Schlachten um und Belagerung von Metz im Deutsch-Französischen Krieg 1870

Deutsches Tor in Metz.

Trotz seiner bedeutenden alten Festungswerke vor einer Beschießung durch die neueren Geschütze nicht gesichert, war Metz seit 1867 in aller Eile mit großen detachierten Forts auf den dominierenden Höhen zu beiden Seiten der Mosel versehen worden. Obwohl nur in Erde ausgeführt, machten die Forts von St.-Julien, Queuleu, St.-Quentin und Plappeville die Beschießung der eigentlichen Festung unmöglich; doch waren die zur Verbindung beider Ufer nördlich und südlich im Tal begonnenen Forts St.-Eloi und St.-Privat 1870 noch nicht vollendet, auch die übrigen nicht völlig armiert. Metz wurde wegen seiner günstigen Lage und der großen Ausdehnung des Platzes bei Beginn des Krieges zum großen Hauptquartier und Depot der Rheinarmee ausersehen, und Ende Juli 1870 begab sich auch Kaiser Napoleon III. dahin.

Als die Siege der Deutschen 6. Aug. jede Aussicht auf offensive Kriegführung zerstörten, wurde die ganze Rheinarmee (Garde, 2., 3., 4. und 6. Korps) auf dem rechten Moselufer bei Metz zusammengezogen, da man an der Französischen Nied eine Schlacht annehmen wollte. Doch gab Bazaine, der am 12. Aug. den Oberbefehl übernahm, diese Absicht wieder auf und beschloss, über Verdun nach Châlons-sur-Marne abzumarschieren, um dort die ganze französische Armee zu der Entscheidungsschlacht zu vereinigen. Am 13. Aug. ward dies befohlen, am 14. begann das Defilieren der Armee durch die beengende Festung und über die Moselbrücken. Der von den Unterbefehlshabern des 1. und 7. preußischen Korps improvisierte Angriff auf die abziehenden Franzosen 14. Aug., der zu der Schlacht von Colombey-Nouilly (s. d.) führte, sowie mangelhafte Veranstaltungen und fehlende Leitung verzögerten aber den Abmarsch der Rheinarmee aus Metz auf die beiden nach Verdun führenden Straßen so sehr, dass selbst am 15. nur geringe Entfernungen zurückgelegt wurden und die Spitzen bereits bei Conflans mit der deutschen Reiterei zusammentrafen.

Napoleon selbst erreichte am 16. noch Verdun, aber bereits am Vormittag wurde der Vortrab des linken Flügels, das 2. Korps, im Lager bei Vionville überrascht, und es entspann sich die Schlacht von Vionville-Mars la Tour (s. d.). Bazaine beging den Fehler, dass er, die Schwäche des Gegners nicht kennend, ihm nicht mit seiner großen Übermacht eine entscheidende Niederlage beibrachte, ließ sich aber auch von der falschen Anschauung bestimmen, dass der Feind ihn von Metz abdrängen wolle, und dass er vor allem die Verbindung mit diesem Platz festhalten müsse. Nachdem er durch unruhiges Ablösen in der Schlacht alle seine Korps geschwächt, seine Munition verbraucht und doch den Abmarsch nach Châlons nicht erzwungen hatte, ging er am 17. unter die Wälle von Metz zurück, verzichtete darauf, sich mit Mac-Mahon zu vereinigen, und entschied dadurch bereits die Trennung der französischen Armee. Er fasste jetzt den Plan, gestützt auf die Festung und durch die in ihr aufgestapelten Vorräte für lange Zeit gegen Mangel gesichert, in seiner beinahe unangreifbaren Stellung auszuharren und hierdurch überlegene Kräfte der deutschen Armee vor Metz festzuhalten, bis ein Friede oder eine sonstige Wendung ihn aus seiner Isolierung erlösen würde. Die Schlacht bei Gravelotte war daher wesentlich eine Verteidigungsschlacht und fiel für ihn deswegen nicht ungünstig aus; einen Versuch, nach Westen durchzubrechen, machte er gar nicht.

