Fenster

Fenster.

Fenster (v. lat. fenestra), Öffnungen in den Umfangswänden der Gebäude, durch die den Räumen Licht und Luft zugeführt werden, und die in der Regel Verschlussvorrichtungen erhalten; dann auch diese Verschlussvorrichtungen selbst. Die Größe der Fensteröffnungen richtet sich nach der Größe und Zweckbestimmung des zu erleuchtenden Raumes. Die Formgebung hängt von praktisch-konstruktiven und stilistischen Anforderungen ab. Nach der Form der Öffnung unterscheidet man der Hauptsache nach viereckige Fenster, deren oberes Begrenzungsstück waagerecht liegt, Bogenfenster, die oben bogenförmig geschlossen sind, kreisrunde und ovale Fenster (œils de bœuf).

Die Bestandteile des Fensters im erstgenannten Sinne, d. h. der Fensteröffnung in der Mauer, sind der untere Abschluss oder die Fensterbank (Sohlbank), das seitliche Gewände und der obere Abschluss oder Sturz, an dessen Stelle beim Bogenfenster der Fensterbogen tritt; alle drei Teile bilden zusammen das Fenstergerüst oder Fenstergestell (bei Holzbauten besteht das Gerüst aus seitlichen Pfosten und oberem und unterem Riegel). Weitere Teile sind die Fensterbrüstung, die Leibungen, der Anschlag, bei gekuppelten Fensteröffnungen noch die Zwischenpfosten und Zwischensturze, an deren Stelle auch Doppelbogen auf Zwischenstützen treten, endlich die Fensternische, d. h. die zum Anbringen der Verschlussvorrichtung hergestellte Erweiterung der Fensteröffnung im inneren Teil der Mauer, die bei starken Mauern wohl mit Sitzen versehen wird, sowie die aus formalen Gründen hinzugefügten Fensterumrahmungen oder -Einfassungen. Nach dem Zwecke lassen sich die Fenster zunächst in Kirchenfenster und Profanfenster sondern. Die ersteren haben festen Verschluss und sind höchstens mit kleinen Luftflügeln versehen. Sie sind meistens Bogenfenster, besitzen bei größerer Breite Pfosteneinteilungen und im Bogenteil oft Maßwerk. Die Profanfenster haben beweglichen Verschluss. Gewöhnlich wird ihnen deshalb gerader Sturz gegeben; auch profane Bogenfenster werden zum guten Anbringen der Öffnungsvorrichtung rationell geradsturzig, d. h. derart behandelt, dass der obere (Bogen-)Teil nur Blende ist oder doch feststehend verschlossen wird. Die profanen Fenster lassen sich dann weiter je nach der Stelle, wo sie am Gebäude sitzen, in Geschoss-, Keller-, Treppen-, Dach-(Drempel-) und Oberlichtfenster (Oberlichter) etc. einteilen.

Die Fensterstellung, d. h. die Anordnung der Fenster an der Fassade eines Gebäudes, unterliegt praktischen und stilistischen Erwägungen. Bei den antiken und den von ihnen abgeleiteten Bauweisen pflegen symmetrische, rhythmische Prinzipien zu obwalten, oft so weit gehend, dass man zur Anlage von Blindfenstern (Blenden, s. Blind) schreitet. Im Mittelalter passte man sich mehr dem praktischen Bedürfnis an und gelangte damit oft zu einer malerisch-zwanglosen Fensterstellung. Stilistisch besteht dann noch ein sehr wesentlicher Unterschied der Behandlung der antiken und mittelalterlichen Fensteröffnung insofern, als nach antiker Auffassung die Öffnung einen Rahmen, eine Einfassung erhält, die um sie herum auf die Wand gelegt und oft zu großem Reichtum (säulengetragene Giebelverdachung und dergleichen) entwickelt wird, während die mittelalterlichen Bauweisen das Fenster nur durch Abschrägen der der Leibungen, die sich dann in mehr oder weniger reiche Gliederung umwandelt, ausbildet.

