Liegnitz

Liegnitz, Hauptstadt des vormaligen reichsunmittelbaren schlesischen Fürstentums Liegnitz sowie des gleichnamigen Regierungsbezirks, Stadt- und Landkreises in der preußischen Provinz Schlesien, unweit der Mündung des Schwarzwassers in die Katzbach, welche die Stadt durchfließt, 120 m ü. M., besteht aus der mit schönen Promenaden umgebenen Stadt und mehreren Vorstädten.

Die nennenswertesten Gebäude der Stadt sind: das königliche Schloss (später Regierungsgebäude), die Ritterakademie, das neue Rathaus, das Theater etc. Außerdem hat Liegnitz zwei evangelische (darunter die zweitürmige Peter-Paulskirche mit Glockenspiel), zwei katholische (darunter die neue Dreifaltigkeitskirche) und eine altlutherische Kirche, ein Bethaus der Irvingianer und eine Synagoge. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1900) mit der Garnison [Grenadier-Regiment König Wilhelm I (2. Westpreußisches) Nr.7] auf 54.882, darunter 9657 Katholische und 877 Juden.

Die Industrie ist bedeutend. Liegnitz hat eine große Tuch- und eine Textil- und Wollwarenfabrik, mehrere Eisengießereien und Maschinenfabriken, vier Pianofortefabriken, eine Hutfabrik (380 Arbeiter), bedeutende Handschuhfabriken, Dampftischlerei, Dampfziegelei und Tonwarenfabrikation, Klaviaturen-, Holzgalanteriewaren-, Kinderwagen-, Lampen-, Peitschen-, Holzstifte- und Zigarrenfabrikation, Kunstdrechslerei, Dampfschneidemühlen, Gemüsebau etc. Handel und Gewerbe werden unterstützt durch eine Handels- und eine Handwerkskammer, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1904: 590 Mill. Mk.), eine Filiale der Breslauer Wechslerbank, eine Kommandite des Schlesischen Bankvereins und mehrere Bankgeschäfte. Für den Eisenbahnverkehr ist Liegnitz Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Sommerfeld-Breslau, Liegnitz-Merzdorf, Sommerfeld-Kohlfurt-Liegnitz, Ziegenhals-Raudten u.a. An Bildungsinstituten etc. besitzt Liegnitz eine Ritterakademie (1708 gegründet, seit 1810 in ein Gymnasium umgewandelt mit Vorbehalt der adligen Freistellen), Gymnasium, Realschule, eine landwirtschaftliche Schule, ein evangelisches Schullehrer- und ein Lehrerinnenseminar, Taubstummenanstalt, Idiotenanstalt, ein adliges Fräuleinstift, eine Augenheilanstalt, ein Theater etc. Liegnitz ist Sitz einer Regierung, eines Landsratsamtes für den Landkreis Liegnitz, einer Oberpostdirektion, eines Landgerichts, eines Hauptsteueramtes und der Wohlau-Liegnitzer Fürstentums-Landschaft. Die städtischen Behörden zählen 12 Magistratsmitglieder und 48 Stadtverordnete. – Zum Landgerichtsbezirk Liegnitz gehören die acht Amtsgerichte zu Bunzlau, Goldberg, Hainan, Jauer, Liegnitz, Lüben, Naumburg a. O. und Parchwitz.

Liegnitz wird zuerst 1004 erwähnt und ward 1163 Residenz der Herzoge von Niederschlesien aus dem Hause der Piasten, die um 1170 das Schloss erbauten und 1675 mit Herzog Georg Wilhelm ausstarben, worauf Liegnitz wie ganz Schlesien vom Kaiser in Besitz genommen wurde (s. Schlesien, Geschichte). Erst seit 1742 ist es preußisch. Am 9. April 1241 fand in der Nähe (bei Wahlstatt) die große Schlacht gegen die Mongolen statt, die Liegnitz belagerten und zerstörten. Die Reformation wurde 1522 hier eingeführt. 1632 wurde Liegnitz von den Schweden erobert, von den Kaiserlichen aber bald wieder genommen und 1638 dem Herzog wieder eingeräumt. Am 13. Mai 1634 wurden hier die Kaiserlichen unter Colloredo von den Sachsen unter Arnim besiegt. Im Siebenjährigen Krieg fiel es 1757 den Österreichern in die Hände, ward aber bald von den Preußen zurückerobert, und 15. Aug. 1760 besiegte in der Nähe (Pfaffendorf, Siegeshöh) Friedrich II. die Österreicher unter Laudon. Dieser wollte die Preußen bei Nacht überfallen, wurde aber von Friedrich, der insgeheim die Höhen zwischen Katzbach und Schwarzwasser besetzt hatte, zurückgeschlagen, ohne dass es Daun und Lacy, die von Westen heranrückten, verhindern konnten. In der Nähe fand 26. Aug. 1813 die Schlacht an der Katzbach (s. d.) statt. Den Titel einer »Fürstin von Liegnitz« (s. unten) erhielt 1824 die Gräfin Harrach, Friedrich Wilhelms III. zweite Gemahlin. Vgl. Schuchard, Die Stadt Liegnitz, ein deutsches Gemeinwesen bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts (Berl. 1868); Sammter und Kraffert, Chronik von Liegnitz (Liegn. 1861–73, 4 Tle.); »Urkundenbuch der Stadt Liegnitz, bis 1455« (hrsg. von Schirrmacher, das. 1866); Jander, Führer für Liegnitz und seine Umgebung (4. Aufl., das. 1897) und Liegnitz in seinem Entwickelungsgange (das. 1905); Lutsch, Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liegnitz (Bresl. 1890); Langenhahn, Liegnitzer plastische Altertümer (Liegn. 1902). Der Regierungsbezirk Liegnitz (s. Karte »Schlesien«), die ehemaligen schlesischen Fürstentümer Liegnitz, Glogau und Jauer sowie den größten Teil der 1815 von Sachsen an Preußen abgetretenen Oberlausitz begreifend, umfasst 13.609 km² (247,17 mi²), hat (1900) 1.102.992 Einwohner (81 auf 1 km²), darunter 902.807 Evangelische, 192.167 Katholiken und 4031 Juden, 24.406 Personen mit wendischer, 7056 mit polnischer Muttersprache, und besteht aus den 21 Kreisen:

Kreise km² Einwohner Einw. auf 1 km²
Volkenhain 3569 29.5269 82
Bunzlau 1040 62.937 61
Freistadt 876 54.320 62
Glogau 936 72.622 78
Goldberg-Hainau 609 50.272 83
Görlitz (Stadt) 18 80.931
Görlitz (Land) 867 58.826 66
Grünberg 858 56.533 66
Hirschberg 598 78.188 131
Hoyerswerda 868 36.778 42
Jauer 329 35.398 107
Landeshut 397 50.184 126
Lauban 519 70.745 136
Liegnitz (Stadt) 17 54.882
Liegnitz (Land) 620 42.292 68
Löwenberg 751 60.355 80
Lüben 630 31.584 50
Rothenburg i. Oberl. 1125 59.800 54
Sagan 1111 55.525 50
Schönau 349 24.252 69
Sprottau 730 39.042 53

Über die 10 Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks s. Karte »Reichstagswahlen«. Vgl. Thomasczewski, Topographisch-statistisches Handbuch für den Regierungsbezirk Liegnitz (Liegn. 1880).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Bibliographie

  • Großer Generalstab, Kriegsgeschichtliche Abteilung II.: Die Kriege Friedrichs des Großen, 3. Teil – Der Siebenjährige Krieg 1756—1763, 12. Band – Landeshut und Liegnitz (Berlin 1913)

Historische Orte