Kaiser Wilhelm I. von Preußen vor Metz, Gemälde von Wilhelm Camphausen.

Die Deutschen mussten nun die erkämpfte Trennung der beiden französischen Heere zu einer bleibenden machen, versuchten deshalb keine strenge Umschließung von Metz, sondern begnügten, sich, im Westen und Norden, wo ein Angriff Bazaines zum Zweck seiner Befreiung zu gewärtigen war, genügende Streitkräfte bereitzustellen und im Süden und Osten bloß einen dünnen, teilweise aus Kavallerie gebildeten Kordon zu ziehen. Die Untätigkeit Bazaines rechtfertigte diese Kühnheit, denn die ersten Tage nach der Schlacht bei Gravelotte tat er nichts, um die Widerstandskraft des einschließenden Ringes zu prüfen. Erst als er am 29. und 30. von Mac-Mahons Marsch nach der Maas zur Vereinigung mit der Rheinarmee erfuhr, befahl Bazaine am 30. die Konzentration der Armee beim Fort St.-Julien zur Ausführung des Durchbruchs nach Diedenhofen. Die Schlacht bei Noisseville (s. d.) 31. Aug. und 1. Sept. vereitelte Bazaines Absicht. Wäre sie gelungen, hätte er doch kaum den gewünschten Erfolg gehabt, denn Prinz Friedrich Karl war bereit, sich ihm bei Diedenhofen mit drei Korps in den Weg zu stellen, und überdies wurde Mac-Mahons Armee an demselben 1. Sept. bei Sedan vernichtet. Nur nach Südosten hätte Bazaine durchbrechen, der deutschen Armee durch Zerstörung ihrer Verbindungslinien schaden und den Kern für eine neue Armee bilden können.

Die Schlacht bei Noisseville und die Kapitulation von Sedan bewogen das deutsche Oberkommando, eine eigentliche Einschließung von Metz ins Werk zu setzen. Die Zernierungsarmee bestand aus der unter dem Befehl des Prinzen Friedrich Karl vereinigten ersten und zweiten Armee. Das 1. und 7. Korps standen rechts der Mosel, das 2. im Moseltal südlich von Metz, das 8., 9., 3. und 10. auf dem linken Ufer, die Division Kummer im Tal nördlich von Metz. Trotz vorzüglichster Vorbereitung und Berechnung aller Möglichkeiten brachten es die Raumverhältnisse mit sich, dass gegen jeden Teil der Zernierung von Metz aus ein Stoß geführt werden konnte, der eine Zeitlang den entgegenstehenden Kräften an Zahl überlegen blieb. Jedoch beschränkten sich die Franzosen auf kleine Vorpostengefechte, Kanonaden der Forts und andere unbedeutende Demonstrationen, da Bazaine auf baldigen Frieden rechnete. Erst Ende September wurden einige größere Ausfälle unternommen, um die Armee zu beschäftigen und Proviant zu erbeuten, ein Durchbruchsversuch aber nicht wieder gemacht. Die bedeutendsten und zugleich die letzten Unternehmungen solcher Art waren die Angriffe auf die Stellung der Division Kummer 2. und 7. Okt. Der erste Ausfall richtete sich gegen Ladonchamps, Ste.-Agathe, St.-Remy und Bellevue: die Deutschen wurden aus der äußersten Linie, aus Ladonchamps und Ste.-Agathe, vertrieben, behaupteten aber die befestigte zweite Linie und warfen schließlich die Franzosen vollständig zurück. Am 7. Okt. nachmittags gegen 2 Uhr wandten sich am linken Moselufer französische Infanteriekolonnen mit 2–3 Batterien gegen Bellevue, St.-Remy, Grandes-Tapes und Petites-Tapes und warfen die Vorposten der Division Kummer zurück, aber von zwei Seiten kamen die 38. und 9. Infanteriebrigade zu Hilfe und nötigten den Feind zum Rückzug; bei Einbruch der Dämmerung waren sämtliche Positionen wieder gewonnen.