Bei der Verschlussvorrichtung der Fenster, dem Fenster im engeren Sinne, ist zwischen fester und beweglicher zur unterscheiden, die sich nach obigem etwa mit den Begriffen des kirchlichen, bzw. profanen Fensters decken. Der feste Verschluss ist fast immer Bleiverglasung. Die aus kleinen, in Blei gefassten Scheiben bestehende Glasfläche wird in einen Kittfalz, der an die Stelle des Anschlages tritt, gelegt und an Windeisen und Sturmstangen befestigt. Die Glasfläche ist in der Regel gemustert oder bemalt (vgl. Glasmalerei). Die beweglichen Verschlussvorrichtungen sind fast immer Glasfenster, und zwar hölzerne oder eiserne. Sie bestehen aus dem im Anschlag fest mit der Mauer verbundenen Futterrahmen, in den bei größeren Öffnungen ein aus Pfosten und Losholz bestehendes Fensterkreuz eingesetzt wird, und den an diesem mit Eisenbändern beweglich angeschlagenen, mit Wasserschenkeln versehenen Flügeln, deren Breite 75 cm nicht zu überschreiten pflegt, und die, wenn keine größeren Scheiben (Spiegelscheiben) angewendet werden, durch Sprossen geteilt werden. An dem Flügel wird die Scheibe von außen mit Kittfalz befestigt. Die Abdeckung der Fensterbrüstung bildet im Innern ein mit dem Futterrahmen verbundenes Fenster- oder Latteibrett. Müssen die Fenster mehrflügelig werden und soll doch beim Öffnen die ganze Lichtöffnung frei bleiben, so richtet man die Flügel mit beweglichem Pfosten (Schlagleiste) ein. Zum Schutz gegen die Außentemperatur legt man Doppel-(Winter-)Fenster an. Statt der beschriebenen Klappfenster benutzt man auch Drehfenster, die namentlich Lüftungszwecken (in Ställen etc.) dienen, oder lotrecht oder waagerecht bewegliche Schiebefenster, die durch Gegengewichte bewegt werden, bzw. auf Rollen laufen und namentlich in England üblich sind. Verschlossen werden die Flügel mittels des aus den erwähnten Bändern und der Schließvorrichtung bestehenden Fensterbeschlags. Die Bänder sind Schippenbänder, Kreuzbänder, Winkelbänder oder, wie heutzutage zumeist bei besseren Fenstern, Fischbänder. Die Schließvorrichtung besteht aus Vorreibern, Überwürfen, Einreibern mit Drehknauf (Olive), aus Drehstangenverschlüssen, unter denen der Ruderstangen- oder Espagnolettstangenverschluss der gebräuchlichste ist, oder aus Triebstangenverschlüssen, unter denen sich der Baskülverschluss am meisten eingebürgert hat. Statt mit Fenstern oder außer ihnen werden die Fensteröffnungen aus Sicherheitsgründen und zum Abhalten des Sonnenlichts auch mit Läden verschlossen, die äußere und innere Klappläden mit oder ohne Jalousien, ferner Rollläden (Rolljalousien), wie sie namentlich bei Schaufenstern gebräuchlich sind, oder Stabstellläden (Zugjalousien) sein können.

Geschichtliches

Den ältesten menschlichen Wohnungen (Hütten) fehlten die Fenster. Die Zeit ihrer Einführung ist unbekannt und wird bei den einzelnen Völkern sehr verschieden sein. Wie im Orient vielfach noch jetzt, so lagen bei den Hebräern die Fenster nicht nach der Straße, sondern nach dem inneren Hofe zu und waren vergittert oder mit Läden versehen. Der Laden mit einer kleinen vergitterten Mittelöffnung ist auch im frühen europäischen Mittelalter der herrschende Verschluss der Fenster. Bei den Chinesen dienten zu Fensterscheiben feine, mit glänzendem Lack überzogene Stoffe, Horn, das sie in dünne Platten zu verarbeiten verstanden, sowie geschliffene Austernschalen, während die Römer dieselben aus Spiegelstein (blättrigem Frauen- oder Marienglas), dünn geschliffenem Achat oder Marmor und (schon im 2. Jahrhundert n. Chr.) aus Horn fertigten. Hat man auch bei den Ausgrabungen in Pompeji Bruchstücke von Glastafeln aufgefunden, so lässt sich hieraus doch noch nicht mit Bestimmtheit ableiten, dass damals schon Glasfenster im Gebrauch waren. Erst im 4. Jahrhundert werden von Gregor von Tours Kirchenfenster von gefärbtem Glas erwähnt, sowie 674 der Abt Benedikt Glasmacher aus Frankreich nach England kommen ließ, um durch diese eine von ihm erbaute Kirche mit Glasfenstern versehen zu lassen; 726 geschah dasselbe vom Bischof von Worcester. Zu Ende des 8. Jahrhunderts ließ Papst Leo III. Glasfenster in die Lateranbasilika einsetzen. In Deutschland hatte das Kloster Tegernsee bereits im 10. Jahrhundert Fenster mit bunten Glasscheiben; die ältesten Glasfenster in Frankreich stammen höchstens aus dem 12. Jahrhundert, und erst im 14. Jahrhundert wurden dergleichen in Wohnhäusern angebracht. Ein erhaltenes Beispiel aus dem 14. Jahrhundert befindet sich für Deutschland im Marburger Schloss. In England hatte man schon 1180 in vielen Privathäusern Glasfenster. Noch 1458 fand es Äneas Sylvius auffallend, in Wien viele Häuser mit Glasfenster zu sehen. Meist wurden bis zum allgemeinen Gebrauch des Fensterglases die Öffnungen durch Teppiche gegen Wind und Wetter geschlossen. Während man sich im frühen Mittelalter rautenförmig oder sonstwie gemusterter Bleiverglasung mit etwa 12 cm großen Scheiben bediente, wurden im späten Mittelalter und in der Renaissance die Butzenscheiben viel angewendet. Später erhalten die größer werdenden Fenster vielfach Sprossenteilung mit meist rechteckigen Scheiben, die dann mit der Vervollkommnung der Glastechnik verschwindet und, wenigstens für vornehmere Bauten, der Verglasung mit großer Spiegelscheibe Platz macht.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe