Mann, 271 Batterien zu 60–100 Mann, 146 Festungsartillerie-, 56 technische Kompanien, 24 Trainkompanien; eine Sanitätstruppe (außer dem Krankenwärterpersonal in Konstantinopel) existierte nicht; 136 Bataillone, 233 Eskadrons osmanische Gendarmerie mit 100.000 Mann zu Fuß und 18.000 Reitern. Die mazedonische Gendarmerie, 1 Regiment zu 4 Bataillonen, 5 Eskadrons 1885 Mann, 383 Reiter, war von europäischen Offizieren kommandiert.

Kriegsstärke der Nizam- und Redifarmee, einschließlich der irregulären Kavallerie aus Kurden- und Araberstämmen (Hamidié), 1 Mill. Gewehre, 75.000 Säbel, 1600 Feld- und Gebirgsgeschütze, hiervon mindestens 0,5 Mill. Gewehre, 20.000 Säbel, 1000 Geschütze für einen europäischen Krieg verfügbar. Bewaffnung 7,65 mm-Mauser-Repetiergewehre, 7,5 cm-Gebirgsgeschütze, 12 cm-Feldhaubitzen M/92, ein 7,5 cm-Schnellfeuergeschütz M/1903 war 1907 in Einführung (alle von Krupp). 7 Ordu- (Korps-) Bezirke; 2 selbständige Divisionsbezirke mit zusammen 55 Infanteriedivisionen, 6 Kavalleriedivisionen der Nizam- und Redifarmee im Frieden. Im Krieg 20 Infanteriedivisionen Nizam, 24 Redif erster zu 12.000 Gewehren, 100–400 Säbeln, 18–24 Geschützen; 11 (nach voller Durchführung der Organisation 42) Infanteriedivisionen Redif zweiter Kategorie mit etwas schwächerem Gefechtsstand; 6 Kavalleriedivisionen zu 3000 Säbeln, 18 Geschützen; weiter 3400 Gardezuoaven als Leibwache des Sultans, 3000 Mann Gardekavallerie, 4 Spezialjägerbataillone schon im Frieden mit 3200 Mann, 8 Maschinengewehren und 8 Gebirgsschnellfeuergeschützen; 19 Hamidiébrigaden mit 35.000 Reitern.

Anstalten: 32 Militärunterrealschulen, 11 Kadetten-, bez. Oberrealschulen (2 für Ärzte), 3 Akademien (Infanterie und Kavallerie, Artillerie und Genie, Ärzte), eine Generalstabsschule, eine höhere Artillerie- und Genieschule, Arsenal in Konstantinopel, Geschützreparaturwerkstätte in Erzerum, Pulverfabrik in Makrikoj. Landesbefestigung: Erzerum mit 14 neueren Werken, Konstantinopel mit den befestigten Zugängen der Seeseite, Bosporus (s. d.) und Dardanellen (s. d.); der Landverteidigung diente die Tschataldschalinie, vorwiegend aus Erdwerken bestehend. Vgl. v. Loebells »Jahresberichte über das Heer- und Kriegswesen« (Berl.); Mach und v. d. Goltz. Die Wehrmacht der Türkei und Bulgariens (das. 1905); »Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heereskunde« (das. 1995); Rásky, Die Wehrmacht der Türkei (Wien 1905); »Internationale Revue über die gesamten Armeen und Flotten«, Beiheft 75 (Dresd. 1906).

Die Flotte zählte Anfang 1907: 2 alte Linienschiffe von 15.900 Ton., 1 Küstenpanzerschiff, 2 kleine geschützte Kreuzer, 2 ungeschützte Kreuzer, 3 Kanonenboote, 5 Torpedobootszerstörer (außerdem 9 im Bau), 17 Hochseetorpedoboote, 7 alte Küstentorpedoboote, 2 alte Unterseebootee, 2 Schulschiffe, 4 Sultansjachten, 4 Hafenschiffe (alte Panzerschiffe). Personal etwa 10.000 Mann. Die ganze Flotte war stark vernachlässigt, nur ein Teil der angeführten Schiffe war seetüchtig und mit moderner Kriegsausrüstung versehen.