Die Lage der eingeschlossenen Armee, die bis zum 7. Okt. 2100 Offiziere und 40.000 Mann an Toten und Verwundeten verloren hatte, ward unter dem Einfluss moralischen und physischen Leidens mit jedem Tag trauriger. Die Monate September und Oktober brachten viel Regen und machten die Biwaks außerhalb der Stadt unbehaglich und ungesund; der Mangel an Lebensmitteln ward immer fühlbarer, Pferdefleisch war zuletzt außer dem Brote, das täglich in Rationen von 500 g und schon Anfang Oktober nur von 300 und 250 g ausgegeben wurde, fast die einzige Speise. Der Bestand an Kranken wuchs täglich, die Kavallerie war nicht mehr beritten, die Artillerie zum größten Teil nicht mehr bespannt. An die Möglichkeit eines Durchbruchs war gar nicht mehr zu denken. Auch die deutsche Armee litt außerordentlich durch das lange Stilliegen bei der nassen Witterung; im Oktober wurden selbst mit Schwächung der Zernierungslinie weiter rückwärts gelegene Kantonnements bezogen. Die Rinderpest erschwerte die Verpflegung, und Typhus und Ruhr schwächten die Truppe. Indes Ausdauer und Sorgsamkeit überwanden alle Schwierigkeiten. Am 10. Okt. rief Bazaine einen französischen Kriegsrat zusammen, der sich für Anknüpfung von Unterhandlungen mit dem Feind entschied.

Bazaine versuchte zunächst mit der preußischen Regierung direkt zu verhandeln und sandte den General Boyer nach Versailles; dieser forderte freien Abzug der Armee von Metz mit Waffen und Kriegsgerät unter der Verpflichtung, dass sie während des Krieges nicht mehr gegen Deutschland diene. Er dachte dabei an die Wiederherstellung des Kaisertums durch seine Armee. Allein die Kaiserin Eugenie weigerte sich, als Boyer sie in Chislehurst aufsuchte, den Verhandlungen beizutreten, und Bazaine wurde vom deutschen Hauptquartier auf rein militärische Verhandlungen mit dem Prinzen Friedrich Karl verwiesen. Am 25. Okt. schickte er nach einem neuen Kriegsrat den General Changarnier nach Corny zum Prinzen Friedrich Karl, der aber einfach auf Übergabe der Armee und Festung bestand. Die Lebensmittel waren völlig erschöpft, ein weiterer Kampf hoffnungslos, und so entschloss sich der Marschall Bazaine zur Kapitulation. Über sie ward auf dem Schloss Frescaty zwischen den Generalen Jarras und Stiehle verhandelt; am 27. Okt. wurde sie abgeschlossen.

Armee und Festung wurden dem Feind mit sämtlichem Kriegsmaterial und allen Ehrenzeichen überliefert. Die Armee, 3 Marschälle, 4000 Offiziere und 173.000 Mann (darunter 20.000 Verwundete und Kranke und auch die Nationalgarde), ward kriegsgefangen, ein Material im Wert von 80 Mill. Frank, 800 Geschütze, das Material für 85 Batterien, 66 Mitrailleusen, 300.000 Gewehre, gewaltige Massen von Säbeln, Kürassen etc., 2000 Militärfuhrwerke, an Ehrenzeichen 53 Adler und Fahnen, auch die wertvolle Bibliothek der Artillerieschule Kriegsbeute. Die Zernierungsarmee hatte diesen beispiellosen Erfolg mit einem Gesamtverlust von 102 Offizieren und 5000 Mann erkauft, die auf dem Schlachtfeld oder in den Lazaretten gestorben waren. Am 29. Okt. vormittags besetzten die deutschen Truppen die Forts; der Ausmarsch der Armee, die schon vorher ihre Waffen abgelegt hatte, dauerte unter strömendem Regen bis zum späten Abend. Aus den Biwaks wurden sodann die Franzosen nach und nach in die Kriegsgefangenschaft nach Deutschland abgeführt.

