Geistliche Orden

Geistliche Orden, soviel wie Mönchsorden oder geistliche Ritterorden. Zu ihnen gehören zunächst die Mönchs- und Nonnenorden. Nur solche geistliche Verbrüderungen führen den Namen Orden, die sich zu einer gemeinschaftlichen Regel (Ordensregel) durch Gelübde (Ordensgelübde, vota solemnia) lebenslänglich verpflichten, und sie unterscheiden sich dadurch von den Kongregationen (s. d.), die nur einfache Gelübde (vota simplicia) ablegen, und von den religiösen Bruderschaften (s. d.), die fromme, durch keine dauernden Gelübde zu wohltätigen Zwecken verbundene Vereinigungen sind. Nach dieser Bestimmung kann das Ordenswesen als Schöpfung des heil. Benedikt (s. Benediktiner) angesehen werden, da den Klöstern des Orients eine ähnliche zweckvolle Gliederung abgeht. Dieses abendländische Ordenswesen zeigt uns in seiner Entwicklung eine fortgesetzte Kette von Reformen oder Umformungen, die nicht nur den Bedürfnissen jener Zeit (Krankenpflege bei Seuchen, Armenhilfe, Sklavenbefreiung etc.), sondern auch den kirchlichen und politischen Zuständen Rechnung trugen, und bei denen es sich darum handelte, die Grundsätze Benedikts im Gegensatz zu bestimmten Erscheinungen fortschreitender Verweltlichung und Entsittlichung jeweils scharfer und energischer durchzuführen.

Das Ansehen, das die Ordensmitglieder in der öffentlichen Meinung genossen, gab seit dem 10. Jahrhundert den Anstoß zur Reformierung der gesamten Weltgeistlichkeit. Von besonderer Bedeutung wurde die vom Kloster Cluny (s. d.) und der von ihm geleiteten Benediktinerkongregation der Cluniacenser in Szene gesetzte Reformbewegung, deren Höhepunkt der Kampf des cluniacensisch gerichteten Papstes Gregor VII. für die Freiheit der Kirche vom Staat im Kampf gegen die Simonie und unter Durchführung des Zölibats auch für die Weltgeistlichkeit bildete. Unter solchen Verhältnissen entstanden nicht nur immer neue Verzweigungen des Benediktinerordens, wie die Kamaldulenser, die Vallombrosaner, die Orden von Grommont und Fontevrault, die Kartäuser, die Zisterzienser und neue Gebilde, wie die Karmeliter (s. d.), sondern auch Kongregationen meist auf Grund der sogen. Augustinerregel (s. d.) regulierter Chorherren, wie die Augustiner-Chorherren, die Viktoriner und die Prämonstratenser (s. diese Artikel). Für alle diese Orden galt der Grundsatz der Sesshaftigkeit, des Gebundenseins des einzelnen Mönches oder Klerikers an ein bestimmtes Kloster oder eine bestimmte Kirche (stabilitas loci). Indem die Bettelorden (s. d.) mit diesem Grundsatz brachen, führten sie eine neue Epoche des Ordenswesens herauf (s. Franziskaner, Dominikaner, Serviten, Augustiner-Eremiten). Das von Innozenz III. auf dem Laterankonzil von 1215 erlassene Verbot neuer Ordensgründungen hielt gegenüber dieser Umwälzung nicht Stich. Gegen Ende des Mittelalters war die Verzweigung des Ordenswesens größer als je.