Ein eigentliches Wappen hatte die Türkei nicht. Als Symbole dienten der Namenszug (Tugra) des regierenden Sultans sowie ein (abnehmender) silberner Halbmond mit silbernem Stern zwischen den Hörnern in Grün oder Rot. Die Türken sollen den Halbmond schon 1209 (als sie noch in Mittelasien wohnten) bei ihren Kriegen gegen die Chinesen als Fahnenbild gebraucht haben. Das Symbol wird auf den Gestirndienst zurückgeführt, der die Religion der Türken war, ehe sie zum Islam übertraten. Die Landesfarben waren Rot und Dunkelgrün. Grün ist die heilige Farbe der Muslime. Es bestanden vier Ritterorden: der kaiserliche Osman-Hausorden (Chanedani-al-Osman, 1895 für Verdienste um den Sultan gestiftet, eine Klasse), der Erthogrul-Orden (1903 gestiftet, eine Klasse), der Orden des Ruhms (Nischani-el-Ittikhar, 1831 gestiftet) mit fünf Klassen, der Medschidije-Orden (1851 gestiftet) mit fünf Klassen, der Osmanje-Orden (1862 gestiftet) mit vier Klassen, der Verdienstorden (Nischan-i-Imtija-s, 1879 gestiftet), außerdem ein Frauenorden (Nischan-i-Schefakat, 1878 gestiftet). Sonstige Auszeichnungen waren Verdienst- und Rettungsmedaillen, Ehrenkaftane und Ehrensäbel. Die Kriegs- und Handelsflagge (letztere auch bloß rot-grün-rot horizontal gestreift) zeigte auf rotem Grund einen mit den Hörnern nach außen gekehrten weißen Halbmond und darin einen weißen fünfstrahligen Stern.

Die Asiatische Türkei umfasste in 1) Kleinasien (501.400 km² mit 9.089.200 Einwohner, 18 auf 1 km²) die Vilâyets des Archipels, Brussa, Smyrna, Konia, Adana, Angora, Kastamuni, Siwas, Trapezunt und die Mutesarrifliks Ismid und Bigha, 2) Armenien und Kurdistan (186.500 km² mit 2.470.900 Einwohnern, 13 auf 1 km²) die Vilâyets Erzerum, Mamuret-ül-Aziz, Bitlis, Diarbekr, Wan, 3) Syrien und Mesopotamien (637.800 km² mit 4.288.600 Einwohnern, 7 auf 1 km²) die Vilâyets Aleppo, Beirut, Syrien, Bagdad, Mosul, Basra und die Mutesarrifliks Libanon, Jerusalem, Sor, 4) Arabien (441.100 km² mit 1.050.000 Einwohnern, 2 auf 1 km²) die Vilâyets Hidschaz und Jemen. Der Gesamtbesitz in Asien betrug also 1.766.800 km² mit 16.898.700 Einwohnern (ca. 10 auf 1 km²).

Bibliographie

  • »Annuaire oriental de commerce, de l’industrie, de l’administration, etc.« (Konstantinopel)
  • Albrecht: Grundriss des osmanischen Staatsrechts (Berl. 1905)
  • Aristarchi Bey, Grégoire: La législation ottomane (Konstant. u. Par., 1873 bis 1888, 7 Bde.)
  • Baillie: Digest of mahommedan law (2. Aufl., Lond. 1875–87, 2 Bde.)
  • Baker, J.: Die Türken in Europa (deutsch, Stuttg. 1878)
  • Cuinet, Vital: La Turquie d’Asie (Par. 1891–95, 4 Bde.)
  • Diefenbach, L.: Die Volksstämme der europäischen Türkei (Frankf. 1877)
  • Dupont: Géographie de l’empire ottoman (Par. 1907)
  • Fischer, Th.: Die südosteuropäische Halbinsel (in Kirchhoffs »Länderkunde von Europa«, 2. Teil, Wien 1893)
  • Helle von Samo, A. Ritter zur: Die Völker des osmanischen Reichs (Wien 1877)
  • Hellwald und Beck, Die heutige Türkei (2. Aufl., Leipz. 1878–79, 2 Bde.)
  • Lamouche: La Péninsule Balcanique (Par. 1899)
  • Laveleye: Die Balkanländer (deutsch, Leipz. 1888, 2 Bde.)
  • Loytved: Grundriss der allgemeinen Organisation der Verwaltungsbehörden der eigentlichen Türkei (»Mitteilungen des Seminars für orientalische Sprachen«, Berl. 1904)
  • Lux: Die Balkanhalbinsel (Freib. i. Br. 1887)
  • Menzies: Turkey, historical, geographical, statistical (Lond. 1880, 2 Bde.)
  • Meyers Reisebücher: »Türkei, Rumänien, Serbien, Bulgarien« (6. Aufl., Leipz. 1902)
  • Meyers Reisebücher: »Griechenland und Kleinasien« (6. Aufl., Leipz. 1906)
  • Moltke, v.: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei 1835–1839 (Berl. 1841, 6. Aufl 1893)
  • Morawitz: Les finances de la Turquie (Par. 1902; deutsch von Schweitzer, Berl. 1903)
  • Nauphal: Système legislatif Musulman (St. Petersb. 1893, 2 Bde.)
  • Nicolle, David: Die Osmanen: 600 Jahre islamisches Weltreich (Lond., dt. Fränkisch-Crumbach 2008)
  • Turnbull, Stephen: The Ottoman Empire 1326–1699 (Lond. 2003)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Historische Orte