Die Kapitulation von Metz machte die erste und zweite deutsche Armee für den Schutz der Zernierung von Paris verfügbar und befreite die dortige Armee aus einer seit der Bildung der französischen Loirearmee bedenklichen Lage; insofern hat sie die Kapitulation von Paris zur Folge gehabt und den Krieg entschieden. Bei der französischen Nation erregte sie daher auch die größte Bestürzung und den höchsten Zorn. Gambetta erließ eine leidenschaftliche Proklamation, in der er Bazaine ganz offen des Verrats beschuldigte. Die Erbitterung gegen den »homme de Metz« war um so größer, als man, von aller Verbindung mit ihm abgeschnitten, ganz überspannte Hoffnungen auf seinen fortgesetzten Widerstand gesetzt hatte; eine Flut von Büchern und Broschüren ehemaliger Verteidiger von Metz häufte auf ihn alle Schuld an dem unglücklichen Ausgang, und Bazaine musste sich daher 1873 einem Kriegsgericht stellen, das ihn wegen der Übergabe von Metz verurteilte. Wie fehlerhaft auch sein Verhalten Mitte August war, so ist doch nicht zu leugnen, dass er die Festung eine längere Zeit hielt, als es bei der Mangelhaftigkeit der Außenforts einer bloßen Besatzung möglich gewesen wäre. Dass Metz deutsch bleiben würde, hatte schon die Proklamation des Prinzen Friedrich Karl vom 27. Okt. 1870 verkündet. Trotz aller Bemühungen Thiers’, der sogar Luxemburg kaufen und gegen Metz austauschen wollte, wurde es im Frankfurter Frieden 10. Mai 1871 an Deutschland abgetreten.

Bibliographie

  • »Der deutsch-französische Krieg 1870/71«, redigiert vom Großen Generalstab (Berl. 1872 ff.)
  • »Les guerres de 1870–1871. Les opérations autour de Metz« (franz. Generalstab, Par. 1903–04, 2 Bde.)
  • Bazaine: L’armée du Rhin (1871)
  • Bazaine: Episodes de la guerre de 1870 et le blocus de Metz (Madr. 1883)
  • Bußler: Führer über die Schlachtfelder (3. Aufl., Metz 1900)
  • Fircks, v.: Die Verteidigung von Metz im Jahr 1870 (2. Aufl., Berl. 1893, 3 Tle.)
  • Geibel: Führer über die Schlachtfelder von Bußler (Metz 1898)
  • Goltz, v. d.: Die Operationen der zweiten Armee bis zur Kapitulation von Metz (Berl. 1874)
  • Hérisson: La légende de Metz (Par. 1888; deutsch, Berl. 1888)
  • Liebach: Taktische Wanderungen über die Schlachtfelder um Metz (2. Aufl., Berl. 1902)
  • Paulus: Die Zernierung von Metz (Berl. 1875)
  • Scherff, v.: Die Zernierung von Metz und die Schlacht von Noisseville (Berl. 1876)
  • Schmid, v.: Das französische Generalstabswerk über den Krieg 1870/71, Heft 4 f. (Leipz. 1904 f.)
  • Schwabenland: Karte der Kriegerdenkmäler auf den Schlachtfeldern um Metz (5. Aufl., Metz 1905), auf der 83 Denkmäler verzeichnet sind (darunter 7 französische), und zwar 19 auf den Schlachtfeldern von Colombey-Noisseville, 25 auf denen von Vionville-Mars la Tour und 39 um Gravelotte-St. Privat
  • Taubert: Die Schlachtfelder von Metz (Bilder und Karten, Berl. 1902)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Figuren des Deutsch-Französischen Krieges