Durch die Reformation zeitweilig gehemmt, brachte die Regeneration des Katholizismus bald nicht nur neue Ableger der alten Orden, wie die Kapuziner (s. d.) von den Franziskanern, die Feuillanten (s. d.) und Trappisten (s. d.) von den Zisterziensern, neue Gruppen von Regularklerikern, wie die Theatiner, die Barnabiten, die Piaristen (s. diese Artikel), sondern sah auch in den Jesuiten (s. d.) und ihren Ablegern eine neue Form des Ordenswesens entstehen, die hinsichtlich der Organisation und der Wirksamkeit nach außen seine bisher vollkommenste Blüte bedeutet. Die Zeit der Revolutionen und der Entstehung neuer Staatengebilde zu Ausgang des 18. und Eingang des 19. Jahrhunderts bedeutete für die Orden Rückgang und Tiefstand. Dafür hat das Ordenswesen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder einen außerordentlichen Aufschwung genommen, wenn es auch die Machtstellung und Bedeutung, die es in seiner mittelalterlichen Blütezeit besaß, nicht wieder gewonnen hat, und heute steht es wieder so mächtig da wie in seiner mittelalterlichen Blütezeit. Nonnenorden schlossen sich entweder an neugebildete Orden an, wie die Benediktinerinnen, die Klarissen (Franziskanerinnen), die Dominikanerinnen, die Karmeliterinnen, die Engelsschwestern (s. diese Artikel) u. a., oder sie bestanden für sich, wie der Birgittenorden (s. d.), die Ursulinerinnen (s. d.), die Hospitaliterinnen (s. Heiliger Geist-Orden 3) u. a. Im ersteren Falle bezeichnet man den männlichen Zweig des Ordens meist als den ersten, den weiblichen als den zweiten Orden. Wo diese Orden auch die Laienwelt unter mönchische Einflüsse zu stellen verstanden, bildeten sich die sogen. dritten Orden oder Tertiarier (s. d.).

In der Verfassung der älteren, nach der Benediktinerregel organisierten Orden war die Unterordnung unter den Diözesanbischof als selbstverständlich angesehen. Aus kirchenpolitischen Gründen begünstigten aber die Päpste die Exemtion einzelner Klöster oder ganzer Orden von der bischöflichen Gerichtsbarkeit. Die Bettelorden stellten sich mit ihrer monarchisch-militärischen Organisation lediglich unter den Papst und blieben durch ihren General in direkter Verbindung mit dem päpstlichen Stuhl. Auch die meisten übrigen Orden nahmen letzteres System an. Demzufolge steht an ihrer Spitze ein General, der in Rom wohnt und dem Papst verantwortlich ist. Manche Orden geben ihm noch einen Admonitor zur Seite, der im Namen des Ordens seine Schritte beobachtet. Mit dem General zusammen bilden das Generalkapitel die Provinziale, welche die Aufsicht über die Klöster des Ordens in den einzelnen Provinzen führen und als Generalvikare bei den aus den Oberen der einzelnen Klöster als stimmfähigen Kapitularen (suffraganei) zusammengesetzten Provinzialkapiteln präsidieren. Die Oberen gehören nach dem kanonischen Recht zu den Prälaten und verhandeln über die Angelegenheiten ihres Klosters gemeinschaftlich in einem Kapitel oder Konvent, weshalb sie auch Konventualen oder Patres heißen, im Gegensatz zu den niederen Mönchen, Laienbrüdern (fratres), welche die höheren Weihen nicht haben und zu den Novizen, d. h. den in den Orden noch nicht aufgenommenen Aspiranten. Nonnenklöster, die keinem zweiten Orden angehören, stehen unter Gerichtsbarkeit und Aufsicht des Bischofs, in dessen Sprengel sie liegen. Statistik und Literatur s. bei Artikel »Kloster«.

Aus der Verbindung des mönchischen und des ritterlichen Geistes des Mittelalters gingen die geistlichen Ritterorden hervor. Ihre Blüte datiert seit der Zeit der Kreuzzüge. Sie verpflichteten sich nach bestimmten, vom Papst genehmigten Regeln nicht bloß zu beständigem Kampf gegen die Ungläubigen, weshalb sie auch als gemeinsames Abzeichen das Kreuz trugen, sondern auch zur Hospitalität und zu geregelten Religionsübungen. Im einzelnen aber waren ihre Regeln so verschieden wie die der Klosterorden, und es ist daher in Bezug auf sie auf die Artikel Alcantara-, Calatravaorden, Deutscher Orden, Johanniterorden, Tempelherren etc. zu verweisen. Vgl. Weltliche Orden.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe